Mülheim. Am Wochenende wählen die katholischen Christen in Mülheim die Kirchenvorstände und Pfarrgemeinderäte. Wie steht es um die Zukunft der Gemeinden?
Am Wochenende (6. und 7. November) wählen die katholischen Christen ihre Kirchenvorstände und Pfarrgemeinderäte! Deshalb sprach diese Zeitung mit der Leiterin der Styrumer Gemeinde St. Mariae Rosenkranz, Sigrid Geiger (58) darüber, warum sie sich in der Kirche engagiert und darüber, was für die Stadtkirche zur Wahl und zur Entscheidung steht.
Viele Menschen verlassen die katholische Kirche. Sie engagieren sich in dieser Kirche.
Sigrid Geiger: Abgesehen davon, dass die Kirche mein Arbeitgeber ist, sehe ich meine Arbeit als meinen Traumberuf, in dem ich mich verwirklichen kann, weil mir die Menschen in dieser Gemeinde am Herzen liegen und ich sie mit dem Evangelium Jesu Christi und der Liebe Gottes in Berührung bringen.
In den Mülheimer Pfarrgemeinden werden jeweils der Kirchenvorstand und ein Pfarrgemeinderat gewählt
Viele Menschen halten den christlichen Glauben für überholt.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man, wenn man an Gott glaubt, eine besondere Kraftquelle hat, mit der man die Höhen und Tiefen des Lebens besser durchstehen kann.
Worum geht es bei den Kirchen-Wahlen am Wochenende?
Für die drei Mülheimer Pfarrgemeinden St. Barbara, St. Mariä Himmelfahrt und St. Mariae Geburt werden jeweils ein Kirchenvorstand und ein Pfarrgemeinderat gewählt. Der Kirchenvorstand ist die offizielle Vertretung seiner Pfarrgemeinde. Seine Mitglieder entscheiden über alle finanziellen, wirtschaftlichen, rechtlichen, personellen und bautechnischen Fragen, die die Pfarrgemeinde betreffen. Die Mitglieder des Pfarrgemeinderates beraten und gestalten das Gemeindeleben in pastoralen und sozialen Fragen.
Was ist diesmal anders?
Es werden nur noch drei Pfarrgemeinderäte und keine Gemeinderäte mehr gewählt. Stattdessen können sich in den Gemeinden pastorale Teams bilden, in denen alle interessierten Gemeindemitglieder, je nach ihrer persönlichen Neigung, mitarbeiten können, um dem Gemeindeleben neue Impulse zu geben.
Warum Gemeinden künftig mit weniger Finanzen auskommen müssen
Was bedeutet das zum Beispiel für Ihre Gemeinde, die eine von fünf Gemeinden der Pfarrei St. Barbara ist?
Wir wählen auf Gemeindeebene. Das heißt: Jede Gemeinde (St. Barbara, St. Engelbert, St. Mariae Rosenkranz, Christ König und die Kroatische Gemeinde) wählen jeweils zwei Vertreter in den neuen Pfarrgemeinderat, der weitere sachkundige Gemeindemitglieder berufen kann. Gleichzeitig werden sechs der zwölf Kirchenvorstände für eine Amtszeit von sechs Jahren gewählt. Der Kirchenvorstand einer Pfarrgemeinde wird jeweils nur zur Hälfte neu gewählt, um eine größere Kontinuität in der Leitung der Pfarrgemeinde herzustellen.
Wie wirkt sich der seit 2015 laufende Pfarreientwicklungsprozess aus?
Seit 2013 leitet Geiger die Styrumer Gemeinde
Die vierfache Mutter Sigrid Geiger (58) kam 2010 als Gemeindereferentin in die Styrumer Gemeinde St. Mariae Rosenkranz, die sie seit 2013 leitet.
Damit gehört die 58-Jährige zu einer wachsenden Gruppe von derzeit rund 30 Frauen im Bistum Essen. Als Gemeindeleiterin vertritt Geiger ihre Gemeinde in allen städtischen und kirchlichen Gremien. Sie arbeitet als geistliche Begleiterin und Seelsorgerin, gestaltet Wortgottesdienste, begleitet und betreut die ehrenamtlich Mitarbeitenden der Gemeinde.
Mit den Pastoren der Nord- Pfarrei St. Barbara stellt sie deren Dienstpläne auf, wenn es um das Feiern von Gottesdiensten, Taufen, Trauungen und Beerdigungen geht. Damit steht Geiger in der langen Tradition jener Frauen, die in der christlichen Urkirche den Glauben verkündet und die Gemeinden geleitet und später auch als Kirchenlehrerin theologisch inspiriert haben.
In kann nur so viel sagen. Wir werden mit weniger Geld und mit weniger Gebäuden auskommen müssen. Die Finanzzuweisungen des Bistums werden weiter zurückgehen. Die Pfarrgemeinden werden immer enger zusammenrücken und vieles gemeinsam machen. Wichtig ist, Sicht, dass es vor Ort kirchliche Orte gibt, an denen Menschen, die auch ihren Alltag miteinander verbringen, auch ihren Glauben teilen können. Ob man das dann noch Kirche oder Gemeindezentrum nennt, ist zweitrangig. Im Zukunftsbild unserer Kirche ist die Nähe zu den Menschen als Ziel verankert. Nähe kann man nicht erreichen, wenn man alles zentralisiert.
Gemeindeleiterin sieht Frauen über kurz oder lang auch in der Rolle von Priesterinnen
Sehen Sie sich in dieser Entwicklung als Gemeindeleiterin als Lückenbüßerin in einer Kirche, die Frauen bisher die Priesterweihe verweigert?
Ich glaube, dass die katholische Kirche über kurz oder lang Frauen zu Priesterinnen weihen wird, weil sie einen akuten Priestermangel hat und weil sie gesellschaftlich anschlussfähig sein muss. Wir würden als Kirche glaubwürdiger und könnten Menschen auch besser ansprechen und mitnehmen, wenn wir auch Frauen zum Priesteramt zuließen. Auch theologisch ist das rein männliche Priesteramt, das mit den Machtstrukturen der Kirche entstanden ist, nicht haltbar. Denn Gott hat den Menschen als Frau und Mann geschaffen. Und als getaufte Christen sind wir alle zu priesterlichem Handeln berufen. Schon heute haben wir uns als Kirche, unter dem Eindruck der Missbrauchsfälle auf einen synodalen Weg begeben, auf dem, unter Einbeziehung der Laien, in Arbeitskreisen, wie „Frauen in der Kirche“, „Umgang mit Macht“ oder „Leben der Priester“, die strukturellen Gründe beleuchtet werden, die die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche möglich gemacht haben.