Mülheim. Daniel Christian ist nicht der klassische Azubi, doch bei seinem Chef kommt er gut an. Warum der Mülheimer mit 36 Jahren eine Ausbildung beginnt.
Er hat seinen absoluten Traumjob gefunden, ist glücklich im Team seiner Arbeitskollegen, geht gerne in die Berufsschule und kommt gut mit seinen Mitschülern aus. Das an sich wäre noch nicht beachtlich, wäre Daniel Christian nicht schon 36 Jahre alt. Der Mülheimer hat vor kurzem eine Ausbildung zum Kraftfahrzeugmechatroniker in einem Oberhausener Autohaus begonnen. Wie es dazu kam.
Das Leben passiert einfach – bei Daniel Christian bedeutet das: eine Ausbildung im Garten- und Landschaftsbau hat er nach der mittleren Reife „versemmelt“, wie er selber sagt, dann lernte er seine heutige Frau kennen und schon bald kündigte sich das erste Kind an. Die Familie ging erstmal vor.
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Spätestens als das zweite Kind kam, war klar: Er muss Geld verdienen, um für seine Frau und die beiden Töchter zu sorgen. So hangelte sich der gebürtige Berliner, der seiner Frau, einer Mülheimerin, zuliebe ins Ruhrgebiet gezogen ist, von einem Job zum nächsten. Auch im Automobilsektor war er zwischenzeitlich mal unterwegs schildert Christian, er arbeitete in Düsseldorf bei Mercedes und in Essen bei einer Firma, die Stoßdämpfer für BMW herstellt.
Zahlreiche Jobs – mal als Gebäudereiniger, mal als Hausmeister
Zuletzt waren es aber Jobs in der Gebäudereinigung und als Hausmeister. Nun – mit Mitte 30 – wollte er schließlich nicht nur sich selbst beweisen, dass er es auch zu einem Abschluss bringen kann. „Ich will meinen Töchtern zeigen, dass immer irgendwo eine Tür aufgeht, wenn’s vorher mal nicht glatt gelaufen ist“, betont Daniel Christian und versichert: „Ich habe aus meinen Fehlern gelernt.“ Stolz ist er darauf, dass seine Töchter – zwölf und neun Jahre alt – gerne zur Schule gehen.
Und auch ihm macht es nichts aus, nach Jahrzehnten wieder die Schulbank zu drücken. In der Berufsschule ist er mit seinen 36 Jahren mit Abstand der Älteste und sitzt neben deutlich Jüngeren. „Ich mach da viele Späße mit, aber nicht jeden. Schließlich geht es hier um was, ich will einen guten Abschuss machen.“ Es wäre sein erster Berufsabschluss, den er nach der rund zweieinhalbjährigen Lehrzeit mit Ende 30 in der Tasche hätte.
Mülheimer durchläuft die gleiche Ausbildung wie die jungen Azubis
Der Mülheimer durchläuft mit Unterstützung der Agentur für Arbeit die gleiche Ausbildung wie die jungen Azubis, kann diese aber auf 28 Monate verkürzen. „Ich bin endlich glücklich mit dem, was ich mache. Das ist immer der Beruf gewesen, den ich machen wollte. Ich bin Feuer und Flamme.“
Das Herzblut und die Leidenschaft, womit Daniel Christian ans Werk geht, registriert auch sein Chef Martin Rickmann, Geschäftsführer der Autohaus Lessingstraße GmbH. „Seine Lebenserfahrung macht einen großen Unterschied“, urteilt Rickmann und fügt hinzu: „Herr Christian geht auch den Extra-Meter und überzeugt mit seiner Motivation.“
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Betriebliche Einzelumschulung nennt sich das, was Berufsberaterin Lisa Ohlenhoff von der Agentur für Arbeit für Daniel Christian aus der Palette der Möglichkeiten herausgefiltert hat. Dass Beraterin und Suchender nach einer Orientierungsveranstaltung noch einmal gemeinsam in die Tiefe gegangen sind, die Kenntnisse des Mittdreißigers zusammengetragen und auch seine Wünsche ausgelotet haben, hat sich für Christian als Glücksfall erwiesen. Denn eigentlich war er mit der Idee an die Arbeitsagentur herangetreten, eine Ausbildung zum Pflegefachmann machen zu wollen. In diesem Bereich hatte er sich aufgrund der aktuellen Lage in der Pflege besonders gute Jobchancen ausgerechnet.
Rahmenbedingungen des Jobs sollten sich mit der Familie vereinbaren lassen
Berufliche Neu- und Umorientierung
Das Team „Berufsberatung im Erwerbsleben“ der Agentur für Arbeit Oberhausen/Mülheim hilft bei der beruflichen Neu- und Umorientierung. Dabei finden unter anderem Veranstaltungen wie „Beruflich qualifizieren – wie geht das?“ statt.
Mit dem Angebot will die Arbeitsagentur nach eigener Aussage darauf reagieren, dass die Welt stets schnelllebiger wird und sich im Umbruch befindet. Das betrifft auch den Arbeitsmarkt – hierbei spielen etwa Strukturwandel, Digitalisierung und auch demografische Entwicklung eine Rolle.
Offene telefonische Sprechzeiten bietet das Team „Berufsberatung im Erwerbsleben“ montags bis freitags von 7 bis 10 Uhr, dienstags und donnerstags von 16 bis 18 Uhr sowie mittwochs zwischen 14 und 16 Uhr unter 0208/850 69 05.
„Aber dann haben wir uns die Rahmenbedingungen angeschaut. Dazu zählen auch die Arbeitszeiten, die sich gut mit seinem Familienleben vereinbaren lassen sollten“, berichtet Beraterin Ohlenhoff. Und der Mülheimer gestand der Berufsberaterin auch, dass Kfz-Mechatroniker schon immer sein Traumberuf war. Über den Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit kam der Kontakt zum Oberhausener Autohaus an der Lessingstraße zustande.
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Nach einem Praktikum war für alle Seiten schnell klar: Daniel Christian bleibt. Während der Zeit der Umschulung erhält der 36-Jährige von der Arbeitsagentur zusätzlich zu seinem Arbeitslosengeld weitere Unterstützung, zum Beispiel für die Fahrtkosten oder zusätzlich anfallende Kinderbetreuungskosten. Und der Betrieb hat eine finanzielle Entlastung durch eine geringere monatliche Vergütung. Autohaus-Chef Rickmann betont: „Das Ganze ist auf eine Übernahme ausgelegt.“
Lebenslanges Lernen – für Daniel Christian keine hohle Phrase, sondern das Beste, was ihm passieren konnte, wie er selbst sagt.