Mülheim. Weil sie ein flächendeckendes Höfe-Sterben befürchten, demonstrierten aufgebrachte Bauern vor Aldi in Mülheim. „Es geht um die nackte Existenz.“

Um auf die finanzielle Misere hiesiger Schweinebauern aufmerksam zu machen, haben am Mittwochnachmittag mehrere Dutzend aufgebrachter Landwirte vor der Aldi-Zentrale in Mülheim-Styrum demonstriert. Vorgefahren waren sie mit Treckern, die auch Nummernschilder aus weiter entfernten Orten hatten, und an denen Plakate hingen, die aufrütteln sollten: „Wir machen euch satt – Noch“ oder „Kleiner Bauer ohne Zukunft – ihr entscheidet an der Ladentheke“.

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Die Vereinigung Land sichert Versorgung NRW hatten den Protest organisiert – und mehrere Vertreter machten gleich klar, worum es im Kern ging: Die Arbeit des Schweinebauern lohne sich nicht mehr, immer mehr Betriebe ständen massiv unter Druck oder hätten schon aufgegeben. „Es geht um die nackte Existenz“, so Ansgar Tubes, Vorsitzender der Vereinigung.

Die Rechnung von Aldi für das Jahr 2030 geht nicht auf, sagen die Landwirte

Unter anderem stört die Bauern, dass Aldi angekündigt hat, ab 2030 keine Fleischprodukte aus konventioneller Tierhaltung mehr verkaufen zu wollen. Bessere Haltungsbedingungen für Nutztiere bedeuteten für sie selbstverständlich immer „Mehrleistungen“ – doch schon jetzt würden zusätzliche Arbeiten nur „schleppend“ durch die Lebensmittel-Einzelhändler bezahlt, so der Vorwurf. Nun habe der Discounter dem Kunden versprochen, künftig nur noch Frischfleisch aus den Haltungsstufen 3 oder 4 anzubieten – Freiland oder Bio –, aber erneut zugesichert, dass sich an den Preisen im Laden nichts ändert.

Diese Rechnung gehe nicht auf, kritisierten die Landwirte. Man müsse zum Beispiel in neue Ställe investieren, um die strengeren Kriterien überhaupt erfüllen zu können. Das koste viel Geld, was im Aldi-System nicht eingepreist sei. „Man kann keinen Mercedes bestellen und dann nur einen Dacia bezahlen wollen“, schimpfte Frank Kisfeld aus dem Vorstand der Vereinigung.

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Der Ferkelpreis sei seit Anfang 2020 von rund 100 auf etwa 30 Euro gefallen

Schon jetzt sei die Fleischproduktion nicht mehr auskömmlich, zahle man drauf, so Kisfeld. „Der Ferkelpreis ist seit Anfang 2020 von rund 100 auf unter 30 Euro gefallen“, berichtete er am Rande der Veranstaltung. Viele Faktoren spielten eine Rolle dabei, dass das Geschäft nicht mehr einträglich sei. So seien etliche Kunden nach wie vor nicht bereit, tiefer in die Tasche zu greifen. Mitursächlich sei auch die Entwicklung an den Schlachthöfen, deren Angestellte nach den Skandalen in der Coronazeiten nun feste Arbeitsverträge erhalten. Das treibe die Produktionskosten hoch – „um 30 bis 35 Cent pro Kilo“. Diese Mehrkosten würden nicht fair verteilt. „Die Landwirte als schwächstes Glied in der Kette müssen sie tragen.“

Zwei kleine Schweine vor der Demonstration ausgesetzt

Kurz vor der Demo hatte ein Unbekannter zwei Ferkel in Pappkartons unweit des Aldi-Geländes abgeladen. Polizisten kümmerten sich zunächst um die ausgesetzten Tiere.

Wenig später entschied eine Bauernfamilie aus dem Münsterland spontan, die Tiere bei sich aufzunehmen. Tochter Hannah (15) versorgte die Tierkinder.

Ein weiteres Problem habe sich durch die in Deutschland mehrfach aufgetretene Afrikanische Schweinepest entwickelt: Der Export der vom deutschen Kunden nicht goutierten Körperteile wie Pfoten oder Schwänze nach Asien sei wegen der Tierseuche nicht mehr möglich. Es gebe nun keine Abnehmer mehr und man müsse die übrig gebliebenen Teile des Schweins teuer entsorgen lassen. „Die Politik muss sich da dringend etwas einfallen lassen“, sagte Kisfeld unter dem Beifall der Demonstranten. „Es müssen Rahmenbedingungen her, damit wir von unserer Arbeit noch leben können.“ Man fordere den gesamten Handel dazu auf, nur noch Frischfleisch aus Deutschland anzubieten.

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„Vielen ist die deutsche Landwirtschaft doch nicht so wichtig, wie sie immer betonen“

Im Vorfeld habe man sich bemüht, Akteure aus verschiedenen Bereichen der Fleischproduktion auf die Bühne zu bekommen. „Leider mit mäßigem Erfolg – anscheinend ist den Beteiligten die deutsche Landwirtschaft doch nicht so wichtig, wie sie immer betonen“, so Ansgar Tubes. Auch von Aldi ließ sich am Mittwoch niemand blicken. Das Unternehmen, so hieß es, habe frühzeitig abgelehnt, mit den Schweinebauern vor der Tür ins Gespräch zu kommen. Man stehe bereits im Austausch mit anderen Vertretern der Landwirtschaft, so die Begründung.