Mülheim. Die Theatergruppe Ruhrorter hat für ihr neues Stück „Geister“ einen ungewöhnlichen Inszenierungsort gefunden. Was die FWH so ideal macht.
Mit sirenenartigem Getöse lässt Yazan Abo Hassoun die stillgelegte Schreinerei zum Leben erwachen. Wie früher schiebt sich der Kran zielstrebig durch die lange Halle an der Friedrich-Wilhelms-Hütte, senkt sich der signalgelbe Haken nach unten, der die Spuren seiner jahrzehntelangen Arbeit trägt. Doch diesmal nur für die reine Kunst – ein Spuk: Die Theatergruppe Ruhrorter wählte den nun verlassenen Ort, um über den Fluch und Segen von Erinnerungen nachzudenken – „Geister“.
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Und so ist ihre neuste Produktion von dem geprägt, was abwesend ist: eine verlassene Werkhalle, Monitore, die Menschen zeigen, Tonbandstimmen, Kinderlachen, Geräusche. Und von den Erinnerungen der beiden Protagonisten Jessika Eshak und Yazan Abo Hassoun: „Auf einer Wiese hielten wir uns bei der Hand – mehr brauchten wir nicht. In diesem Augenblick war alles da.“
Premiere am Freitag
Zu sehen ist „Geister“ zur Premiere am Freitag, 10. September, in der Friedrich Wilhelms-Hütte, Friedrich-Ebert-Straße 125. Treffpunkt: 19.30 Uhr am Pförtnerhaus.
Weitere Termine: 11.9., 16.-18.9., 22.9., 24.9. und 25.9. Karten (8 und 4 Euro): 599 01 88 sowie info@ruhrorter.com.
Doch was bleibt, wenn dieser Augenblick vorbei ist, wenn sich die Liebenden aus den Augen verloren haben, andere Leben führen? In „Geister“ hängen die Akteure dem nach, was war – und was wäre, wenn… „Das, was eintritt und was nicht eintritt. Ich schaue also zurück und sehe mich und trete auf mich zu.“
Es sind auch die Erinnerungen der Darsteller, die aus Syrien nach Deutschland gekommen sind, ihr früheres Leben also hinter sich lassen mussten. Dennoch ist „Geister“ kein Theater über Flüchtlinge. Die Ruhrorter-Gruppe um die Regisseure Adem Köstereli und Julian Rauter haben mit Fotos und Interviews gearbeitet, die Eshak und Hassoun aufgreifen und zu etwas Eigenem, Universalem transformieren.
Die verlassene Schreinerei der Friedrich-Wilhelms-Hütte bietet den idealen Rahmen
Die verlassene Schreinerei der FWH bietet dafür den idealen Rahmen. Denn der ehemalige Industrie-Standort wirkt selbst noch so, als könne die Arbeit hier jeden Augenblick weitergehen. Die Frage ist nur: Wie? Als weitere Industriekultur?
„Die Stahlguss-Produktion wird unter neuer Leitung auch künftig als industrieller Standort fortgeführt“, sagt Anne-Marie Großmann aus der Geschäftsführung der Muttergesellschaft Georgsmarienhütte Gruppe. Das Schmiedegeschäft ist an einen Investor veräußert, doch das Gelände des stillgelegten Eisengusses soll für öffentliche Veranstaltungen genutzt werden können. Man will den Ort gemeinsam mit der Stadt weiterentwickeln.
„Geister“ spielt die Bandbreite zwischen Melancholie und Utopie
So thematisiert „Geister“ immer wieder auch die Situation der Schreinerei selbst: In einer berührenden Szene greift der besagte gelbe Haken surrend Eshaks Jacke auf, das Objekt der Erinnerung wird wieder zum Teil einer Handlung. Gemeinsam wandern sie die lange Halle hinunter, in deren verdunkeltem Bereich plötzlich die Leuchtstoffröhren aufflackern. Alles wird geisterhaft hell – ein Neuanfang?
„Geister“ jedenfalls spielt diese Bandbreite zwischen Melancholie und hoffnungsvoller Utopie mit starken Bildern und mit leisen, aber ergreifenden Tönen. Und das nicht zum ersten Mal: Immer wieder sind Regisseur Adem Köstereli vielschichtige Verknüpfungen von Menschen, Geschichten und Orten gelungen: im ehemaligen Frauengefängnis, in der Kirche Mariae Rosenkranz oder in Privatwohnungen.
2018 erhielt „Ruhrorter“ Adem Köstereli für sein ambitioniertes Theater-Projekt den Ruhrpreis.