Mülheim. Der Mülheimer Rainer Grindel vertreibt Maßhemden nach dem Tupperware-Prinzip. Sein Versprechen: Für nur 39,90 Euro gibt es fair produzierte Ware.
Beratung und Verkauf im eigenen Zuhause - das Modell kennt man von Thermomix-Deals oder Tupperpartys, bei denen meist Frauen die Hauptrollen spielen. Der Mülheimer Rainer Grindel arbeitet ähnlich, doch mit einer anderen Zielgruppe: Er bringt Männer und Maßhemden zusammen, als Fachberater der Firma Befeni, und er wirbt mit einem Festpreis von 39,90 Euro. Beim Hausbesuch erklärt der 51-Jährige, warum das Ganze nach seiner festen Überzeugung nicht auf Ausbeutung und Billigproduktion beruht.
Mülheimer Bankkaufmann bestellt sein erstes Maßhemd
Grindel hat einen Neukunden zu Gast: Tobias Schwenk (40) möchte sein erstes Maßhemd bestellen. Die Männer kennen sich schon länger privat, die Atmosphäre ist ungezwungen, der Berater läuft auf Socken durchs Wohnzimmer. Schwenk braucht neue Berufskleidung als Bankkaufmann: „Ich habe zwar schon 25 bis 30 Hemden im Schrank, aber da ich knapp 15 Kilo abgenommen habe, passen nur noch zwei.“
Modeberater: „Etwa 70 Prozent der Hemden sind Kompromisshemden“
Im klassischen Einzelhandel sei es schwierig, davon können beide Herren - wie offenbar zahlreiche Geschlechtsgenossen - ein Klagelied singen. Mal liegt es an der Körpergröße, mal an den Proportionen („zu lange Arme“), mal am Bauch. „Etwa 70 Prozent aller Hemden sind Kompromisshemden“, stellt Rainer Grindel in den Raum und liefert natürlich auch prompt die Lösung. Maßschneidern lassen.
Fakten zur Firma
Die Firma Befeni wurde nach eigenen Angaben im September 2016 von zwei Unternehmern in Langenfeld gegründet.
Sie wirbt offensiv mit handgefertigten Maßhemden für 39,90 Euro, bietet aber auch Damenblusen, Pullover, Accessoires etc. an.
Auf der Website wird das gesamte Team mit Steckbriefen vorgestellt, auch die Näherinnen und Zuschneider der firmeneigenen Manufaktur in Thailand.
Sie würden „überdurchschnittlich gut bezahlt“, heißt es, bekämen auch Überstunden vergütet.
Die Zahl der Kunden hat sich laut Befeni im vergangenen Jahr auf über 80.000 mehr als verdoppelt. Rund 200.000 Maßhemden und -blusen seien verkauft worden.
Weitere Infos gibt es online auf www.fashion-by-befeni.de
Er selber, von Hause aus kaufmännischer Angestellter, ist noch relativ frisch im Maßhemdengeschäft. Im Februar 2021 sei er bei der Firma Befeni eingestiegen, als einer von mehr als 5000 selbstständigen Vertriebspartnern. Das Unternehmen verspricht berufliche Möglichkeiten „vom Nebenjob bis zum finanziell unabhängigen Spitzenverdiener“. Grindel schwebt mutmaßlich eher die zweite Variante vor.
Jedes Hemd kostet 39,90 Euro, unabhängig von Größe und Design
Alle Hemden kosten 39,90 Euro, unabhängig von Größe, Stoff, Design und Details, die der Kunde auswählt. Gleichzeitig will sich Befeni maximal transparent und fair präsentieren, erklärt die niedrigen Verkaufspreise mit dem Direktvertrieb, vergleichbar mit Tupperware oder Thermomix. „Es entstehen keine Kosten für teure Ladenlokale oder aufwändige Marketingkampagnen“, heißt es auf der Website. Der Zwischenhandel werde komplett ausgeschaltet.
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Vertriebler wie Rainer Grindel müssen sich selber reinhängen. Seine Firmenkunden kämen alle aus Mülheim, berichtet der Berater, „Privatkunden habe ich aber schon bis weit hinter Greven“. Er sucht sie persönlich auf, investiert viel Zeit und Mühe, um sich einen Stamm treuer Abnehmer aufzubauen.
Kunde wird an neun Punkten ausgemessen
Beim ersten Termin wird der Kunde ausgemessen und zahlt dafür eine einmalige Pauschale von 19,90 Euro. Bei späteren Bestellungen hat der Berater die Daten parat. Figurveränderungen - durch Sport, Diät oder Schwelgerei - müssen gemeldet und eingearbeitet werden. Bei Männern gebe es neun Maßpunkte, erläutert Grindel, bei Frauen 18 Punkte. Weibliche Kundinnen habe er allerdings noch nicht, obwohl Befeni auch Blusen und Kleider führt.
Neukunde Tobias Schwenk - nun an allen erforderlichen Oberkörperstellen vermessen - kann aus mehr als 110 Stoffen und Design wählen: Uni, Streifen, Streublümchen, Paisley, Camouflage. Vom Kragen über die Knopffarbe bis zur Manschette kann er sein Maßhemd konfigurieren. Theoretisch steht all das online zur Verfügung.
Muster vom Hawaii- bis zum Smokinghemd
„Aber viele Kunden machen sich vorher keine Gedanken und wollen persönlich beraten werden“, berichtet Rainer Grindel. Sein Job. Er hat auch Muster zur Hand: vom Hawaii- bis zum Smokinghemd. Und er liefert Ideen fürs Feintuning, etwa persönliche Initialen auf Kragen oder Manschette.
Tobias Schwenk weiß auf jeden Fall: „Kein schwarzes Hemd fürs Business.“ Letztendlich wird es bei ihm ein dunkelblauer Stoff („Easy Navy“), sportlich tailliert geschnitten, die Initialen T.S. auf Taillenhöhe eingestickt, 100 Prozent Baumwolle, Tragekomfort/Knitterfaktor/Bügeleigenschaften jeweils fünf von fünf Sternen.
„Der Kunde wird sein maßgeschneidertes Hemd in drei bis vier Wochen in den Händen halten“, verspricht Rainer Grindel. Und bis dahin über alle Produktionsschritte per Mail informiert. Ob der Kunde am Ende auch fünf Sterne für Service und Qualität vergibt, muss sich zeigen. Falls die Ware nicht passt, soll es ohne Aufpreis ein Ersatzhemd geben und das verschmähte Stück keineswegs im Müll landen, sondern eine neue Verwendung finden: „Es wird Vorführhemd.“