Mülheim. In 18 Episoden erzählt der Stadtrundgang „Phonopoly“ eine alternative Geschichte der Mülheimer Innenstadt: schräg, satirisch, geheimnisvoll.
Eine Sirene quäkt, Bürger schreien wild durcheinander – ein Tohuwabohu: Und alles nur, weil etwa 60 „ruchlose Räuber“ die Stadt nahe der Kirche in Aufruhr versetzen, wie die „Mülheimer Zeitung der neusten Begebenheiten“ am 21. April 1797 berichtet. Die Räuberpistole und gut weitere 17 Ereignisse weiß der neue Mülheimer Stadtrundgang „Phonopoly“ akustisch unterhaltsam zu inszenieren.
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Wie Phonopoly den Zuhörer in die Stadtgeschichte reinzieht
Die Idee dahinter: Jeder kann das Ohrenkino per App Guidemate kostenlos auf sein Smartphone laden und beim Gang durch die Innenstadt abspielen. Zwischen einer und sechs Minuten dauern die Einzelepisoden dieser aufwendig inszenierten und bisweilen sogar interaktiven Audio-Tour.
Umso mehr aber macht die Soundkulisse Spaß, die der Mülheimer Schlagzeuger und Klangkünstler Peter Eisold erschaffen hat. Kräftig donnern am Startpunkt der Tour die Glocken von St Mariäe Geburt in der Altstadt. Dann crasht Schlagwerk hinein. Eisold, der auch als Sprecher mitmischt, erläutert die Architektur der bekannten Mülheimer Kirche.
Ein Stück weiter erwartet den Flaneur eine Herausforderung an der Friedenstreppe: „Achte auf die Stufen, trete sie achtsam, es ist die Friedenstreppe“, mahnt die Sprecherin. So hört man beim aufmerksamen Abstieg zum Siegfried-Reda-Platz das Wort „Frieden“ in vielen Sprachen – gerade so, wie es die 54 Messingschilder an den Treppenstufen seit 2004 zeigen.
Lobeshymne oder feiner Spott? Das liegt im Auge des Zuhörers
Die moderne Stadtgeschichte? Phonopoly spart sie nicht aus: „Das Stein gewordene Modell eines Immobilieninvestments. Durch das geplante Nutzungskonzept werden die vorhandenen Wohn- und Freizeitaktivitäten aufgewertet und die Attraktivität der Innenstadt bestärkt. Ein pulsierendes Quartier mitten in Mülheim.“
Ist es das Stadtquartier, das mit schönen Worten bekleidet wird – oder ist da etwa Spott zu vernehmen? Der Widerspruch liegt vielleicht im Auge des Umherwandernden, der das Gehörte nicht in Einklang mit dem Wahrgenommenen bekommen mag. Oder vielleicht doch. Den mexikanischen Kriegsgott Huitzilopochtli beschwört Eisold daraufhin im Innenhof der davon nicht einstürzenden Ruhrbania-Neubauten.
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Und entlang der Löhstraße hält Phonopoly scharfsinnig die „Chiffren der Hausfassaden“ vor Augen wie urbane Poesie der 30er Jahre: „Beyer - Mon Amour – Autoschilder Zollkennzeichen - Art of Life - Impuls - Prothesen Vital“.
Rund 50 Minuten dauert das unterhaltende, aber eben niemals seichte Flanieren durch eine Innenstadt, die man doch längst zu kennen glaubt, aber selten so lebendig und geheimnisvoll erfahren hat. Man findet Phonopoly kostenlos im Internet oder im App-Store unter guidemate.com, Stichwort: „Mülheim Phonopoly“.