Mülheim. Untreue-Verdacht: Die Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen Mülheims alten OB Ulrich Scholten eingestellt. Das sind die Gründe.

Ein Verdacht der Untreue gegen Mülheims ehemaligen Oberbürgermeister Ulrich Scholten (SPD) hat sich laut Staatsanwaltschaft Duisburg auch bei einem zweiten Ermittlungsverfahren nicht erhärten lassen. Das Verfahren ist jetzt eingestellt worden. Einzig steht nun noch aus, wie die Düsseldorfer Bezirksregierung als Scholtens Dienstaufsicht mit dem Disziplinarverfahren gegen den Ex-OB weiter verfährt.

Nach Hinweisen aus Mülheims Stadtverwaltung hatte die Bezirksregierung Anfang Juli 2020 eine Strafanzeige gegen Scholten gestellt. Die Vorwürfe der Untreue und des unerlaubten Entfernens von einem Unfallort standen im Raum. Die Staatsanwaltschaft bestätigte nach Vorprüfungen zunächst jenen Anfangsverdacht und setzte im Herbst vergangenen Jahres ein entsprechendes Ermittlungsverfahren gegen Scholten in Gang, der da schon offiziell das OB-Amt an seinen Nachfolger Marc Buchholz übergeben hatte.

Auch interessant

Privatreise mit dem Dienstfahrzeug nach Italien mit abgerechnet

Zwei mögliche Straftatbestände gab es zu untersuchen. So bestand gegen Scholten der Verdacht der Untreue wegen einer Privatreise im Sommer 2018 mit seinem Dienstfahrzeug nach Italien. Dass diese gar nicht verrechnet worden war mit Scholtens OB-Gehalt (üblich sind 30 Cent pro Kilometer bei Privatnutzung des Dienstwagens), war damaligen Schilderungen zufolge erst aufgefallen, als bei der städtischen Buchhaltung die Rechnung einer italienischen Mautstelle bei Mailand eintrudelte: über 13 Euro.

Die Staatsanwaltschaft stellte nun klar, dass sie für diesen Fall kein strafrechtlich relevantes Handeln des Ex-OB sieht. Pikant: Sie wirft den Ball zurück zur Stadtverwaltung, insbesondere zum Dezernat von Stadtkämmerer Mendack, der die „Auffälligkeiten“ gemeldet und damit den Stein ins Rollen gebracht hatte, Scholten erneut in den Fokus der Staatsanwaltschaft rücken zu lassen. Zwar sei Scholten ohne dienstlichen Anlass nach Mailand gefahren, so die Ermittlungsbehörde, doch habe er dieses dem Personalamt der Stadt formlos mitgeteilt. „Die Mitteilung hat jedoch anschließend nicht den zuständigen Sachbearbeiter erreicht und wurde demnach nicht bei der Gehaltsabrechnung berücksichtigt“, so eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft.

Staatsanwaltschaft: Fehlende Abrechnung musste Scholten nicht zwingend auffallen

Die Staatsanwaltschaft sieht auf Seiten des ehemaligen OB auch keine Rechtspflicht verletzt, wonach Scholten hätte auffallen müssen, dass die Privatreise in seiner monatlichen Gehaltsabrechnung nicht verrechnet worden war. Nüchtern stellt sie dazu fest: „Der für die Dienstfahrt abzurechnende Betrag war nicht so hoch, dass der unterlassene Einbehalt dem Beschuldigten hätte zwingend auffallen müssen.“

Dienstaufsicht prüft die Konsequenzen

Scholtens Rechtsanwalt Thomas Hermes von der Essener Kanzlei Holthoff-Pförtner wollte sich aktuell ebenso nicht zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens äußern wie der Mülheimer Verwaltungsvorstand. Stadtkämmerer Frank Mendack ließ über einen Stadtsprecher lediglich mitteilen, dass man sich zu rechtsstaatlichen Entscheidungen nicht äußere.

Auch die Bezirksregierung als Dienstaufsichtsbehörde äußerte sich nur zurückhaltend: „Die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft liegt hier erst seit wenigen Tagen vor und wird derzeit geprüft“, hieß es von dort.

In einem anderen untersuchten Fall ging es um einen Unfallschaden an Scholtens Dienstwagen, einem Audi A6. Dieser soll aufgefallen sein, als der lange schon krankgeschriebene OB den Wagen früh im Jahr 2020 vorzeitig an die Stadt zurückgegeben hatte. Die Stadtverwaltung hatte Scholten vorgeworfen, den Schaden nicht angezeigt und im Nachgang die Falschaussage getätigt zu haben, den Schaden (rund 10.000 Euro) habe unbemerkt ein Dritter verursacht. Ein von der Stadt in Auftrag gegebenes Gutachten soll ergeben haben, dass Scholten selbst der Unfallverursacher gewesen wäre.

Ermittler sehen keine hinreichenden Hinweise auf eine Unfallflucht Scholtens

Auch diesen Sachverhalt legte die Staatsanwaltschaft nun zu den Akten und sprach Scholten vom anfänglichen Verdacht der Unfallflucht frei. Es sei nicht nachzuweisen, dass Scholten sich nach einem Unfall vom Unfallort entfernt habe. Zudem hätten die Ermittlungen ergeben, dass die Beschädigung „bereits vor dem vermeintlichen Tattag vorhanden war und daher nicht durch eine etwaige Kollision Ende Januar 2020 entstanden sein konnte“. Eine genauere Eingrenzung des Zeitpunktes und des Ortes der Schadensentstehung sowie die Bestimmung der Schadensursache war nicht möglich.

Auch interessant

Bereits im September 2018 hatte die Staatsanwaltschaft, seinerzeit wegen Scholtens Affäre um Spesenabrechnungen, ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen des Verdachts der Untreue gestartet. Es ging um rund 80 Bewirtungsbelege, für die Scholten nicht den Nachweis einer dienstlichen Veranlassung hatte erbringen können. Erst fast ein Jahr später wurde das Verfahren eingestellt. Aus Mangel an Beweisen strafrechtlicher Relevanz.

Die Bezirksregierung hat Scholten Anfang Oktober wegen seiner Gesundheitsbeschwerden infolge einer Herz-OP und seiner dauerhaften Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand entlassen. Die dauerhafte Dienstunfähigkeit bringt Scholten ein Ruhegehalt ohne Abstriche. Wäre Scholten, wie seinerzeit von seiner eigenen SPD-Fraktion initiiert, frühzeitig abgewählt worden, hätte ihm dieses Ruhegehalt nicht zugestanden.