Die Biontech-Bestellung ist für Hausärzte limitiert. Praxen könnten viel mehr impfen. Astrazeneca ist genug da, aber das will nicht jeder haben.
Bestellt hat Uwe Brock am Dienstag sechs Fläschchen (Vials) vom Biontech-Impfstoff, mehr gibt es derzeit pro Hausarzt und Woche nicht. Wie viel er wirklich für seine Patienten bekommt, erfährt er immer erst am Donnerstag. Kommen die sechs Vials, sind das zwischen 36 und 42 Impfdosen für die kommende Woche. Er könnte aber weitaus mehr verimpfen. Schon vor Wochen kritisierte der Mülheimer Arzt, dass die Impfzentren vor allem Biontech auch an Ältere verimpfen. Die dürfen aber auch Astrazeneca bekommen. Diesen Impfstoff hat er selber noch reichlich im Kühlschrank. Aber dafür gehen ihm langsam die Patienten aus.
Astrazeneca wird vom RKI für Menschen über 60 Jahre empfohlen. Aber diese Zielgruppe wird durch die fortschreitenden Impfungen immer kleiner. Die Impfzentren impfen derzeit bis zur Priorisierungsgruppe 2 (über 70, medizinisches Personal und andere Berufsgruppen); ab Donnerstag können in NRW auch Personen der Priorität 3 Termine im Impfzentrum machen. In den Hausarztpraxen ist man schon bei der Priorisierungsgruppe 3 (Vorerkrankte, bestimmte Berufsgruppen) angekommen. Die schwerer Erkrankten und diejenigen, bei denen eine mögliche Covid-Erkrankung fatalere Folgen haben dürfte, sind immer zuerst an der Reihe. Über die höhere Priorität entscheidet der impfende (Haus)Arzt.
Je näher der Impftermin für die nächste Priorisierungsgruppe im Impfzentrum kommt, desto weniger Patienten wollen sich in der Praxis Astrazeneca geben lassen, hat Uwe Brock beobachtet. Das ist wohl in allen Praxen so. Jüngere Berufstätige, die durch ihre Priorisierung zur Impfung berechtigt sind und als Erstimpfung vor Wochen noch Astrazeneca bekommen haben, werden zum zweiten Mal mit Biontech geimpft, erinnert Uwe Brock.
Vakzin von Biontech ist der bevorzugte Impfstoff bei Patienten
„Wenn nur noch Biontech verimpft wird, bleibt Astrazeneca im Kühlschrank liegen“, so Hausarzt Brocks Befürchtung. „Wir verhindern damit, dass Millionen Dosen Astrazeneca hierzulande verimpft werden.“ Das Vakzin von Biontech ist der bevorzugte Impfstoff bei den Patienten. Dabei sei der Astrazeneca-Impfstoff gut, erinnert Brock daran, dass auch viele Mitarbeitende in der Medizin unlängst damit geimpft seien. „Er ist nur viel reaktiver.“ Deshalb seien die Nebenwirkungen bei Jüngeren, die ein besseres Immunsystem hätten, ausgeprägter als bei Älteren mit einem trägeren Immunsystem. Das Risiko für eine der sehr seltenen Hirnvenenthrombosen, bezieht sich Uwe Brock auf Studien, sei bei einer Erkrankung an Covid-19 rund 20 Mal häufiger als nach einer Impfung.
Der Mülheimer Hausarzt Dr. Peter Ramme zitiert aus einem aktuellen Brief des NRW-Gesundheitsministers, der an Über-60-Jährige appelliert, sich mit Astrazeneca impfen zu lassen und nicht auf Biontech zu bestehen. „Wer diesen Impfstoff will, berechtigt ist und über 60, der sollte sich aktiv in den Hausarzt-Praxen melden“, so Dr. Ramme. „Das würde uns die Arbeit sehr erleichtern. Wir müssen jetzt mit jedem einzelnen diskutieren.“
Weitere Impfberechtigte können Termine machen
Ab Donnerstag, 6. Mai, 8 Uhr, können weitere Personengruppen der Priorisierungsgruppe 3 ein Impfangebot im Impfzentrum erhalten. Dies hat NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann am Mittwoch bekannt gegeben. Berechtigte können einen Termin bei der KV buchen über www.116117.de sowie telefonisch über 116 117.
Neben Kontaktpersonen von Pflegebedürftigen gehören unter anderem zu den nun Impfberechtigten auch Beschäftigte im Lebensmitteleinzelhandel und in Drogeriemärkten. Auch Beschäftigte an weiterführenden Schulen erhalten ein Impfangebot.
Maximal 42 Impfdosen Biontech sind schnell an einem Vormittag verimpft
„Wir könnten viel mehr Biontech verimpfen und kriegen nur zu wenig“, klagt Hausarzt Dr. Stephan von Lackum. „Wir bräuchten dringend mehr davon in den Praxen.“ Sowohl er als auch sein Kollege Brock arbeiten in großen Praxen mit mehreren Ärzten. Aber „Einzelkämpfer“ bekommen wirklich nur bis zu sechs Vials und können daraus maximal 42 Impfdosen ziehen – „das haben Sie doch an einem Vormittag verimpft“, sagt der Arzt. Die Leute wollten eben überwiegend Biontech haben. Bei von Lackum wird Astrazeneca aber durchaus von Angehörigen priorisierter Gruppen nachgefragt. Gerade habe ein Lebensmittelhändler für seine Angestellten 60 Dosen Astrazeneca bestellt.
Nach ärztlicher Abklärung und Aufklärung, auf eigenen Wunsch und auf eigene Verantwortung der Impflinge können die Ärzte Astrazeneca durchaus an Unter-60-Jährige geben, erläutert Dr. von Lackum. „Das ist ein hochpotenter Impfstoff mit sehr starker Immunreaktion bei einem gesunden Immunsystem“, betont Hausarzt von Lackum, der aus vielen Gesprächen weiß, dass den Patienten vor allem die möglichen Nebenwirkungen Sorge bereiten. Ein Fläschchen Astrazeneca enthält elf bis zwölf Impfdosen, die auch innerhalb von 48 Stunden verplant werden müssen, weil sie sonst verderben. „Wir können ja nicht nur einen Patienten impfen und dann zehn Dosen wegwerfen.“
Erst nach Wegfall der Priorisierung können die Ärzte jeden impfen
Die Ärzte müssen sich an die Priorisierung, die gesetzlich vorgegebene Impfreihenfolge, halten, sie können nicht einfach impfen, wen sie wollen. „Es wird Zeit, dass die Priorisierung endlich fällt, damit der Aufwand für die Praxen einfacher wird“, fordert auch von Lackum. Die Praxis von Uwe Brock mit fünf Ärzten plant jede Woche ab Donnerstag, wenn die Menge des verfügbaren Impfstoffs feststeht, bis ins späte Wochenende hinein die Impftermine für die Berechtigten. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat das Ende der Priorisierung für den Juni in Aussicht gestellt.