Mülheim. Gegen die Abi-Klausuren in Mathe regt sich Protest: „Zu schwer!“ Eine Mülheimer Schülerin kämpft mit einer Online-Petition für milde Bewertung.
Die schriftlichen Abiturprüfungen 2021 sind vorbei und auch einige Jugendliche sind ziemlich am Ende. Gestresst haben offenbar vor allem die Mathe-Klausuren am Dienstag. Mindestens zwei Online-Petitionen laufen schon dagegen. Eine hat die Mülheimerin Joy-Mariella Donisch gestartet.
Die 19-Jährige ist Abiturientin an der Freien Waldorfschule in Mülheim und musste dort die Grundkurs-Klausur schreiben - unter den bekannten Pandemiebedingungen, mit Mundschutz. Drei von vier Aufgaben habe ihr Lehrer ausgewählt, berichtet die Abiturientin, zwei aus dem Bereich Analysis, eine aus der Stochastik. „Enorm schwer“ fand sie die Arbeit „und im Vergleich zu den vorherigen Jahren ungerecht“.
Mülheimer Waldorfschülerin kritisiert: „Stoff kam nicht dran“
Nicht nur sie, auch die meisten anderen aus ihrem Grundkurs seien völlig überfordert gewesen. Hätten sich gefragt, warum sie überhaupt gelernt haben. „Der Stoff kam in keiner der Vorklausuren oder Beispielaufgaben dran. Auch Einserschüler konnten die Aufgaben nicht lösen.“ Nach Ablauf der Klausurzeit habe es Tumult gegeben und bei einigen sogar Tränen. Die Mülheimerin fühlt sich „durch den Kakao gezogen“ und klingt richtig sauer: „Es wurde versprochen, uns entgegen zu kommen. Wir sollten durch die Pandemie keine Nachteile haben.“
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Joy-Mariella Donisch schritt zur Tat und formulierte auf der Plattform change.org eine Online-Petition an das NRW-Schulministerium und dessen Chefin Yvonne Gebauer. Sie fordert: Die Mathe-Abiturklausur sollte entweder „deutlich besänftigend bewertet“ oder wiederholt werden. Sie sei „unverschämt schwer“. Die Aufgabentypen seien kaum oder gar nicht im Unterricht besprochen worden. Schließlich hatte der Abi-Jahrgang 2021 aufgrund der Corona-Pandemie über ein Jahr lang kein normalen Unterricht, schreibt die Mülheimerin. „Wir sind sehr stark benachteiligt worden.“ Dabei würden die beruflichen Chancen der jungen Leute vom Abitur abhängen.
Tausende haben Petitionen schon unterzeichnet
Die 19-Jährige ist mit ihrem Protest gegen die „unfaire“ Matheklausur nicht alleine. Bis Mittwochnachmittag hatten mehr als 1100 Leute die Petition unterzeichnet. Eine ähnliche Aktion auf einer anderen Online-Plattform hatte bereits über 3400 Stimmen.
Auch beim NRW-Schulministerium sind die Protestäußerungen angekommen. Dort hieß es am Mittwoch auf Anfrage, „dass es verschiedene Eingaben zur schriftlichen Abiturprüfung im Fach Mathematik gibt“. Diese würden bearbeitet.
Schulministerium bestätigt: Es gibt mehrere Eingaben gegen die Mathe-Prüfungen
Noch einmal wird auf die speziellen Umstände hingewiesen, unter denen das diesjährige Abitur stattfindet: „Um in dieser herausfordernden Situation faire Abiturprüfungen ermöglichen zu können, haben auch die Lehrkräfte im Fach Mathematik erweiterte Aufgabenauswahlmöglichkeiten erhalten“, heißt es aus dem Ministerium. Sie konnten Themenbereiche auswählen, die zum tatsächlich erteilten Unterricht an ihrer Schule passen. So sollten die Prüfungen „ohne Abstriche am Niveau“ erfolgen, aber mit Rücksicht auf mögliche Einschränkungen durch Corona.
Mündliche Abi-Prüfungen ab Freitag
Insgesamt waren in Mülheim dieses Jahr 874 Jugendliche zum Abitur zugelassen, davon 32 an Berufskollegs.
Die schriftlichen Prüfungen sind am 5. Mai zu Ende gegangen.
Am Freitag, 7. Mai, beginnen die mündlichen Abi-Prüfungen.
Spätestens am 3. Juli sollen die Abiturzeugnisse ausgegeben werden - in welcher Form auch immer.
An der Qualität der Abituraufgaben zweifelt das Schulministerium nicht: Sie seien „von erfahrenen Lehrkräften entwickelt, von der Fachaufsicht Mathematik der Bezirksregierungen geprüft, von Wissenschaftlern begutachtet“ worden. So sei sichergestellt, dass sie den Vorgaben entsprechen und grundsätzlich angemessen seien.
„Ausdrücklich gewünscht“, dass Lehrer ihren Beurteilungsspielraum nutzen
Neu ist in diesem Jahr, dass die Klausuren verlängert wurden: Im Mathe-Grundkurs wurde jetzt 225 Minuten lang geschrieben, bislang waren es nur 180 Minuten. Vielleicht, so eine Sprecherin des Ministeriums, könnte bei den Abiturienten „das Gefühl entstanden sein, dass die Aufgaben einen höheren Schwierigkeitsgrad aufweisen“. Und dann wird der Ball weitergespielt an die Lehrer: Da die Unterschiede zwischen den Schulen in diesem Jahr besonders groß seien, sollten sie „im Zweifelsfall ihren vorhandenen Beurteilungsspielraum im Sinne der Schülerinnen und Schüler nutzen“. Dies sei in Düsseldorf „ausdrücklich gewünscht“.
In diesem Sinne ist auch das Wohlwollen des Mathelehrers von Joy-Mariella Donisch an der Mülheimer Waldorfschule dringend gefragt. Er hat sich aber trotz mehrfacher Nachfrage zum heiklen Thema Abiklausur nicht öffentlich geäußert.