1998 wurde der deutsche Strommarkt liberalisiert, 2004 folgte der Gasmarkt. Die Folge für Mülheims Verbraucher: Sie können zwischen immer mehr Anbietern wählen, von denen Strom oder Gas zu beziehen ist. Aber Vorsicht, mahnen die Verbraucherschützer.
Die Angebotsvielfalt geht einher mit einem Tarif-Wirrwarr, das für Laien ungeahnte Risiken in sich birgt. Die WAZ sprach mit den Energie-Experten Jürgen Schröder und Peter Blenkers von der Verbraucherzentrale über Vetragsdetails, auf die Verbraucher unbedingt einen prüfenden Blick werfen sollten.
Vorauskasse
„Nicht zahlen!”, sagt Schröder. Wer bis zu einem Jahr im Voraus zahle, gehe ein „unkalkulierbares Risiko” ein. Zwar seien ihm nur aus der Anfangszeit der Liberalisierung Insolvenzfälle bei Energieversorgern bekannt, doch sei in der Wirtschaftskrise nicht auszuschließen, dass ein Unternehmen, dem man mit der Vorauszahlung obendrein ein zinsloses Darlehen gewährt, pleite gehe. „Dann ist das Geld weg”, warnt Schröder. Gegen entsprechende Anbieter wie Teldafax oder Flexstrom lägen ohnehin „reihenweise Beschwerden” vor.
Rabatt/Bonus
„Man sollte immer hinterfragen: Auf was wird der Rabatt eingeräumt?”, so Schröder. Manchmal stehe gar nur im Kleingedruckten, dass er sich nur auf einen kleinen Preisbestandteil bezieht – und der Spareffekt sich als gering entpuppt. Zu prüfen sei auch, ob der Rabatt nur gewährt wird in Verbindung mit einer langen Mindestvertragslaufzeit. Noch eine Variante: Je früher Sie im Voraus zahlen, desto höher der Rabatt. Kurzkommentar Schröders: „Um Gottes Willen!” Auch von Frei- Einheiten (geschenkten Kilowattstunden) solle man „sich nicht irre machen lassen”, so Blenkers. Ihr Gegenwert sei oft gering.
Kaution
Auch hierauf solle sich niemand einlassen, so die Energie-Experten. Es gebe keine sachliche Grundlage für solch eine „Sicherheitsleistung”, mit der ein Vermieter im Mietrecht geschützt wird, weil er eine Wohnung zur Verfügung stellt. Wofür sollte ein Gas- oder Stromkunde Kaution zahlen? Er bekommt nichts außer den Zählern gestellt – und die gehörten schließlich nicht dem Energieversorgern, sondern dem örtlichen Netzbetreiber (Medl, RWE).
Pakete
Bei Paketangeboten, wo ein Kunde etwa 4000 Kilowattstunden Strom zu einem relativ günstigen Preis kauft, mahnt die Verbraucherzentrale zur Vorsicht. Erstens: Wer am Ende weniger verbraucht, zahlt trotzdem den Paketpreis. Zweitens: Die Versorger bitten für jede zu viel verbrauchte Kilowattstunde kräftig zur Kasse. Das kann schon riskant werden, wenn ein zweiter Kühlschrank aufgestellt oder ein weiterer PC im Stand-by läuft. Man muss seinen Verbrauch vorab also schon genau kalkulieren können.
Preisgarantie
Mit Preisgarantien haben die Energiemarkt-Experten auch schlechte Erfahrungen gemacht. Je langfristiger ein Kunde sich an eine Garantie bindet, vor allem wenn er es während einer Hochpreisphase tut, desto länger ist er an den Preis gebunden – auch dann, wenn Konkurrenztarife wieder deutlich günstiger sind. Prominentes Beispiel sind teure Gas-Festpreisverträge, mit denen RWE vor zwei Jahren, zur Zeit des extrem hohen Öl-/Gaspreises, geworben hat. Der Öl-/Gaspreis fiel, die Festpreiskunden zahlten kräftig drauf. „Bei längerer Bindung immer die derzeitige Marktlage und möglichst die Entwicklung prüfen”, rät Schröder.
Vertragslaufzeit
Energieversorger können Kunden bis zu zwei Jahre fest an sich binden, andere ermöglichen eine monatliche Kündigung. Wer sich lange bindet, kommt aus dem Vertrag nicht raus, wenn andere Anbieter zwischenzeitlich deutlich günstiger sind. „Länger als ein Jahr würde ich mich nie binden”, sagt Schröder. Ein Sonderkündigungsrecht besteht bei jeder Preiserhöhung.
Onlinetarif/Service
Wer einen Online-Vertrag abschließt, kann Rechnungen nur im Internet einsehen, auch Zählerstände sind via Netz zu übermitteln. Probleme kann es geben mit einer nicht erreichbaren, teuren Service-Hotline des Anbieters. Gibt es aber ein Problem etwa mit dem Zähler, bleibt weiter der örtliche Netzbetreiber Ansprechpartner.