Mülheim. Mülheim weist die NRW-weit vierthöchste Sieben-Tage-Inzidenz auf. Die Stadt erlässt am Wochenende eine nächtliche Ausgangssperre.
- In Mülheim gilt am Wochenende eine nächtliche Ausgangssperre von 21 bis 5 Uhr
- Polizei und Ordnungsdienst kontrollieren die Einhaltung der Corona-Maßnahmen
- Erlaubt bleiben etwa der Gang zur Arbeit, Gassi gehen mit dem Hund oder Lebensmittel einkaufen
- Die Ausgangssperre könnte noch verlängert werden
- Das Land hat beschlossen: Schulen bleiben Montag geschlossen
Die Lage ist ernst: Die Stadt Mülheim hat mittlerweile eine Sieben-Tage-Inzidenz von 227,4 (Stand Freitag) und auch eine sehr hohe Zahl von Infektionen, 514 Personen sind erfasst. Die Stadt ergreift nun eine einschneidende Sofortmaßnahme:
Von Freitag bis Sonntag gilt eine nächtliche Ausgangssperre von 21 bis 5 Uhr. Ob sie darüber hinaus verlängert wird, hängt von der Entwicklung der Zahlen ab. Die Stadt kündigt darüber hinaus besondere Anti-Corona-Aktivitäten an Schulen und in besonders betroffenen Stadtteilen an.
Über Nacht von Mittwoch auf Donnerstag war der Inzidenzwert von 184 auf 215,1 gestiegen. Keine kreisfreie Stadt und kein Kreis im Ruhrgebiet wies am Donnerstag einen höheren Wert aus. In Nordrhein-Westfalen wurde der Mülheimer Wert nur übertroffen im Märkischen Kreis (222,6), in Hagen (267,1) und in Remscheid (327,8). „Wir rechnen damit, dass die Zahlen noch steigen“, sagte Krisenstabsleiter und Stadtdirektor Frank Steinfort am Donnerstag.
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Mülheims Krisenstab beschließt Ausgangssperre
In einer Pressekonferenz am Donnerstag um 15 Uhr erklärte Krisenstabsleiter Steinfort, aufgrund der „rasant und kontinuierlich“ steigenden Zahlen mit einer Ausgangssperre zu reagieren. Sie soll durch den Kommunalen Ordnungsdienst und die Polizei kontrolliert werden. Streifen sollen laut Steinfort insbesondere in dicht bewohnten Quartieren unterwegs sein. Es drohen Bußgelder zwischen 150 und 25.000 Euro.
Erlaubt bleibt, während der Ausgangssperre etwa zur Arbeit, zum Ehrenamt oder mit Hunden Gassi zu gehen oder Lebensmittel einzukaufen oder Gottesdienste zu besuchen. Notfälle sind selbstredend auch unberührt.
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Mit dem Auto durch die Stadt zu fahren sei ebenso nur mit einem „berechtigten Grund“ erlaubt, erläutert Stadtsprecher Volker Wiebels. „Damit soll verhindert werden, dass Leute zu privaten Treffen fahren, schließlich finden die Infektionen zum großen Teil im privaten Bereich statt“, so Wiebels. Wer auf „Durchreise“ durch Mülheim fahren muss, um etwa in eine andere Stadt oder auf eine Autobahn zu gelangen, habe ebenso einen berechtigten Grund.
Polizei wird auch Verkehrskontrollen durchführen
Die Polizei leistet der Stadt bei den Corona-Kontrollen Amtshilfe und wird auch entsprechende Verkehrskontrollen durchführen, bestätigt Polizeisprecherin Judith Herold. Personell habe die Polizei für den Einsatz am Wochenende aufgestockt. „Wir rechnen mit einem erhöhten Einsatzaufkommen.“
Die Ruhrbahn wird zunächst auch während der Ausgangssperren unterwegs sein, um „ihrem öffentlichen Auftrag nachkommen, die Mobilität in Mülheim aufrecht zu erhalten, damit all diejenigen, die auf Bus und Bahn angewiesen sind, weiterhin gut zu ihren Zielen kommen“, heißt es. Ob und inwieweit der Fahrplan angepasst wird, müsse noch geprüft und bewertet werden.
Die Ausgangssperre gilt zunächst nur bis Sonntag, weil dann die aktuelle Coronaschutzverordnung ihre Bindungskraft verliert. Steinfort rechnet aber damit, dass es auch nach dem Wochenende Möglichkeiten für Ausgangssperren geben wird. Man werde die Ausgangssperre dann womöglich verlängern, zunächst für eine Woche.
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FDP: Massive Einschränkung in der Bewegungsfreiheit ist unverhältnismäßig
Kritik kommt derweil von der FDP: „Diese Maßnahmen bringen uns bei der Pandemiebekämpfung nicht weiter und stellen einen zu großen Eingriff in die persönliche Freiheit dar“, so FDP-Landtagsabgeordneter Christian Mangen. „Nach 21 Uhr mit seinem Hund spazieren gehen zu dürfen, aber nicht mehr mit seiner Ehefrau, ist unverhältnismäßig und schafft nichts anderes als weitere Verunsicherung bei den Bürgerinnen und Bürgern.“
Diese massive Einschränkung der Bewegungsfreiheit der gesamten Bevölkerung stelle keine Lösung für das eigentliche Problem dar. Partys in geschlossenen Wohnungen sorgten regelmäßig für einen Anstieg der Corona-Fälle über das Wochenende, so Mangen.
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Ausgangssperre gilt stadtweit
Als Datenbasis für die stadtweite Ausgangssperre diene eine Auswertung der vergangenen vier Wochen, so Steinfort. Zunächst sei eine Ausgangssperre nur für die Stadtteile rechts der Ruhr in Rede gewesen. Zuletzt seien aber auch links der Ruhr, insbesondere in Broich und Speldorf, die Zahlen stark angestiegen, so dass die gesamtstädtische Variante gewählt worden sei. Innerstädtische Hotspots sind die Bezirke Altstadt I und II sowie Styrum.
Über die Ausgangssperre hinaus legt die Stadt wie schon im Vorjahr erneut ein mehrsprachiges Info-Blatt auf, das zeitnah in den besonders betroffenen Stadtbezirken Altstadt I und II sowie Styrum über Schulen, aber auch direkt per Hauswurfsendung verteilt werden soll.
Es soll den Bürgern dort noch mal eindringlich die Corona-Regeln nahebringen. Man habe offenbar bislang viele Menschen nicht erreichen können, will Steinfort denen angesichts der ständigen Änderungen im Kleinklein der Verordnungen explizit keinen Vorwurf machen.
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Land hat beschlossen: Schulen bleiben am Montag geschlossen
Nach heftigen Protesten aus Eltern- und Lehrerschaft stand am Freitagmittag schließlich fest: Die Schulen bleiben am Montag geschlossen. Das Land entschied dies in einer Allgemeinverfügung für insgesamt 13 Kommunen in NRW, die eine Inzidenz über 200 haben, darunter auch Mülheim. Demnach bleibt es in den betroffenen Städten bei der Aussetzung des Präsenzunterrichts mit Ausnahme der Abschlussklassen sowie einer Notbetreuung.
Steinfort zeigte sich froh darüber, „dass es nun eine landesweit einheitliche Regelung in Sachen Schulschließungen gibt“. Dennoch verteidigt er die vorherige Entscheidung: „Es gab gute Gründe, warum wir eine Schließung der Schulen am Montag nicht vorgesehen hatten. Dazu gehört insbesondere auch die Tatsache, dass nachweislich in den Schulen keine Infektionen stattfinden, sondern vornehmlich im privaten Kreis, in der Familie oder beim Zusammentreffen mit Freunden.“
In Mülheim sei es in keinem der Corona-Fälle an Schulen zu einem Ausbruch innerhalb der Schülerschaft gekommen. Die Entscheidung, anders als Duisburg nicht auf das weitere Aussetzen des Präsenzunterrichts zu drängen, sei „rein datenbasiert“ gewesen.
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Schul-Quarantäne: Stadt „belohnt“ Schüler, die sich freiwillig testen lassen
Mit einer neuen Regelung will die Stadt die Virusbekämpfung auch an Schulen voranbringen. So sollen künftig Schüler, die wegen eines Corona-Falls in ihrer Schule in Quarantäne geschickt werden, „belohnt“ werden, wenn sie sich auf Angebot des Gesundheitsamtes nach fünf bis sieben Tagen einem PCR-Test im Diagnosezentrum unterziehen.
Fällt der Corona-Test negativ aus, sollen sie sofort aus der 14-tägigen Quarantäne entlassen werden und wieder die Schule besuchen können. Die Stadt hofft, dass sich damit die Testquote der in Quarantäne befindlichen Schüler deutlich erhöhen lässt. Laut Steinfort nehmen aktuell nur zwei von fünf Schülern das Angebot wahr, sich freiwillig testen zu lassen.