Mülheim. Das neue Internetportal Scoperty versieht Mülheimer Immobilien mit virtuellen Preisschildern – ungefragt. Fachleute äußern Kritik an der Seite.

  • Ein neues Internetportal bewertet auch in Mülheim ungefragt Immobilien. Jedes Haus wird mit einem Preisschild versehen, ohne Wissen der Eigentümer.
  • Immobilien-Fachleute äußern Kritik an dem neuen Portal „Scoperty“. „Dieses Tool spiegelt nicht den Marktwert wider und ist viel zu ungenau“, Andreas Noje, Geschäftsführer des Eigentümerverbandes „Haus und Grund“ in Mülheim.
  • „Das Portal ist nicht uninteressant und könnte sich noch entwickeln, je nachdem wie es genutzt wird“, sagt Angela Lülf von der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses für Grundstückswerte der Stadt Mülheim. Auch sie hält die Preisspannen für die Immobilen für zu weit gefasst.

Das Internetportal „Scoperty“ nennt sich selbst „Vormarkt für Immobilien“ und bewertet Millionen Wohnhäuser deutscher Städte – auch in Mülheim. Jedes Haus wird mit einem virtuellen Preisschild versehen, ohne Einverständnis der Eigentümer und für jeden einsehbar. Experten sehen die Seite kritisch.

In Mülheim und Umgebung sind die Immobilienpreise in den vergangenen Jahren weiter angestiegen. Doch auch wer nicht aktuell verkaufen will, fragt sich sicher ab und zu, was seine vor Jahren gekaufte Immobilie heute wert ist. Auch spannend: Wie viel würde mein Nachbar für sein Haus bekommen? Eine erste Schätzung des Marktwertes will die neue Internetseite scoperty.de geben. Das Portal hat den Wert tausender Häuser und Wohnungen in Mülheim geschätzt und stellt diese auf einer „Google Maps“ basierten Karte dar.

Geschätzte Immobilienwerte in Mülheim weichen von echten Werten ab

Wir machen den Selbsttest und geben die Adresse eines Eigenheims im Osten der Stadt ein. Auf einer Karte erscheint die entsprechende Straße und auf jedem der Häuser ein Etikett mit geschätztem Preis. Errechnet wird dieser anhand mehrerer Parameter, etwa Adresse, geschätzte Wohnfläche, Baujahr, Objekttyp und Anzahl der Haushalte.

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Doch: Weder das Baujahr, noch die Wohnungszahl oder die Wohnfläche stimmen in unserem Fall mit den echten Daten überein. Auch die Preisspanne erscheint weit gegriffen: Immerhin liegen der niedrigste und der höchste Preis über 200.000 Euro auseinander. Wer den Schätzwert verbessern möchte, muss sich registrieren. Gegen eine Gebühr unterstützen Scoperty-Mitarbeiter den Eigentümer bei der Vermarktung des Objektes oder vermitteln Käufern auf Wunsch eine Finanzierung.

Haus und Grund in Mülheim: „Preisschätzungen der Immobilien sind viel zu ungenau“

„Eine solch weite Preisspanne könnte man auch selbst schätzen“, sagt Andreas Noje, Geschäftsführer des Eigentümerverbandes „Haus und Grund“ in Mülheim. Er findet: „Dieses Tool spiegelt nicht den Marktwert wider und ist viel zu ungenau.“ Wichtige Punkte seien nicht in die Preisermittlung eingeflossen, „etwa der Zustand der Immobilie, ein möglicher Instandhaltungsstau, Wohnrechte – all das ist aber wertbestimmend“, weiß Noje.

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Das Unternehmen mit Sitz in München sieht sein Angebot vor allem als Dienstleistung für Immobilienbesitzer. „Eigentümer können erstmals ohne Zutun den aktuellen Marktwert ihres Wohneigentums erfahren und ein reales Marktinteresse testen – ohne in einen verbindlicheren Kaufprozess einsteigen zu müssen und ohne Geld zu investieren“, erklärte Michael Kasch, Gründer und Geschäftsführer der Scoperty GmbH, zum Start der Plattform im November 2020. Aber auch Kaufinteressenten können auf dort unverbindliche Angebote abgeben.

Mülheim: Eigentümer der Immobilien können auf der Internetseite Widerspruch einlegen

Grundstückswerte auf „Boris“-Portal abrufbar

In 2020 hat der Gutachterausschuss für Grundstückswerte der Stadt erstmals „Immobilienrichtwerte“ für Eigentumswohnungen in Mülheim herausgegeben. Ende März 2021 soll das Angebot erweitert und Richtwerte für Ein- und Zweifamilienhäuser in Mülheim veröffentlicht werden. Info: www.gars.nrw/muelheim-ruhr

Hinweise darauf, wie viel ein Grundstück wert ist, erhalten Interessierte auch auf der Plattform „Boris.nrw.de“, dem zentralen Informationssystem der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte in NRW. Es enthält u.a. alle Boden- sowie Immobilienrichtwerte, eine allgemeine Preisauskunft zu Häusern und Eigentumswohnungen sowie Infos über das Preisniveau auf dem Immobilienmarkt. Dort sind auch alle Berichte und Werte für Mülheim abrufbar.

Der Fachmann sieht in den Schätzwerten eine Gefahr: „Wenn auf dieser falschen Datengrundlage Kaufverträge abgeschlossen werden, könnte es zu Problemen für den Verkäufer kommen. „Wenn etwa das Baujahr nur um ein Jahr abweicht, können Regressansprüche geltend gemacht werden.“ Problematisch sei es auch, wenn sich Verkäufer am Höchstpreis orientieren und ihre Immobilie zu diesem am Markt anbieten – das führe zu unrealistischen Erwartungen und ausbleibenden Angeboten.

Noje rät Eigentümern daher, sich bei Verkaufswunsch persönlich an einen örtlichen Makler zu wenden, „ein solcher kennt die Stadt und kann vor Ort die Immobilie genauer bewerten“. Wer nicht möchte, dass sein Haus oder seine Eigentumswohnung mit Schätzpreis angezeigt werden, kann zudem Widerspruch einlegen. Auf der Scoperty-Seite ist das mit einem Klick auf die entsprechende Immobilie möglich.

Immobilien in Mülheim: Gutachterausschuss wertet Kaufverträge und weitere Daten aus

Angela Lülf von dere Geschäftsstelle des Gutachterausschusses für Grundstückswerte der Stadt hat sich ebenfalls durchgeklickt. Ihr Fazit: „Das Portal ist nicht uninteressant und könnte sich noch entwickeln, je nachdem wie es genutzt wird.“ Aber auch die Fachfrau hält die Preisspannen für zu weit gefasst und weiß, dass es für die Wertschätzung einer Immobilie eine detaillierte Datengrundlage braucht. „Wir bekommen beim Gutachterausschuss alle Kaufverträge der Notare zugesandt und werten diese aus.“ Zudem fließen Kriterien wie Ausstattung und Modernisierung der Objekte sowie die Bodenrichtwerte der Grundstücke mit ein.

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Darüber hinaus werden alle Eigentümer mit einem Fragebogen angeschrieben, in dem sie Angaben etwa zu Wohnflächen, Baujahr, Bauzustand des Gebäudes, Garagen oder Größe der Balkone machen. Diese und weitere Details werden in eine Datenbank eingepflegt. Anhand eines statistischen Verfahrens und sachverständiger Einschätzung der berechneten Werte wird schließlich der durchschnittliche Preis pro Quadratmeter Wohnfläche ermittelt.

„Selbst diese Immobilienrichtwerte entsprechen nicht den Verkehrswerten und können davon bis zu 30 Prozent abweichen“, erklärt Angela Lülf. Sie sollen lediglich eine Hilfe darstellen, um ein Gefühl für den Wert der Immobilie zu bekommen. Wer vor dem Verkauf Sicherheit haben möchte, kann ein Verkehrswertgutachten in Auftrag geben. „Ein solches ermittelt der Gutachterausschuss der Stadt, aber auch freie Sachverständige oder Makler.“

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