Mülheim. Trotz Bemühungen der Arbeitsagentur und vieler Partner haben 86 Jugendliche in Mülheim keine Ausbildung gefunden. Das liegt nicht nur an Corona.

Wie wird sich Corona auf den zukünftigen Fachkräftemarkt auswirken? 2020 hat eine kräftige Delle bei der Ausbildung hinterlassen. Den großen Bemühungen von Arbeitsagentur, IHK, Kreishandwerkerschaft und Jobcenter zum Trotz, haben 86 junge Mülheimer Stellensuchende zum Jahresende keinen Azubi-Platz gefunden, „das große Minus vom November 2020 konnte nicht aufgeholt werden“, muss Christiane Artz, Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit in Mülheim, einräumen.

Dass die Anstrengungen groß waren, zeigt die gestiegene Zahl an 65 neuen Ausbildungsstellen, die der Arbeitgeber-Service zusammentragen konnte – im Vorjahr 2019 waren es im selben Zeitraum nur 20. Doch während Artz viel Lob für die Unternehmen findet, in solchen Zeiten dennoch Ausbildung möglich zu machen, gibt es auch Kritik.

DGB kritisiert: Mülheim ist keine Vorzeigestadt für Ausbildung mehr

Corona trage an der geringen Ausbildungsquote allein keine Schuld. So ist laut DGB-Regionalgeschäftsführer Dieter Hillebrand die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen und Betriebe nunmehr auch in Mülheim viel zu gering. „Früher ist Mülheim eine Vorzeigestadt gewesen, die über den Landestrend ausgebildet hat“, stellt Hillebrand ernüchtert fest: „Das ist vorbei.“

Auch seien Betriebe gerade dabei, „eine ganze Generation“ an Nachwuchs zu verlieren, weil die Ausbildungsabbrüche inzwischen fast 35 Prozent betrügen, glaubt der Gewerkschafter.

Unternehmer fordern eine Perspektive, wie man mit dem Virus leben kann

Unternehmervertreter sehen das erwartungsgemäß anders: „Dafür, dass relativ viele Unternehmen um ihr Überleben kämpfen müssen, ist Gott sei Dank der Rückgang an Ausbildungsplätzen noch relativ gering“, hält Elisabeth Schulte vom Unternehmerverband Ruhr-Niederrhein dagegen. Der Lockdown, Liquiditätsengpässe, Ausfälle in den Lieferketten, der Aufwand zur Abwehr des Virus, Homeoffice, Ausfall von Mitarbeitern und Bürokratie hätten viele Unternehmen der Industrie und anderer Bereiche stark betroffen. „Wir brauchen eine langfristige Perspektive, wie wir mit dem Virus leben können“, fordert sie.

Rückgänge bei der Ausbildung gab es etwa bei der Metalltechnik, im Handel – wo weniger „geshoppt“ wurde –, bei Gaststätten, Reiseveranstaltern, Friseuren. Letztere haben zwar die bestehenden Ausbildungsverhältnisse weiterführen können, aber einen „Rieseneinbruch“ habe es bei neuen gegeben, teilt Barbara Yeboah als Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Mülheim mit. Gewinner waren übrigens die IT-Bereiche und Banken.

Kreishandwerkerschaft: "Ausbildung muss 2021 ganz oben stehen"

Dennoch bricht auch Franz Roggemann als Geschäftsführer der Aus- und Weiterbildung der IHK Essen eine Lanze für betriebliche Anstrengungen: „Wer erwartet hat, dass wir dieses Defizit in der Ausbildung von September noch retten können, war naiv.“ Dass man bis jetzt weitere zehn Prozent Ausbildungsplätze in Mülheim geschaffen habe, sei „ein Erfolg“. Auch wenn es weniger seien als noch 2019.

Yeboah will für das Handwerk nach vorn schauen: „Es ist zwar etwas passiert – wir haben 2020 etwa 210 neue Lehrverhältnisse geschaffen –, aber damit können wir nicht zufrieden sein. Wenn sich die Wirtschaftslage stabilisiert, muss die Ausbildung ganz oben stehen.“

INFO

Jugendliche, die Kontakt zur Berufsberatung oder eine Berufsausbildungsstelle suchen, können sich unter der kostenfreien Telefonnummer 8506 112 an die Agentur für Arbeit wenden. Mehr Infos: arbeitsagentur.de/vor-ort/oberhausen/content/1533717484238.

Unternehmen, die Unterstützung bei der Suche nach Auszubildenden wünschen, wählen den Arbeitgeber-Service der Arbeitsagentur Mülheim: 0800 455 55 20.

Auch die Stadt Mülheim hat unter dem Hashtag #Mülheimbildetaus Beiträge rund um Ausbildung und Berufsorientierung aus verschiedenen Netzwerken (Instagram, Facebook, YouTube oder Twitter) zu einer "Social Media Wall" gebündelt. Zahlreiche Ausbildungsangebote sind ebenfalls auf der digitalen Pinnwand zu finden, die ein regionaler Baustein der landesweiten Kampagne „Ausbildung Jetzt!“ des Ausbildungskonsens' Nordrhein-Westfalen ist. Ausbildungsbetriebe können ihre Beiträge in ihren sozialen Netzwerken ebenfalls mit #Mülheimbildetaus verknüpfen.