Mülheim. Weil der Mülheimer Kämmerer Kita-Zuschüsse kürzen will, denkt der Verein VKJ darüber nach, sein Engagement in der Stadt deutlich zurückzufahren.
Die hoch verschuldete Stadt Mülheim sucht dringend nach Einspar-Möglichkeiten. Aktuell denkt Kämmerer Frank Mendack auch darüber nach, die freiwilligen Zuschüsse für den Kita-Betrieb freier und konfessioneller Träger zu kürzen. Das beträfe unter anderem den Verein für Kinder- und Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten Ruhrgebiet, kurz VKJ, der vor Ort vier Einrichtungen betreibt. Das Unverständnis dort ist groß: Ohne Zuschüsse, soviel sei klar, könne man zwei Kita-Neubauten definitiv nicht realisieren – und müsse sich womöglich auch von aktuellen Einrichtungen verabschieden.
Mendack plant, den sogenannten Trägeranteil, den die Stadt nach einem Beschluss aus 2014 bereit stellt, sukzessive bis zum Kita-Jahr 2023/24 von 50 auf 25 Prozent zu reduzieren. Bislang muss die Stadt jährlich rund zwei Millionen Euro aufbringen. Schon 2021 will der Kämmerer 136.000 Euro einsparen; am Ende sollen es gut 900.000 Euro sein. Er hält diesen Schritt für möglich, weil das überarbeitete Kinderbildungsgesetz (KiBiz) mehr Geld ins System spüle, die Stadt also weniger aufbringen müsse. Außerdem zahlten einige andere Städte „gar nichts“.
Offener Brief an die Fraktionen im Stadtrat
Der VKJ protestiert vehement gegen die Pläne und schreibt in einem offenen Brief an die Fraktionen im Stadtrat - dort steht das Thema in Kürze zur Entscheidung an -, dass die finanzielle Unterstützung der Stadt 2014 „Grundvoraussetzung“ war für den Entschluss, sich in Mülheim zu engagieren. „Die Stadt Essen“, so der dort ansässige Verein, gehe mit dem Thema anders um. „Sie ist in einer ähnlichen finanziellen Lage, setzt den Rotstift aber nicht bei den Kindern an.“ Im Gegenteil: „Die in absoluten Zahlen höheren Eigenanteile, die Träger durch die KiBiz-Revision aufbringen müssen, fängt die Stadt Essen ab, in dem sie seit August den Eigenanteil der Träger sogar herabgesetzt hat und jetzt rund 90 Prozent davon übernimmt.“
Seit 2014 engagiert sich der VKJ in Mülheim, hatte als erstes die Kita an der Wilhelmstraße übernommen und umgewandelt zum Kinderhaus Kleine Kröten. Auch die Pusteblume in Speldorf, das Entdeckerland in Broich und die Kleinen Stifte im Dichterviertel zählen mittlerweile zum Bestand. Mehr als 300 Jungen und Mädchen besuchen VJK-Kitas. Und eigentlich sollen ab 2023/24 weitere 200 Kinder hinzukommen, so VKJ-Pressesprecherin Mareike Schulz. „An der Teutonenstraße und an der Papenbuschstraße wollen wir dann zwei Einrichtungen mit insgesamt elf Gruppen in Betrieb nehmen.“
Schon jetzt „an der Grenze des finanziell Leistbaren“
Ob es überhaupt zu Bauarbeiten kommt, steht nun in den Sternen. „Als Träger sehen wir uns nicht in der Lage, höhere Eigenanteile zu stemmen, ohne den Fortbestand des Vereins zu gefährden“, macht der VKJ in seinem offenen Brief sehr deutlich. Man sei schon jetzt „an der Grenze des finanziell Leistbaren“, müsse sich also von Neubauten verabschieden, wenn die Pläne umgesetzt werden würden. Eine ungute Entscheidung, denn man habe sich einst für das Engagement in Mülheim entschieden, „um noch mehr Kindern eine Zukunft mit Chancengleichheit zu ermöglichen“. Darum nämlich geht es dem Verein, betont auch Pressesprecherin Schulz. „Wir setzen stark auf Förderung, haben hohe Qualitätsstandards.“
Es gehe nicht nur um gesundes Aufwachsen, heißt es im offenen Brief, sondern auch um Elternbildungsangebote und um gutes, selbstgekochtes Mittagessen. Ein bis zwei Köche sind pro Kita im Einsatz – „viele Kinder kommen montags und zum Ende des Monats hungrig zu uns, so dass an nicht wenigen Tagen viel mehr als üblich gekocht werden muss“. Für diese Mädchen und Jungen sei die Mahlzeit oft die einzig warme am Tag. „Viele der von uns betreuten Kinder brauchen auch große Unterstützung im sprachlichen und motorpädischen Bereich.“ Um frühkindliche Entwicklungsdefizite aufzufangen, setze man auf vielfältige Projekte. „Und der Erfolg gibt uns recht: Über 90 Prozent der von uns betreuten Kinder können dank früher Förderung eine Regelschule besuchen und gehen zum Ende der Kita-Zeit in eine Zukunft mit Chancengleichheit.“
Kosten werden durch Sponsoren, Sommerfeste und Basare aufgebracht
Mendacks angedachte Kürzungen wären gleichbedeutend mit einem deutlichen Qualitätsverlust oder aber massiven wirtschaftlichen Problemen, argumentiert der gemeinnützige Verein. Die „Spielregeln“ seien 2014 doch klar gewesen: „50 Prozent der Trägeranteile gilt es selbst zu erwirtschaften.“ Das sei schon jetzt eine manchmal mühselige Sache: „Wir bringen die Kosten durch Sommerfeste, Adventsbasare und nicht zuletzt durch das Werben von Sponsoren auf.“ Dem Kita-Team vor Ort nun noch mehr Druck aufzuerlegen, ihre Einrichtung wirtschaftlich am Leben zu erhalten, sei verheerend. Man appelliere daher an Stadtverordnete und Oberbürgermeister, „diesen folgenschweren Schritt zu überdenken“ und warne ausdrücklich davor, die geplanten Einsparungen auf die Eltern abzuwälzen. „Unsere Klientel, überwiegend Empfänger des Bildungs- und Teilhabepakets, wäre auch nicht in der Lage für die frische Küche höhere Beiträge zu bezahlen, um diesen Qualitätsstandard aufrechtzuerhalten.“
INFO
Auch der Stadtelternrat hält die Idee Mendacks für grundfalsch. Die Vorsitzende, Daniela Heimann, sieht das Finanzierungssystem der Mülheimer Kitas in Gefahr. Schon jetzt hätten Träger einiger Einrichtungen Finanzierungsprobleme. Insbesondere sei dies von konfessionellen Betreibern bekannt.
Heimann befürchtet, dass eine Kürzung die Trägervielfalt bedroht und Pläne freier und konfessioneller Träger für eine Erweiterung oder einen Neubau durchkreuzt. Sie erinnert an die Wahlkampf-Aussagen von Politikern aller Couleur, den Bedarf an mehr Kita-Plätzen decken zu wollen.