Mülheim. Bis Montag galt Mülheim als einzige Stadt in NRW, die es Schuhhändlern erlaubte, Eltern persönlich zu beraten. Die Stadt sieht hohen Bedarf.

Bis zum vergangenen Montag war Mülheim die wohl einzige Stadt in NRW, die Schuhgeschäften im Lockdown den Verkauf von Kinderschuhen erlaubte. Nun dürfen die Händler auch hier keine Eltern mehr bei der Auswahl von Lauflernschuhen persönlich beraten - obwohl es dafür medizinische Gründe gibt.

Noch im Dezember hatte die Stadt Mülheim es Schuhfachgeschäften gestattet, nach Terminvergabe zu beraten und zu verkaufen. "Wir haben diese Regelung aus medizinischen Gründen erlaubt", berichtet Stadtsprecher Volker Wiebels. Nachdem eine Presseagentur überregional über diese Ausnahmeregelung berichtete, habe das NRW-Gesundheitsministerium "uns angewiesen, diese Entscheidung rückgängig zu machen", so Wiebels. "Obwohl wir den hohen Bedarf der Eltern sehen."

Das Ministerium sei jedoch der Auffassung, dass eine Öffnung von Schuhgeschäften nicht mit der Coronaschutzverordnung vereinbar sei. Auch dann nicht, wenn es sich um den Verkauf von Lauflernschuhen handelt, die extra an den kleinen Kinderfuß angepasst werden müssen. Zulässig sei nur der Versandhandel und die Auslieferung bestellter Waren sowie die kontaktlose Abholung durch den Kunden. Ein direkter Verkauf mit Beratung ist derzeit also nur in Babyfachmärkten möglich.

Bei Oberhösel konnten sich Eltern und Kinder nach Termin beraten lassen

"Für uns ist diese Entscheidung absolut nicht nachvollziehbar", sagt Christina Manthei, Prokuristin bei Oberhösel in Saarn. Das Schuhfachgeschäft an der Straßburger Allee hatte bis zu diesem Montag zahlreiche Eltern mit ihren Kindern beraten: Nach vorheriger Terminvergabe in einem separaten Raum unter den Hygiene-Schutzvorgaben konnte vermessen und anprobiert werden. Das Angebot sei als Dienstleistung und nicht als Verkauf eingestuft worden.

Die Termine waren bis Mitte Februar ausgebucht, die Nachfrage von Kunden, teilweise aus ganz NRW, sehr hoch. "Jeden Tag haben wir Anfragen", so Manthei, die von einem Vater berichtet, der aus Unsicherheit Kinderschuhe in unterschiedlichen Größen im Wert von über 1000 Euro im Online-Warenkorb hatte. "Er ist dann am Ende doch lieber zu uns gefahren, um sich diese Bestellung zu ersparen."

Schuhhändler in Bayern oder Baden-Württemberg dürfen öffnen

Nun können Manthei und ihre Kolleginnen die Kunden nur noch telefonisch oder per WhatsApp beraten - eine sehr zeitaufwendige Aufgabe. "Die Kunden fotografieren die Füße ab und halten ein Zentimetermaß daneben", erklärt sie. "Wir haben eine hohe Trefferquote", doch das ersetze nicht das Messen und Anprobieren vor Ort.

"Unverständlich", findet Manthei die Entscheidung des Ministeriums, zumal Schuhhändler in Bundesländern wie Baden-Württemberg oder Bayern öffnen dürften. Sie meint: "Da vergeht sich die Politik an Kinderfüßen."

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