Mülheim. Heinz-Werner Czeczatka-Simon ist erneut zum Bezirksbürgermeister gewählt worden. Warum der kantige Politiker kritisch auf “seine“ SPD blickt.

Heinz-Werner Czeczatka-Simon ist erneut zum Bezirksbürgermeister für Styrum und Dümpten gewählt worden. Dabei hat "seine" SPD gerade hier deutlich an Stimmen eingebüßt. Warum der kantige Politiker auch kritisch auf seine Partei blickt.

Herr Czeczatka-Simon, Sie sind zum zweiten Mal als SPD-Bezirksbürgermeister in Styrum gewählt geworden. Überrascht Sie das?

Ich kann hier nicht Ja oder Nein sagen. 2014 bin ich mit dem Grundsatz angetreten, zwischen den Damen und Herren Bezirksvertretern möglichst einen breiten Konsens zu den verschiedenen Themen herbeizuführen, denn letztendlich werde ich aus der Mitte der Bezirksvertretung gewählt.

Es hat mich zwar die SPD zu ihrem Spitzenkandidaten auf der Liste der Kandidaten für den Stadtbezirk gesetzt, aber für unsere Probleme im Stadtbezirk gibt es nicht die eine parteiorientierte Lösung. Eine gute Lösung ist die mit breiter Mehrheit. Da sind viele Gespräche, Überzeugungsarbeit und Abwägungen erforderlich, um letztendlich zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Wir arbeiten alle gemeinsam daran. Mir sind die Kontakte und der Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern, sowie den Institutionen und Vereinen im Stadtbezirk sehr wichtig. Nur dann weiß ich, wo der Schuh drückt und kann darauf reagieren.

Zuhören, ernst nehmen und sich einsetzen: Nicht immer sind die gewünschten Lösungen richtig. Ich kann keine Ergebnisse versprechen, aber ich kann versprechen, dass ich mich kümmere. Das klappt nicht immer sofort, manchmal dauert es eben etwas länger. Das war mein Weg und genauso soll es auch weitergehen. Mit diesen Grundsätzen bin ich auch 2020 wieder angetreten. Nach der Kommunalwahl war ich zunächst verhalten optimistisch, da die konstituierende Sitzung erst zwei Monate später erfolgte.

Aber der Zuspruch und die Ermunterung von vielen Weggefährten, auch politischen, haben die Stimmung gehoben. Aufregend war es dennoch, bis die Wiederwahl feststand.

2014 holte die SPD satte 38,38 Prozent im Stadtbezirk Rechtsruhr Nord, also mit weiten Abstand zur nächsten Partei CDU mit damals 23,6 Prozent. Jetzt haben die Genossen fast durchgängig 12 Prozentpunkte - fast ein Drittel der Stimmen - in Styrum und Dümpten verloren. Zudem sinkt die Wahlbeteiligung weiter. Machen ihnen die Trends Sorge?

Am allermeisten macht mir der Trend Sorge, dass die Wahlbeteiligung bei den verschiedenen Wahlen immer weiter zu sinken scheint. Ich kann nicht verstehen, warum Wahlberechtigte hier in Deutschland auf ihr Wahlrecht verzichten und ihre Stimme weggeben, d.h. verfallen lassen. Jede Stimme zählt. Und gerade direkt vor Ort, in meinem Wohnbezirk kenne ich mich doch aus und kann mich immer wieder einbringen.

Die letzte Kommunalwahlperiode hatte keine glückliche Entwicklung, nicht für den Ruf der Stadt, nicht für die Parteien allgemein, auch nicht für einzelne Akteure. Sachgerechte und kompromissfindende, gemeinsame Lösungen standen nicht immer im Vordergrund.

"Aber als Politiker stehst du da ganz einfach schlecht da, wenn Unzufriedenheit ein Ventil sucht."

Sie werden in der Bezirksvertretung geschätzt, sie sind bekennender Wahl-Styrumer: Warum kam ihre Partei, die SPD, so deutlich schlechter im Stadtbezirk an?

Ich bin ein Teil dieser Partei vor Ort und muss mich fragen, ob ich etwas versäumt habe. Vielleicht hatten wir die falschen Schwerpunkte? Packen wir die Problemthemen richtig an, und wie effektiv sind unsere Lösungsansätze? Ist unsere Öffentlichkeitsarbeit ausreichend?

Erreichen wir die Menschen? Aber die Gegenfrage ist: Wollen die Menschen erreicht werden? Oder ist es vielleicht auch so, dass immer die SPD schuld ist? Ganz im Ernst: Am Wahlkampfstand ist mir ein solches Argument öfters zugerufen worden. Einige wichtige Probleme der Menschen im Stadtbezirk kann ich als Bezirksvertreter, aber auch der SPD Ortsverein nicht lösen. Es sind Themen des Bundes oder des Landes, aber auch Ratsangelegenheiten.

Oder aber Probleme wie die wilde Müllablagerungen, verschmutzte Recyclingstandorte, Vandalismus, ein ungepflegtes und schäbiges aussehendes Stadtbild durch vernachlässigte Immobilien. Diese Probleme kann ich nicht lösen. Politik verursacht dies ja nicht. An ihr wird der Unmut aber abreagiert. Es kommt eigentlich immer vieles zusammen in einer solchen Situation. Aber als Politiker, als altgediente Partei vor Ort stehst du da ganz einfach schlecht da, wenn Unzufriedenheit ein Ventil sucht.

Styrum hat für junge Menschen einen Sprung nach vorn gemacht

Manches hat sich in Styrum zum Positiven gewendet, zum Beispiel der Sportpark, die Umgestaltung am Sültenfuß. Was ist in der vergangenen Legislaturperiode noch gut gelaufen?

Das war keine Arbeit der vergangenen Kommunalwahlperiode, sondern der vergangenen letzten Kommunalwahlperioden. Allein durch die Finanzlage der Stadt, aber auch durch rechtliche Vorgaben ziehen sich manche Dinge leider hin. Nehmen wir als positives Beispiel unsere Schullandschaft: Die Willy-Brandt-Schule wurde umfangreich saniert und erweitert; die Sanierungen und Erweiterungen der Brüder-Grimm-Schule und der Grundschule Augustastraße wurden auf den Weg gebracht.

Mit der Eröffnung der Kindertagesstätte in der Burgstraße haben wir pädagogisch und baulich eine der modernsten Kindertagesstätten in unserem Land in unserem Styrum. Und trotz der knappen Finanzmittel geht – wenn auch nur langsam – die Instandsetzung und Instandhaltung unserer Straßen voran, wie Friesen-, Kaiser-Wilhelm-Straße, Rosenkamp und Moritzstraße zeigen.

Was hakt noch und wo wollen Sie für die nächsten fünf Jahre Ihre Schwerpunkte setzen?

Die augenblickliche Situation erschwert natürlich die Präsenz sowohl für mich als Bezirksbürgermeister, als auch als SPD Politiker. Ich möchte gerne weiterhin über viele Kontakte und Gespräche mit den Bürgerinnen und Bürgern sowie Institutionen und Vereinen in Styrum und im Stadtbezirk im Gespräch bleiben. Probleme erörtern, gemeinsam Lösungsansätze suchen und finden. Zuhören, mitnehmen und gemeinsam agieren. Eine breite Beteiligung ist da vonnöten.

Fachlicher Schwerpunkt soll weiterhin das integrative Handlungskonzept Styrum und die Stadtteilentwicklung sein, aber auch die Wohnungssituation in einigen Straßenzügen. Dazu wünsche ich mir eine rege Beteiligung der Styrumer; diese allerdings nicht nur für ein Problem oder nur kurz, sondern mit nachhaltiger Beteiligung in den verschiedenen Parteien.

Als Naturfreund und Tierliebhaber will ich mich im Bereich Natur-, Tier- und Klimaschutz weiter vertiefen.

Klares Bekenntnis zur Styrumer Stadtviertelkonferenz 

Max Schürmann hat gut 25 Jahre lang als Geschäftsführer der Feldmann Stiftung im Stadtteil gewirkt. Er wird 2022 in Altersrente gehen. Zum Fortbestand der von ihm initiierten Stadtviertelkonferenz gibt es vom Kulturbetrieb bislang nur vorsichtige Aussagen, „die Stadt würde Teil der Konferenz bleiben“ und die „Fortführung gewährleisten“ – wenn es kein anderer macht. Ist dies das Bekenntnis, das Sie sich wünschen?

Definitiv nein, dieses der Bezirksvertretung mitgeteilte Bekenntnis ist keines, das ich mir wünsche und auch so nicht hinnehmen werde. Zunächst einmal meinen herzlichen Dank an Max Schürmann und sein Team für die viele Arbeit, den Ideenreichtum und sein unermüdliches Engagement für den Stadtteil.

Im Augenblick kann ich mir die Feldmannstiftung und Styrum noch nicht ohne einen Max Schürmann vorstellen und hoffe, dass seine Verbindungen und Aktivitäten weiterhin mit Styrum verbunden bleiben. Als Bezirksbürgermeister bin ich auch Vorsitzender des Stiftungsbeirates. Bereits bevor das Thema in der lokalen Presse auftauchte, hat der Stiftungsbeirat die Verwaltung aufgefordert, rechtzeitig den verwaltungsinternen Prozess anzugehen, damit eine „nahtlose“ Wiederbesetzung des Geschäftsführers der Feldmannstiftung möglich ist.

Auch mit unserem Oberbürgermeister hatte ich diese Problematik erörtert und - ebenso wie in der Sitzung der Bezirksvertretung darauf hingewiesen, dass die Feldmannstiftung und ihr Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterin ein wichtiges Kernstück der sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Stadtteilarbeit sind.

Der Stadtteil ist sehr gut vernetzt, das heißt Schulen, Seniorennetzwerk, Religionsgemeinschaften, Sport- und sonstige Vereine, Kindertagesstätten, die Interessengemeinschaft der Geschäftsleute, Fachverwaltungen und wichtig – die Bürgerinnen und Bürger - alle treffen sich zum Austausch in der Stadtviertelkonferenz.

Die Feldmannstiftung hat mit ihrem Angebot einfach den Zulauf von sehr vielen Menschen aus dem Stadtteil. Hier laufen viele Fäden zusammen. Sie ist mit diesem Angebot bestens geeignet, die Koordinierung und Organisation der Stadtviertelkonferenz sicherzustellen. Dies muss weiterhin eine Aufgabe des neuen Geschäftsführers bzw. Geschäftsführerin sein. Wenn wir hier sparen wollen, sparen wir an der verkehrten Stelle!

Welche Schlagzeile würden Sie bis zum Ende ihrer Amtszeit am liebsten über sich lesen?

Dass wir in Styrum, in der Bezirksvertretung 2, einige der genannten Ziele und Vorstellungen in Kooperation miteinander erreicht haben und ich einiges dazu beitragen konnte. Wenn meine Mitstreiter dann mit unserer Leistung und mit mir zufrieden sind, dann ist es gut.