Mülheim. Nach dem Tanklaster-Brand auf der A 40 in Mülheim dauern Ermittlungen zum Unfallhergang an. Ein Bürger sieht die Schuld nicht nur beim Fahrer.

Eine Leitplanke aus Beton war eventuell Ursache für den katastrophalen Brand eines Tanklasters unter den Eisenbahnbrücken auf der A 40 in Mülheim-Styrum. Hätte diese feste, niedrige Wand nicht direkt neben der rechten Fahrspur Richtung Essen gestanden, hätte der schwere Unfall am frühen Nachmittag des 17. Septembers vielleicht vermieden werden können, sagt nun ein Bauingenieur.

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Bei dem Unfall wurde die mittlerere der fünf Eisenbahnbrücken total zerstört. Der Bahnverkehr Richtung Duisburg bleibt für Monate unterbrochen. Diesen Aspekt bringt Volker Müller an. Man müsse „die Ursache des Tankkraftwagen-Unfalls aus der Perspektive der Verantwortlichen für den Fahrbetrieb auf Autobahnen betrachten“, sagt der Mülheimer Ingenieur, wenn auch betonend, kein Verkehrsbauingenieur zu sein.

„Bislang wurde die Ursache dieser Katastrophe in der Öffentlichkeit ausschließlich auf das Fehlverhalten des alkoholisierten Kraftfahrers fokussiert, als sei das Geschehene unvorhersehbar wie ein Naturereignis gewesen“, meint Müller. Mit mehreren Fotos, die er am 18. September nahe des Unfallortes gemacht hat, dokumentiert er seine Ansicht des Unfallgeschehens.

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Von Kristina Mader und Frank-Rainer Hesselmann

„Fahrbahnabgrenzung hatte keinen Auffahrschutz“

Der schlimme Unfall, so Volker Müller, habe seinen Anfang mit der Kollision des Tanklasters an der Betonleitplanke genommen, die als Baustellenabgrenzung dort aufgebaut war. „Verantwortlich für den Schutz von Baustellen oder die Überwachung von Baustellensicherungen auf Autobahnen in NRW ist der Landesbetrieb „Straßen.NRW“.

Die Fahrbahnbegrenzung hatte keinen Anfahrschutz, sagt Leser Volker Müller. Der zerbrochene Beton und das verbogene Metall zeigen die Wucht des Aufpralls, den der Tanklaster verursachte.
Die Fahrbahnbegrenzung hatte keinen Anfahrschutz, sagt Leser Volker Müller. Der zerbrochene Beton und das verbogene Metall zeigen die Wucht des Aufpralls, den der Tanklaster verursachte. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Der Leser fügt hinzu: „Die katastrophalen Folgen dieses Verkehrsunfalls wären durch eine sachgerechte Baustellensicherung vermieden worden. Unmittelbar neben der rechten Fahrbahn stand eine fest und unverformbar mit der Fahrbahndecke verbundene Fahrbahnabgrenzung. Diese aus Metallprofilen und Beton errichtete Fahrbahnabgrenzung besaß keinen Anfahrschutz.“

„Es fehlte eine Geschwindigkeitsbegrenzung“

Volker Müller nennt weitere fachliche Details, die den Unfall seiner Meinung nach mit verursacht haben könnten. „Des Weiteren fehlte eine baustellenbezogene Geschwindigkeitsbegrenzung.“ Der Tanklaster „kollidierte, entsprechend den Unfallmarkierungen auf dem Asphalt, frontal mit dem Kopf der Fahrbahnabgrenzung und bewegte sich anschließend steuerungslos frontal gegen den Brückenpfeiler der zweiten Eisenbahnbrücke“, beschreibt der Ingenieur seine Folgerungen.

Er listet „Argumente für eine sachgerechte Baustellensicherung auf, die nicht beachtet“ worden seien: „Verkehrssicherungsmaßnahmen sollten stets die Möglichkeit von Fahrfehlern bei Kraftfahrern berücksichtigen. Diese können ihre Ursache haben durch Alkoholkonsum, Medikamentierung, internistische Störung oder Müdigkeit des Kraftfahrers, den sogenannten Sekundenschlaf, sowie aufgrund eines verkehrsbedingten Ausweichmanövers durch den Kraftfahrer.

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Ingenieur fragt sich: Soll von Fragen abgelenkt werden?

Baustellensicherungen sollten ermöglichen, „dass sich die kinetische Energie eines Tanklasters, dessen Kraftfahrer vor der Baustelle die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hat, durch Geradeausfahren zwischen Fahrbahnabgrenzungen vorbei an den besonders schützenswerten Objekten hinter der Baustelle entlädt. Am 4. Oktober dokumentierte ich, dass nach dem Ereignis an der Unfallstelle eine Reduzierung der Fahrgeschwindigkeit angeordnet wurde“, erklärt Müller.

Er möchte von den Verantwortlichen für den Fahrbetrieb am Unfallort wissen: Warum hat wer den Schwenkarm am Kopf der Fahrbahnabgrenzung nach dem Ereignis (Aufprall) versetzt, an dem der Tanklastwagen erstmals kollidierte? Soll dort etwas kaschiert werden? Ist der geplante Abriss der Eisenbahnbrücken für den Ausbau der A 40 auf sechs Spuren Anlass, von möglichen Fragen zu bislang nicht benannten weiteren Ursachen der Katastrophe abzulenken?

Am linken Fahrbahnrand stand ebenfalls eine Betonleitplanke. Diese konnte die Brückenpfeiler bei dem Aufprall des Tanklasters nur halbwegs schützen
Am linken Fahrbahnrand stand ebenfalls eine Betonleitplanke. Diese konnte die Brückenpfeiler bei dem Aufprall des Tanklasters nur halbwegs schützen © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Straßen.NRW und Polizei antworten nicht im laufenden Verfahren

Die Redaktion hat die Verantwortlichen mit den Darstellungen Volker Müllers konfrontiert. „Wir weisen darauf hin, dass es Aufgabe der Polizei ist, Unfallhergang und mögliche Unfallursachen zu ermitteln. Als Straßenbauverwaltung geben wir grundsätzlich keine Bewertungen ab. Wir beteiligen uns auch nicht an Spekulationen über Hergang, Ursache oder alternative Szenarien“, erklärt dazu Stephan Lamprecht von Straßen.NRW.

Der Sprecher der Polizei Düsseldorf, die die Bearbeitung zum Tanklasterunfall auf der A 40 in Styrum übernommen hat, bestätigt: „Der Fahrer war alkoholisiert. Ihn erwartet ein Gerichtsverfahren. Alle weiteren Fragen zum Unfallhergang klärt die Staatsanwaltschaft“, sagt Pressesprecher Kim Ben Freigang.

Die Auswirkungen der Katastrophe

Der Aufprall des Tanklasters auf der A 40 sowie der Brand von 36.000 Litern Benzin haben eine Katastrophe ausgelöst. Die Auswirkungen sind noch nicht in Gänze absehbar. Nach zwei Wochen konnte die Autobahn zwischen dem Kreuz Kaiserberg und der Anschlussstelle Mülheim-Styrum wieder freigegeben werden.

Bahnreisende sind stärker betroffen. Wegen der großen Hitzeentwicklung musste die Eisenbahnbrücke mit den Gleisen Richtung Duisburg sofort abgerissen werden. Seither fahren Ersatzbusse, was die Fahrzeiten nach Duisburg, Düsseldorf und Krefeld verlängert. Eine Behelfsbrücke wird in einigen Monaten eingebaut.

Die Sprecherin der Duisburger Staatsanwaltschaft, Jennifer König, wollte sich am Freitag ebenfalls nicht zum Stand der Ermittlungen äußern. Ob Volker Müllers Angaben und Fragen Aspekte der Ermittlungen sind oder nicht, bleibt vorerst unbeantwortet.