Mülheim. „Judas“ hat am Freitag (25.9.) Premiere im Theater an der Ruhr. Markus S. Schlappig hat das Stück nach einem Monolog von Lot Vekemans inszeniert.
War Judas ein Revolutionär und Jesus ein Realpolitiker? Im Theater an der Ruhr hat am Freitag ein Stück Premiere, das Judas’ Verrat an Jesus anders denkt. Zumindest eine andere Sichtweise offeriert. Markus Sascha Schlappig lässt Judas – basierend auf einem Monolog der niederländischen Autorin Lot Vekemans – seine Geschichte mit Jesus selbst erzählen. 2000 Jahre nach den überlieferten Ereignissen. Die Inszenierung wirft soziopolitische Fragestellungen auf, die damals aktuell waren und es auch heute sind.
Was wäre ohne den Judaskuss geschehen?
„Es geht im Kern um den Verrat, aber um andere Interpretationen, als sie das Neue Testament liefert“, erläutert Helmut Schäfer, Künstlerischer Leiter am Raffelberg. Welchen Stellenwert hat Judas in der Heilsgeschichte? Was wäre aus Jesus geworden ohne den Judaskuss? Hätte es das Christentum dann überhaupt gegeben? Gedankenspiele.
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„Eine zentrale Frage in unserer Inszenierung ist, ob Judas den Verrat als politische Waffe eingesetzt hat, ob er damit das soziopolitische Programm der egalitären Jesusbewegung durchsetzen wollte“, sagt Regisseur Markus Sascha Schlappig. Wollte er also konkrete politische Ziele für das Diesseits retten, während Jesus und seine Anhänger irgendwann anfingen, trostspendend auf das Jenseits zu verweisen? Glaubte er unverrückbar daran, dass Jesus die Juden von den Römern befreien und die Welt retten solle?
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Viele soziopolitischen Fragen werden ausgeklammert
Die Analogien zwischen dem damaligen römischen Reich, den Widerstandsbewegungen und unserer heutigen Welt seien augenfällig, so Helmut Schäfer. „Eine kleine Elite besitzt maßlose Macht, es gibt fortwährende ökonomische Krisen, eine extreme Ungleichverteilung und einen Verfall von sozialen Bindungen.“ „Gleichzeitig tauchten viele sozialpolitische Ideen und Forderungen im öffentlichen Diskurs aber gar nicht mehr auf“, ergänzt Schlappig. Urchristliche und grundsoziale Auffassungen, auf denen die abendländische Kultur eigentlich fußt.
Schlappigs Inszenierung, in der Simone Thoma den Judas spielt und Adriana Kocijan eine bei Vekemans gar nicht vorgesehene Vertraute, bezieht ihre Inspiration daher nicht nur aus dem Text der zeitgenössischen niederländischen Dramatikerin, sondern in den Denk- und Arbeitsprozess eingeflossen sind auch Überlegungen von Wilhelm Weitling, seines Zeichens überzeugter Christ, Frühsozialist und der wohl erste Theoretiker des Kommunismus in Deutschland. Abgeglichen wird das Textmaterial mit Forderungen des neuen Testaments.
Überlegungen von Wilhelm Weitling einbezogen
„Im Stück kommen drei linkspolitische Reden vor, die Jesus gehalten haben könnte, sie sind aus unserer Beschäftigung mit Weitling entstanden“, berichtet Markus Sascha Schlappig. Die Einspielungen habe man mit Unterstützung des Hörspielregisseurs Jörg Schlüter und des Schauspielers und Ifflandring-Trägers Jens Harzer in die Inszenierung hineinmoduliert. Szenisch integriert sind auch die Sänger des Petrikirchen-Chores, die „ganz überraschende Sachen singen werden“, so der Regisseur. Noch nicht zu viel verraten möchte er auch zum Bühnenbild. „Es gibt nur wenige Elemente, wir verweisen aber auf Machtarchitektur, auf einen Gerichtssaal.“
Termine & Karten
Die Premiere am kommenden Freitag, 25. September, und die Vorstellung am Samstag, 26. September, sind bereits ausverkauft.
Noch Karten gibt es für Sonntag, 27. September, um 16.30 Uhr, unter 5990188.
Auch online gibt es wieder Theater. „1984. A review“ (Regie: Matthias Flake) ist am Donnerstag, 24. September, ab 19.30 Uhr auf www.youTube.de (Kanal: Theater an der Ruhr) zu sehen. Es ist ein Projekt mit Studierenden der Folkwang Universität zum Geburtstag des digitalen Zeitalters.
Was ist der Kern des Christentums? Mit dieser Frage, die auch heute wichtig, aber wenig en vogue ist, wird der Zuschauer nach etwa anderthalb Stunden „Judas“ entlassen. Aber auch mit dem Sujet, was das Fundament unserer Gesellschaft ausmacht, oder ob unsere Gesellschaft ihre eigenen Wurzeln missachtet. Was soll unser Zusammenleben eigentlich definieren? Darüber gilt es nachzudenken.