Mülheim. „Plants and Aliens“ heißt eine Kunstaktion und Ausstellung, die vom 4. bis 24. September im Museum Temporär in Mülheim zu sehen ist.
Topfpflanzen brauchen Aufmerksamkeit. Wer keine Zeit hat, sie zu hegen und zu pflegen, sollte sie lieber abgeben. Die Kunstaktion des Duos 431art aus Frankfurt macht es möglich, vernachlässigte Pflanzen in gute Hände zu geben – anonym. Haike Rausch und Torsten Grosch haben eine Pflanzenklappe vor dem Museum Temporär an der Schloßstraße aufgestellt, sie vermitteln die dort abgestellten grünen Sorgenkinder an Adoptiveltern.
„Pflanzen sind wertvolle Lebewesen“
Vor über zehn Jahren schon haben die Künstler das Projekt entwickelt. „Uns war aufgefallen, dass viele Zimmerpflanzen einfach in der Mülltonne landen, wenn sie verblüht sind“, erklärt Haike Rausch. Pflanzen, die früher als exotische Schönheiten geschätzt und umsorgt wurden, seien heute billige Wegwerfartikel aus dem Discounter. Dem wollten sie und Torsten Grosch ein anderes Handlungsmodell entgegensetzen. Eines, das zeigt, dass Pflanzen „eigenständige, wertvolle Lebewesen sind, von denen auch die Existenz des Menschen abhängt“ – und die Zukunft unserer Welt.
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So entstand das Projekt botanoadopt, das sich zu einem Langzeitprojekt entwickelt hat und vom Rat für Nachhaltigkeit ausgezeichnet wurde. Mit der Aktion sind die beiden Künstler in ganz Europa unterwegs. Die Idee dahinter ist eigentlich ganz einfach, erinnert an die Babyklappe. Die Künstler geben darüber hinaus jeder abgestellten Pflanze einen Namen und versehen sie mit einer Art Biografie. Die Vermittlung an Adoptivwillige erfolgt per Internet oder direkt bei einer Ausstellung im Museum.

Pflanzenklappe steht in der Schloßstraße
So soll es auch in Mülheim zugehen. Eine Woche lang (4. bis 10. September) steht die Klappe vor dem Museum an der Schloßstraße. Die dort (mit gutem Gewissen) entsorgten Schätze werden im Museum gesammelt. Aufgenommen werden Zimmer- und Balkonpflanzen jeder Art, doch „krank oder mit Schädlingen befallen dürfen sie nicht sein“, so Haike Rausch. Sie sind dann Teil der Ausstellung “Plants and Aliens“ – „sozusagen als lebende Stilleben“, sagt Museumsleiterin Dr. Beate Reese. Am 23. und 24. September schließlich öffnet das „Adoptionsbüro“ (ab 14 Uhr), in dem man unentgeltlich adoptieren kann.
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
„Die neuen Besitzer müssen Verantwortung übernehmen, sich verpflichten, die Pflanzen als Freunde zu sehen“ erklärt das Künstlerduo. Deshalb unterschreiben diese auch einen Adoptionsvertrag und sollten ein- bis zweimal pro Jahr ein Foto von ihrer Pflanze schicken. „Uns interessiert natürlich, in welchem soziokulturellen Umfeld die Pflanzen dann leben“, sagt Torsten Grosch. Über 1400 Adoptiveltern hat man seit 2009 gefunden, ein deutschlandweites Netzwerk geschaffen.
Empathietraining für Pflanzenbesitzer
Die Ausstellung im Museum zeigt Fotografien von vermittelten heimischen und exotischen Pflanzen vor weißem Hintergrund, aber auch vor Szenarien aus ihren Heimatländern. Sie sollen auf die weltweite Zerstörung der Wälder hinweisen. Zu sehen sind auch sprechende Stelen von Rausch/Grosch zu den Themen Artensterben und Klimawandel. Ein Film über eine Baumrettungsaktion im Bannwald wird zu sehen sein und eine Installation, bei der die Geräusche einer Pflanze eingefangen und in optische Signale „übersetzt“ werden.
Moralisch oder belehrend ist die Herangehensweise der Künstler an ihre Inhalte nicht, eher leicht und subtil-humorvoll – sich einmischend und anpackend. Dazu passt auch, dass sie Empathie-Tests und -Trainings für den Umgang mit Pflanzen anbieten. Dabei kann das eigene Mitgefühl für pflanzliche Lebewesen getestet und gesteigert werden.
Künstler wollen in die Gesellschaft hineinwirken
Das Projekt von 431art sei exemplarisch für einen aktuellen Trend in der zeitgenössischen Kunst, kommentiert Dr. Beate Reese und verweist auf die „partizipativen Arbeitsweise an der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft“. „Viele Künstler arbeiten heute in Form von Projekten und versuchen, ausgehend von Alltagsfragen in die Gesellschaft hineinzuwirken.“