Mülheim. Diese Spielzeit im Theater an der Ruhr/Mülheim wird anders. Keine Repertoire-Stücke, nur neue corona-taugliche Produktionen werden gezeigt.
Die neue Spielzeit im Theater an der Ruhr (TaR) beginnt Anfang September, und sie wird ganz anders sein als sonst. Denn: Diverse Corona-Schutzvorschriften müssen eingehalten werden – im gesamten Theater, aber auch beim Spielen und Proben auf der Bühne.
Umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen
„Die Leute haben Lust auf Theater und Angst vor Corona – dem wollen wir gerecht werden“, beschreibt Helmut Schäfer, künstlerischer Leiter, die derzeitige Situation. Deshalb gehe der Schutz der Zuschauer sogar über die Versorgungslage hinaus. Es gibt feste Sitzplätze für Zuschauer, viel Abstand, für jede Produktion werden spezielle Saalpläne erstellt.
Alle Inszenierungen müssen auf die Verordnungen abgestimmt sein. Deshalb wird es in dieser Saison fast nur neue Produktionen geben. „Repertoire-Stücke, die vor der Corona-Zeit entstanden sind, können wir nicht zeigen“, so Sven Schlötcke, Geschäftsführer des TaR. Man müsste die Produktionen nämlich uminszenieren, damit sie auch corona-tauglich sind. „Das ist vielfach gar nicht möglich“, kommentiert Schlötke. Theater sei ein notwendiges Angebot, aber das Gezeigte müsse künstlerisch auch Sinn machen.
Roter Faden ist das Thema Ideologien
Die aktuellen Umstände führen dazu, dass es im September sechs Premieren geben wird. Kein Motto, aber eine Fragestellung zieht sich durch die gesamte Spielzeit. Es geht um die Bestimmung der Welt durch Ideologien, darum, wie sie benutzt werden, um Macht zu erlangen oder Angst zu bewältigen. „Wir können aktuell weltweit eine starke Ideologisierung beobachten. Denken wir an den Wahlkampf in den USA oder an die Pandemie, die Fronten in der Gesellschaft schafft“, erklärt Helmut Schäfer.
Das Theater versuche das Philosophieren über die Welt in sinnliche Formen zu bringen und in ein freudvolles Unterfangen umzuwandeln, so Schlöttcke. Die ersten Stücke der Spielzeit 20/21 sind unbedingt auch unterhaltend. Los geht es am 3. und 4. September mit der Premiere von „Antigone - ein Requiem“ von Thomas Köck. Acht Ensemblemitglieder unter der Regie von Simone Thoma haben sich der modernen Fassung des antiken Stoffes angenommen. „Köck reiht sich ein in die Liste der österreichischen Autoren, die das Spiel mit der Sprache beherrschen und Texte von hoher Qualität liefern“, findet Helmut Schäfer.
Antikes Drama wird in die Neuzeit verlegt
Das sophokleische Familiendrama – der Konflikt zwischen Antigone (Dagmar Geppert) und Kreon (Fabio Menéndez) – wird in die Neuzeit geholt. „Köck überträgt die Familienpsychologie aber auf die Gesellschaft. Was produzieren wir für uns und für die Welt der Zukunft? Das ist eine zentrale Frage des Stückes“, erklärt Simone Thoma. Ihre Inszenierung ist in der mediale Realität verortet.
Kurz nach den ersten Leseproben sei es zum Corona-Lockdown gekommen. „Wir haben dann per Videokonferenz weitergearbeitet am Text“, berichtet Thoma. Für das Online-Programm des Theaters habe man zusammen mit Peter Wedel drei 40-minütige TV-Sendungen über dieses Wirken hinter den Kulissen produziert. „Das hat uns gut vorbereitet auf die Bühnenproben, die dann Ende Juli erstmals stattfanden“, so die Regisseurin.
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Audiowalk rund um die Vier.Zentrale
Eine weitere Premiere folgt am 6. September – nicht im Theater, sondern in der neuen Vier.Zentrale an der Leineweberstraße 15. Regieassistent Tobias Stöttner liefert mit „Die schmutzigen Hände“ nach Jean-Paul Sartre seine erste eigene Arbeit für das TaR ab. Das Format ist ungewöhnlich, der Stoff wird bei einem konspirativen Audiowalk vermittelt.
„Man könnte von einem hochbrisanten Polit-Thriller sprechen, der das Thema Manipulation aufgreift“, sagt Sven Schlöttcke. Die Zuschauer – ausgestattet mit Kopfhörern, quasi wie Abhörende – laufen in und um die Vier-Zentrale herum und kommen dem Geschehen dabei sehr nah. Jeder einstündige Walk ist auf 25 Personen beschränkt.
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Ein Trip durch Literatur und Zeit
Einen Trip durch Literatur und Zeit bringt Philipp Preuss, künstlerischer Leiter am TaR, dann am 11. September auf die Bühne. Das Stück mit dem Schauspieler Felix Römer wurde in abgeänderter Fassung schon erfolgreich an der Berliner Schaubühne gezeigt. Es passe zu unserer Zeit, es gehe um Bewegungsfreiheit und um Grenzen (ausführlicher Bericht folgt).
Einen Ersatz für die Weißen Nächte soll es am Samstag 19. September, im Raffelbergpark geben. Eine Art Picknick, aber an Tischen, ist geplant. Matthias Flake und zehn Gäste sorgen für die passende Musik, 200 Gäste können dabei sein. Vorgesehen, aber noch nicht ganz sicher: Im Anschluss soll „Boat Memory“ (Regie: Roberto Ciulli) auf der Rennbahn gezeigt werden.