Mülheim. Ihren Ryanair-Flug von Ibiza nach Weeze fand eine Mülheimerin stressig und gefährlich. Corona-Auflagen seien missachtet worden. Sie will warnen.

Der Ryanair-Flug FR 6419 ab Ibiza am 16. Juli verlief augenscheinlich ohne größere Turbulenzen. Die Maschine setzte am Nachmittag sicher in Weeze auf. Doch eine Mülheimerin stieg völlig aufgebracht aus dem Flugzeug. Direkter Weg zum Ryanair-Schalter, um sich zu beschweren. Sie und ihre Tochter haben sich jetzt auf Corona testen lassen.

Was ist passiert? Die Frau aus Speldorf (Name der Redaktion bekannt) hat es ausführlich notiert, mit Wut im Bauch, in Deutsch und Englisch. Sie hat den Bericht nicht nur an die Fluggesellschaft geschickt, sondern direkt auch an die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA). Ihr Ziel ist maximale Aufmerksamkeit.

Teenager-Tochter gilt als Risikopatientin

Doch ihren Namen möchte sie hier nicht veröffentlicht sehen: aus Rücksicht auf ihre Tochter, die im Flugzeug neben ihr saß. Die 15-Jährige sei Risikopatientin, erklärt die Mutter: „Sie hat einen angeborenen Lungenschaden“ und entsprechend gesteigerte Angst vor einer Covid-19-Infektion.

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Dennoch haben sie es gewagt, zu Beginn der Sommerferien für zweieinhalb Wochen auf die Balearen zu reisen - die Familie besitzt ein Ferienhaus auf Formentera. Schließlich haben sich alle Airlines nach Ende der Reisewarnungen verpflichtet, umfangreiche Hygienemaßnahmen einzuführen. Eine der wichtigsten Auflagen: Passagiere und Bordpersonal müssen einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Auf dem Hinflug mit Eurowings, so die Mülheimerin, habe das gut funktioniert: „Als ein Passagier es gewagt hat, die Maske abzusetzen, ist die Stewardess sofort rabiat geworden.“

Im Bus auf dem Rollfeld „direkter Hautkontakt unvermeidlich“

Dann, am 16. Juli, der Rückflug. Start um 13.15 Uhr auf Ibiza. Eine Freundin, ebenfalls aus Mülheim, war bei der Reise dabei. Sie bestätigt alle Schilderungen. Schon den Transport vom Gate zur Maschine fanden die Frauen problematisch: Die Busse seien überfüllt gewesen, „direkter Hautkontakt unvermeidlich“.

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Im Flugzeug, so berichtet die Speldorferin, hätten dann Passagiere wie auch Personal reihenweise gegen die Maskenpflicht verstoßen. Diese gilt tatsächlich auf allen Flügen von Ryanair. Auf Anfrage dieser Redaktion hat das Unternehmen ein Info-Blatt mit allen Vorschriften übermittelt. Die oberste Regel lautet wörtlich: „Kunden müssen im Terminal und an Bord jederzeit Mund-Nasen-Bedeckungen tragen; die Besatzung von Ryanair trägt während der gesamten Flugdauer, einschließlich des Boardings und der Landung, ebenfalls Gesichtsmasken.“ So weit die Theorie.

Ryanair: Kunden und Besatzung müssen durchgehend Gesichtsmasken tragen

Die Praxis sah anders aus, sagt die Mülheimerin: Vor ihnen habe eine Dame gesessen, die den Mund-Nasen-Schutz unter dem Kinn trug, später auch ganz abnahm. Man habe sie mehrfach gebeten, die Maske korrekt anzulegen: „Sowohl sie als auch ihr Mann wurden ausfallend.“ Risikopatienten - gemeint war die Tochter - sollten nicht fliegen. „Ich selbst solle nicht weiter die Schnauze aufreißen. Dieser Eklat war lautstark, das Personal griff nicht ein, um die Maskenpflicht umzusetzen.“

Lautstarker Eklat in der Kabine - Kritik: Personal griff nicht ein

Die Flugbegleiterin im vorderen Teil der Kabine habe den Mund-Nasen-Schutz ebenfalls sehr locker gehandhabt, beklagt sich die Mülheimerin. Immer wieder habe sie die Maske weggezogen: während der Start- und Landephase, am Bordtelefon, im Gespräch mit Passagieren. „Pikanterweise“ habe man mitgehört, „dass die Stewardess selbst Covid-19 als nicht gefährlich einschätze und man das Leben genießen müsse“.

Diese Regeln gelten beim Fliegen

Ryanair, die sich selber als „Europas größte Billig-Fluglinie“ bezeichnet, hat am 1. Juli den Linienflugverkehr wieder aufgenommen. Seitdem gelten detaillierte Gesundheitsrichtlinien, die auch auf der Homepage von Ryanair erläutert werden, teils mit Hilfe von Videos.

Neben dem Tragen von Gesichtsmasken sollen viele weitere Maßnahmen vor Covid-19-Infektionen schützen, beispielsweise Temperaturkontrollen vor dem Check-in, gründliche Reinigung der Hände, Verbot von Warteschlangen, tägliche Desinfektion der Flugzeuge, ausschließlich bargeldloses Zahlen.

Bei der Tochter lagen bald die Nerven blank: „Sie hat furchtbar geweint und erlitt eine Panikattacke“, berichtet die Mutter. Die Stewardess kam und kümmerte sich. Dachte wohl, das Mädchen habe Flugangst. Dass sie den Teenager berührte, „mit bloßen, undesinfizierten Händen“, trug allerdings nicht zur Entspannung der Situation bei. Die Stewardess habe erklärt, man bräuchte keine Sorge zu haben, „da während eines Flugs aufgrund der Klimaanlagen keine Ansteckung möglich sei“.

Aussteigen in der Luft unmöglich

Die Mülheimerin ist nach dieser Reise bedient. Über die Website von Ryanair hat sie ein Beschwerdeformular abgeschickt, eine Eingangsbestätigung gab es nicht. „Wir werden Ihnen innerhalb von zehn Arbeitstagen antworten“, wird dort versprochen. Die Mülheimerin wartet darauf. Sie ist sauer auf die Fluggesellschaft: „Das Personal ist dafür zuständig, dass die Regeln eingehalten werden. Man ist den Leuten in der Luft doch ausgeliefert. Aussteigen geht ja nicht. Sonst hätten wir es getan.“

Fluggesellschaft reagiert mit einem knappen Statement

Die Fluggesellschaft, die auch von Seiten dieser Redaktion mit den Beschwerden konfrontiert wurde, reagierte nur mit einem knappen Statement: „Ryanair verfügt über eine Reihe neuer Gesundheitsmaßnahmen, um eine Ausbreitung von Covid-19 zu verhindern“, heißt es dort. „Wir überprüfen regelmäßig die Wirksamkeit dieser Maßnahmen und arbeiten weiterhin mit unseren Mitarbeitern zusammen, um sicherzustellen, dass unsere Richtlinien eingehalten werden.“ Konkrete Nachfragen, etwa zur Verantwortung des Bordpersonals und zum Umgang mit Passagieren, die die Corona-Schutzvorschriften missachten, wurden bislang nicht beantwortet.

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Die Mülheimerin hofft, dass anderen Passagieren solche Erfahrungen erspart bleiben - und dass sie sich nicht infiziert haben. Am Mittwoch waren sie und ihre Tochter beim Hausarzt, um sich auf Covid-19 testen zu lassen. „Wir haben bisher, außer in der Familie, Kontakte vermieden.“ Sie wollen vorsichtig sein. Bis - hoffentlich - Entwarnung kommt.