Mülheim. Im Sprachcamp der Caritas bessern Kinder aus zugewanderten Familien in den Ferien ihre Deutschkenntnisse auf - und verarbeiten Erlebtes.

Sprache ist der Schlüssel zu einer neuen Lebenswelt. Mit diesem Satz beschreibt die Mülheimer Caritas ein Projekt, das sie bereits seit fünf Jahren fördert: das Sprachcamp. Marlott Rotthoff-Wiegel und ihre Kollegin Daniela Hockmann besuchen Kinder mit Zuwanderungsgeschichte in den Oster-, Sommer- und Herbstferien, um mit ihnen spielerisch ihre Deutschkenntnisse zu vertiefen und Sprachdefizite zu verbessern.

In diesen Sommerferien sind die Pädagoginnen in der Martin-von-Tours-Schule in der Innenstadt, um mit Kindern aus der ersten bis vierten Klasse zu arbeiten. Von Arbeit kann man bei den Kindern jedoch kaum sprechen - für die Grundschüler ist das Sprachcamp ein großer Spaß. "Wir frühstücken zusammen, malen, basteln, lesen und buchstabieren", berichtet die siebenjährige Baran, die die erste Klasse der Grundschule besucht. "Ich komme gerne hierher, zuhause ist es sonst langweilig in den Ferien", sagt sie. Mit Mama, Papa und ihren zwei Brüdern ist sie aus Afghanistan nach Deutschland gekommen. Wann? "Das weiß ich nicht genau." Was sie aber weiß: "In Mülheim ist es toll."

Mülheimer Sprachcamp: Kombination aus Experimenten und Lernen

Die fünfjährige Helin kommt erst nach den Ferien in die Schule, lernt im Sprachcamp aber schon ziemlich viele neue Wörter hinzu. Etwa das Wort "Kresse". Die Samen haben die Kinder in kleine Tontöpfe gepflanzt, nun wird gegossen. "Wir überlegen uns für jeden Tag neue Experimente", berichtet Marlott Rotthoff-Wiegel. Die Lese- und Literaturpädagogin betreut mit zwei Kolleginnen das Projekt. "Es ist eine Kombination aus wissenschaftlichen Experimenten und Sprachelernen."

Da in der Corona-Zeit nicht gesungen werden darf, treffen sich die Pädagoginnen mit den Kindern auf dem Schulhof und sagen das Gedicht "Der Lattenzaun" von Christian Morgenstern auf, stampfen, klatschen, summen dazu. Ein Ritual, das den Kindern Struktur gibt. "Es werden Geschichten erzählt, was den Kindern Anlass gibt, selbst in Erzählungen einzusteigen", erklärt Marlott Rotthoff-Wiegel. In einem Camp-Tagebuch halten die Kinder ihre Eindrücke fest und können diese später noch einmal nachlesen.

Viele Kinder haben Traumata zu verarbeiten

Wenn die Kinder ins Erzählen kommen, können die Einiges verarbeiten. "Wir haben hier Kinder, die viel erlebt haben auf ihrem Weg nach Deutschland", weiß die Pädagogin. Häufig gehe es um erlebte Traumata, das Verlassen und den Neubeginn. "Für manche Kinder ist das teilweise die dritte oder vierte Schule, die sie besuchen, da sie häufige Wohnungswechsel hinter sich haben." Da kann es helfen, sich vieles von der Seele zu "quasseln".

Wie hat sich die Arbeit mit den Kindern in den vergangenen fünf Jahren entwickelt? "Wir haben Einiges erreicht. Vor allem auf der Beziehungsebene", resümiert Marlott Rotthoff-Wiegel. Denn in ihrer Arbeit trete sie viel in den Dialog mit den Kindern. Wo es noch hakt? "In der Vermischung." Deutsche und Neuangekommene haben auch nach fünf Jahren noch nicht wirklich zueinander gefunden. Viele seien in ihren festen Strukturen eingebunden, da bleibe wenig Zeit für Begegnungen, weiß auch Georg Jöres, Fachdienstleiter "Jugend und Schule" bei der Caritas.

Mehr Durchmischung zwischen deutschen und zugezogenen Kindern

"Daher haben wir ein Jugendprojekt mit Erlebnis-Angeboten auf die Beine gestellt, bei dem sich Jugendliche begegnen können." Auch Marlott Rotthoff-Wiegel würde sich wünschen, dass sich die Kinder mehr mischen - und am Ende voneinander lernen. "Den Muttersprachlern macht es Spaß, Sprachpaten zu sein, den anderen Kindern Deutsch beizubringen, sie sind stolz darauf", so ihre Erfahrung. Dies zu erreichen, sei ein Ziel für die kommenden Jahre.

INFO:

- Seit 2015 gibt es das Sprachcamp-Projekt, das abwechselnd in Schulen und auch in Jugendzentren in Mülheim stattfindet. Das nächste Camp findet in den Herbstferien statt.

- Wer das Projekt finanziell durch eine Spende oder als Mitarbeiter unterstützen möchte, kann sich bei Georg Jöres unter der Telefonnummer 0208-3000850 melden.