Mülheim. Planschbecken, Kicker und Klavier holten Mülheimer auf die A40 für ein Leben auf der Überholspur. Wie das Stillleben die Menschen inspirierte.
Was man so alles Sinnvolles auf einigen Kilometern Asphalt machen kann: Gemeinsam Frühstücken, Jazzen, Reime schmieden oder Hutmode aus Fahrbahnrandabfällen, und sogar Salsa tanzen. Vor zehn Jahren, am 18. Juli 2010, zeigte das Still-Leben auf der A40 „alternative Nutzungsformen“ zum alltäglichen Stau. Ein sehnsüchtiger Rückblick.
„Die sind doch total bekloppt!“ Dachte zumindest Manfred Mons, als er das erste Mal von der Idee Wind bekam. Und dann: „Vielleicht ja doch. . .“ Der Chef vom Mülheimer Jazzclub hatte die Aufgabe, auf dem Streifen zwischen Frohnhausen und Mülheim Winkhausen für die musikalische Jause zu sorgen. „Woodhouse Jazz, Ruhrriver Jazzband, die Bigband der Luisenschule und andere machten ehrenamtlich mit“, erinnert sich Mons.
„Und morgens brachten wir das Klavier auf die Autobahn“
Auf zwei Bühnen – am Rhein-Ruhr-Zentrum und nahe der Ausfahrt 18 – traten die Jazzer auf, eine Gruppe bespielte die Asphaltpiste mobil. Noch am Mittwoch zuvor fuhr Mons die Strecke ab, „dann brach ein Gewitter über uns rein, dass wir rechts ran mussten. Ich dachte nur noch: Wenn das am Sonntag passiert. . .
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Um 5 Uhr morgens holte das Team um Mons das Klavier ab, wohl das einzige, das jemals auf einer Autobahn stand, vermutet Mons. Bis acht musste alles fertig sein. Und dann: Blendendes Wetter an jenem Sonntag, statt Regenschirm gab’s Sonnenhüte und -creme, 28 Grad schrieb das Thermometer. „Es stimmte einfach alles: Quattro-Super!“
Zwischen Planschbecken und Prosecco
Sollte man das Stillleben wiederholen?
Sollte man das Stillleben auf der A40 noch einmal wiederholen? Noch einmal würde es zumindest Manfred Mons nicht machen, trotz aller Begeisterung. „Das kriegt man nicht mehr so hin, es würde vermutlich auch zu teuer. So etwas geht nur ein Mal mit Herz.“
Und auch Marc Becker ist skeptisch: „Natürlich kann man das noch einmal organisieren. Aber ich glaube, nicht mit dem gleichen Erfolg wie damals.“
An den Tag auf der Autobahn erinnert sich auch der Mülheimer Ruhrpottblogger Danny Gießner: „Mit drei Bollerwagen und zwei Hackenporsches sind wir dann ca. 11.30 auffe A40 drauf. Km 53,3 haben wir dann dank der guten Ausschilderung schnell gefunden. Faltpavillon ruckzuck aufgebaut. Unsere bordeauxfarbenen Satin-Biergarnitur-Hussen draufgetüdelt und die Vorräte ausgepackt. Erste Runde Prosecco“, schildert Gießner unter „wahlheimat.ruhr“ sein Erlebnis.
„Viele tolle und kreative Ideen an der längsten Tafel der Welt“ bestaunt der Blogger: Polterabend feiern, Lagerfeuerdiplom machen, im Planschbecken baden – „wie haben die das voll Wasser bekommen? Wahnsinn, was den Leuten alles so eingefallen ist.“
„So sauber war die Autobahn noch nie“
Mehr als 1000 Tische standen allein auf Mülheimer Gebiet. Mitorganisiert haben dies damals unter anderem Hartmut Mäurer und Marc Becker, damals im Mülheimer Kulturhauptstadtbüro. Das erste, was Marc Becker in den Sinn kommt, ist eine Kuriosität: „Wir hatten eine große Sorge, dass am Ende viel Müll übrig bleiben würde. Mit den Kommunen wurde die Zahl der Kehrmaschinen abgestimmt. Doch am Ende stellten wir verblüfft fest: Die Autobahn war so sauber wie noch nie.“
Denn die Bürger hatten nicht nur ihren Müll mitgenommen, sondern offenbar gleich auch alles andere, was sich in den vergangenen Jahrzehnten im Begleitgrün verfangen hatte. Doch Mitorganisator Becker erinnert sich gerne an viele verrückte Aktionen – wie einen schweren Kicker, den ein Verein auf die A40 stellte. „Es war einfach enorm, was sich die Vereine und Bürger haben einfallen lassen. Und alle haben sich beteiligt, egal, wie groß und bekannt sie waren.“
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