Mülheim. Ein 66-jähriger Mülheimer fuhr von der Heimaterde über 1100 Kilometer mit dem Rad nach Südfrankreich. Was er auf seiner Tour de France erlebte.

Bei der Tour de France gibt es das ungeschriebene Gesetz, dass auf der letzten Etappe keine Angriffe mehr gefahren werden. So fühlte sich auch der Mülheimer Ralf Werchohlad auf dem letzten Teilstück seiner persönlichen Frankreich-Rundfahrt als Sieger – wenngleich er nicht von Tausenden auf dem Champs-Élysées empfangen wurde, sondern nur von einer kleinen Gruppe auf der Rue Central von Labastide de Virac in Südfrankreich. 1131 Kilometer hatte er von Mülheim aus mit dem Rad zurückgelegt.

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„Die Idee war schon ewig da“, erzählt der 66-Jährige, der seit 2007 ein Häuschen in der Region besitzt. Und der zudem schon viele Jahre lang passionierter Radfahrer ist. „Wir sind auch schon mal 700 Kilometer die Mosel hoch gefahren“, erzählt der Rentner.

Radtourenplaner schlägt die richtige Route vor

Nun aber hieß das Ziel Südfrankreich. Über einen Radtourenplaner im Internet legte er seine Route fest. „Dort kann man auch eingeben, mit welcher Art von Rad man unterwegs ist oder welche Strecken man bevorzugt“, erklärt er.

Die allererste Etappe absolvierte Werchohlad am 2. Juli mit dem Zug: Von Mülheim ging es nach Maastricht – dreimal Umsteigen inklusive. Dann rauf auf’s Rad. 96 Kilometer betrug die Streckenlänge am ersten Tag – „Einradeln“ nennt das der 66-Jährige. Regenschauer, Gegenwind, Platten – schon zu Beginn war alles dabei. In einem Internet-Tagebuch hielt Werchohlad die Daheimgebliebenen stets auf dem neuesten Stand.

Die Maas weist in den ersten Tagen den Weg

Der Mülheimer Ralf Werchohlad fährt an der Maas entlang. 
Der Mülheimer Ralf Werchohlad fährt an der Maas entlang.  © Ralf Werchohlad

Die ersten Tage führten ihn vor allem an der Maas entlang, die in Frankreich schließlich Meuse heißt. „Es macht immer Spaß, an einem Fluss entlang zu radeln“, findet der Mülheimer. Die Veränderungen im Laufe der Kilometer von einem breiten Fluss zu nicht mehr schiffbaren Seitenarmen findet er besonders spannend.

„Es macht einfach Spaß, sich jeden Tag überraschen zu lassen“, so der Frankreich-Rundfahrer. „Ich habe immer schon gedacht, dass das Fliegen unsinnig ist. Wenn ich in Europa mit dem Rad unterwegs bin, finde ich immer wieder schöne Ecken“, betont er.

Werchohlads Tipp: „Man sollte nicht gegen die Uhr fahren“

Startpunkt war die Heimaterde

Ralf Werchohlad wohnt auf der Heimaterde und hat zwei Söhne. Früher war er Kommunikationsdesigner und hat 3D-Animationen für das Fernsehen oder medizinische Visualisierungen erschaffen. Außerdem unterstützte er seine Frau, eine Ergotherapeutin, in ihrer Praxis.

Drei Wochen macht das Ehepaar – die Frau hat sich am Mittwoch auf den Weg gemacht – nun Urlaub in Frankreich. Dann geht es zurück nach Mülheim. Allerdings mit dem Auto.

Speziell vorbereitet hat er sich auf seine Tour nicht. „Man kriegt natürlich Muskeln, die man vorher nicht hatte“, sagt Werchohlad lachend. Magnesium- und Calciumtabletten sollten zum Gepäck gehören. „Erstaunlicherweise hatte ich keinen einzigen Krampf“, erzählt er. Mit einer Fitnessuhr versuchte er, sich selbst zu kontrollieren und möglichst unter 140 Schlägen zu bleiben. „Man sollte nicht gegen die Uhr fahren und irgendwelche Bestzeiten aufstellen. Das rächt sich hinterher“, rät er allen Nachahmern.

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Ohnehin stand am Start jedes Tages nicht endgültig fest, wie weit es der Mülheimer auf dem jeweiligen Abschnitt schaffen würde. Die ersten beiden Ziele waren relativ fix, danach suchte er sich mit dem Handy Unterkünfte im Umkreis. Gleich am dritten Tag erwischte er ein gerade erst fertiggestelltes Zimmer in einem renovierten Haus. „Heißes Wasser gab es nach einer halben Stunde. Die Mutter wohnte im Ort und als ich in Unterhose nach einem Handtuch fragte, wurde der Sohn zur Oma geschickt. Zehn Minuten später war ich der erste Gast in der Dusche“, schildert Werchohlad in seinem Blog. Der Wurstteller für’s Abendbrot wurde direkt vom Bauernhof geliefert.

Spannende Erlebnisse lassen Schulterschmerzen vergessen

Solche Erlebnisse sind es, für die sich auch tagelange Schulterschmerzen lohnen. Am 7. Juli erreichte der Mülheimer die Quelle der Maas und anschließend das Städtchen Langres, das „schier unbezwingbar“ auf einem Bergrücken liegt. Am zehnten Tag erreichte er Lyon, eines der festen Ziele. „Dort wollte ich bei Freunden unterkommen.“

Zwei Tage später endete seine Reise in Südfrankreich. Dort fühlte sich der Zieleinlauf fast so an wie der Champs-Élysées für die Radprofis beim Finale der Tour de France.