Mülheim. Um der Isolation durch die Corona-Beschränkungen zu entgehen, singt eine Nachbarschaft in Mülheim miteinander. Wie das den Zusammenhalt stärkt.
Musik verbindet – und kann eine Nachbarschaft über eine Krise hinaus stärken. So geschehen auf der Straße Vonscheidts Hof. Mehrere Wochen trafen sich dort die Nachbarn draußen, um gemeinsam zu singen. Ab 19 Uhr ertönten Volkslieder durch die Gärten. Den Anstoß dazu gab Anwohnerin Ursula Haake. „Ich habe die Bilder aus Italien gesehen und fand es wunderschön, wie die Menschen auf dem Balkon standen und gemeinsam gesungen haben.“
Als im März die Kontaktbeschränkungen wegen des Coronavirus immer strenger wurden, hatte die ehemalige Musikschullehrerin eine Idee. „Am 23. März, als die Beschränkungen beschlossen wurden, habe ich mich abends mit Herzklopfen auf unseren Balkon gesetzt und auf meinem Akkordeon ‘Der Mond ist aufgegangen’ gespielt.“ Lange dauerte es nicht, da steckten die ersten Nachbarn ihre Köpfe über die Hecken und fingen an, mitzusingen.
Gemeinschaftliches Musizieren auf der Straße
Aber: Die Liedtexte fehlten. Also druckte Ursula Haake kurzerhand ein paar aus und verteilte sie unter den Nachbarn. An diesem Abend waren es noch mehr Menschen, die sich in ihren Gärten versammelten und gemeinsam sangen. „Musik kann depressive Emotionen lindern“, erklärt die Expertin. „Auch mir hat das gut getan. Diese Verbundenheit unter den Nachbarn zu spüren, hat uns alle fröhlich gestimmt.“
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So ziehen die Wochen der Corona-Quarantäne dahin. Irgendwann zieht es die Musikanten auch auf die Straße, wo dank der Krise so wenig Verkehr war, dass die Sängerinnen und Sänger sich mit genug Abstand auf der Straße verteilen konnten. Ursula Haake sitzt dabei mit ihrem Akkordeon und einem Notenständer auf dem Bürgersteig und untermalt den Gesang.
Zusammenhalt durch das Singen gestärkt
Es erklingen bis zu 20 unterschiedliche Lieder in diesen Wochen, abgestimmt auf das zumeist ältere Publikum, das auf der Straße lebt. Trotzdem hätten sich auch junge Familien dazugesellt und Klassiker wie „Alle Vögel sind schon da“ oder „Die Gedanken sind frei“ zum Besten gegeben. Der Höhepunkt war für Ursula Haake der Abend, an dem 28 Anwohner zusammen das Steigerlied gesungen haben. „Mein Herz ist voll von diesen schönen Stunden“, sagt die Rentnerin.
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Das habe nicht nur für besondere Erinnerungen gesorgt. Der Zusammenhalt sei spürbar geworden. „Man bleibt jetzt öfter auf der Straße stehen, wenn man Nachbarn trifft und quatscht, statt sich nur zu grüßen. Auch ich kann mir jetzt eher vorstellen, bei meinen Nachbarn anzuklingeln und um Hilfe zu bitten.“
Nachbarn möchten das gemeinsame Singen aufrecht erhalten
Seit die Lockerungen der Regierung im Mai gegriffen haben, ist das gemeinsame Singen zum Erliegen gekommen. „Ich habe schon öfter mitbekommen, dass die Nachbarn das weiter verfolgen möchten“, meint Ursula Haake. „Wenn das möglich ist, möchten wir ein großes Gartenfest organisieren, wo auch musiziert wird.“