Mülheim. In Zeiten von Corona ist die Nachfrage bei den Fahrradhändlern sprunghaft gestiegen. Als Alternative zum Familienurlaub sind Radtouren en vogue.

Schon am Morgen hat sich vor der Halle an der Hänflingstraße in Heißen eine große Schlange gebildet. An Nachmittagen schlängelt sich diese auch ganz gerne mal um den ganze Gebäudekomplex herum. Seitdem die Geschäfte wieder öffnen durften, kann sich das Team von „Zweirad Spree“ – wie viele Fahrradhändler in Mülheim – vor lauter Anfragen kaum retten.

Auch Gudrun Pohl wartet geduldig vor dem Fachgeschäft in Heißen, sie und ihr Ehemann haben einen Termin, um zwei E-Bikes Probe zu fahren. „Wir haben schon länger mit dem Gedanken gespielt, uns Elektrofahrräder zu kaufen“, sagt die Oberhausenerin. „Es ist ja im Moment alles sehr unsicher, was Urlaub und Reisen ins Ausland angeht, deshalb möchten wir uns die Fahrräder jetzt kaufen, um wenigstens ein paar Tagestouren machen zu können.“

Fahrrad-Boom in Mülheim: Alternative Freizeitgestaltung

Tanja Symanski, Inhaberin von Fahrrad Spree, profitiert von Corona.
Tanja Symanski, Inhaberin von Fahrrad Spree, profitiert von Corona. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel


Ein Kaufgrund, den „Zweirad Spree“-Inhaberin Tanja Symanski bei den Verkaufsgesprächen immer wieder hört. „Die Leute möchten einfach mal raus und die Freizeitgestaltung in Zeiten von Corona ist ja nicht so einfach“, sagt Symanski, die 2001 mit Ehemann Peter das Heißener Traditionsgeschäft übernommen hat, und seit gut einem Jahr nun am neuen Standort an der Hänflingstraße alles anbietet, was das Zweirad-Herz begehrt. „Geld, was eigentlich für einen Urlaub gedacht war, investieren die Menschen jetzt in neue Fahrräder.“

Für die Symanskis und ihre Mitarbeiter bedeutet die große Nachfrage vor allem eins: viel Arbeit. Der Kundenzustrom muss geregelt, Termine vergeben und Bestellungen aufgenommen werden. Wobei Letzteres gar nicht so einfach ist. „Alles, was Pedale hat, ist im Moment schwierig zu bestellen“, weiß Zweirad-Expertin Symanski. „Zum einen durch die hohe Nachfrage, aber auch deshalb, weil die Produktionsketten durch Corona eine längere Zeit unterbrochen waren.“ Das Gleiche gilt für Fahrradträger fürs Auto und Kindersitze.

Werkstatt-Termine erst wieder Ende Juni

Aber nicht nur Neuanschaffungen halten die Mitarbeiter auf Trab. Wer einen Termin in der Werkstatt haben möchte, muss sich bei „Zweirad Spree“ bis Ende Juni gedulden. „Die Leute holen ihre Fahrräder aus dem Keller, die da teils zehn Jahre ihr Dasein gefristet haben. Da waren bis jetzt schon einige Museumsstücke dabei.“

Während auch bei „Radsport Pütz“ und „Zweirad Sebold“ die Nachfrage in der Corona-Krise sprunghaft gestiegen ist, sieht Axel Abraham keinen Grund für Optimismus. Zwar habe der Inhaber von „Speedy Bikes“ in der Innenstadt in Sachen Reparatur auch einiges an Arbeit, das Frühlingsgeschäft sei ihm durch Corona jedoch ziemlich vermasselt worden.

„Das war so schlecht, wie in der letzten zehn Jahren nicht mehr“, sagt Abraham, der seit 35 Jahren seinen Fahrradladen an der Wallstraße betreibt. „Mit den vielen Reparaturaufträgen kann ich die Neuverkäufe nicht ausgleichen.“

Lage in der Mülheimer Innenstadt ein Problem für Fahrrad-Händler

Auch wenn Abraham nicht sonderlich davon profitiert, sieht er jedoch ebenfalls den steigenden Trend zum Fahrrad. „Die Leute entdecken aus unterschiedlichen Gründen das Rad wieder neu“, weiß er aus vielen Kundengesprächen. „Unter anderem sind viele aufs Rad umgestiegen, um nicht mit Bus und Bahn zur Arbeit oder zum Einkauf fahren zu müssen.“ Das sei vielen Menschen aufgrund der Ansteckungsgefahr unangenehm.

Dass er aus dem coronabedingten Fahrrad-Boom nicht viel Nutzen zieht, sieht Abraham auch der Lage seines Geschäftes in der Innenstadt geschuldet. „Einzugsgebiet und Parkplatzsituation spielen schon eine Rolle.“ Er sei gespannt, wie es nach der Corona-Krise aussehen wird. Viel Hoffnung, dass in der City bald wieder mehr Laufkundschaft ist, hat Abraham nicht. „Dafür krankte die Innenstadt schon lange vor Corona viel zu sehr.“

Nachfrage nach Leihrädern für Tagestouren gestiegen

Für diejenigen, denen ein Elektrofahrrad in der Anschaffung dann doch zu teuer ist, bietet der Verleih eine gute Alternative. Sowohl die Mülheimer Fahrradhändler als auch das Unternehmen „RevierRad“ bieten E-Bikes und andere hochwertige Fahrräder zur tages- und wochenweisen Nutzung an. Von Winterberg bis Duisburg bietet „RevierRad“ fahrradtouristische Dienstleistungen, speziell für durchgeplante (Gruppen-) Touren mit Übernachtungen.

Coronabedingt gab es auch in diesem Bereich aufgrund der Unsicherheit viele Stornierungen. Auf der anderen Seite ist die Nachfrage bei Leihrädern für Tagestouren gestiegen. „Wir haben darauf reagiert und haben die Radstationen mit E-Bikes bestückt“, sagt „RevierRad“-Sprecher Hendrik Konietzny und verweist auch auf die Station am Mülheimer Hauptbahnhof. „Diese können auch spontan angefragt und ausgeliehen werden.“ Natürlich nur, solange der Vorrat reicht.