Ein gestandener Professor von 66 Jahren nimmt den Ruhrpreis entgegen, während ein gerade zwölfjähriger Pianist den Förderpreis bekommt. Beide haben zur Feierstunde ihre offensichtlich stolzen Eltern mitgebracht.
Zwei Generationen liegen zwischen die beiden Menschen, die gestern den Ruhrpreis bzw. Förderpreis für das Jahr 2008 entgegennahmen: Peter Schäfer, Professor für Judaistik und Theologie, blickt mit 66 Jahren auf ein vielfältiges Forschungswerk zurück. Matthias Hegemann, der zwölfjährige Pianist, hat seine Karriere – höchstwahrscheinlich – noch komplett vor sich.
Was beide verbindet: Sie sind in Speldorf zur Grundschule gegangen, die zu Schäfers Kinderzeit noch „Volksschule” hieß. Und sie wurden beim Festakt im Hause der Sparkasse als Sponsor von ihren stolzen Eltern begleitet. Bemerkenswert: Vater wie Mutter des Professors sind inzwischen 90.
Der Weg von Peter Schäfer, der den mit 3000 Euro verbundenen Hauptpreis erhält, führte von Mülheim aus weit weg und hoch hinaus: Er lehrte an der Freien Universität Berlin, als Gast u.a. in Jerusalem und Yale, er arbeitet an der amerikanischen Princeton University. Neben Englisch spricht er Hebräisch fließend, als Spezialist der Judaistik-Forschung für die Zeit der Antike und des frühen Mittelalters.
Veröffentlicht hat der Wissenschaftler dermaßen fleißig, dass sein Gesamtwerk selbst für Fachkollegen schwer zu überblicken ist – wie Prof. Peter Kuhn, selbst Judaistik-Professor, in seiner Laudatio bekannte. Einige der Arbeiten könnten „wohl nicht mehr übertroffen werden”, das bezieht er sowohl auf ihren Umfang als auch auf die Qualität.
Peter Schäfers Verdienst sei, so der Lobredner, die jüdischen Studien in Deutschland neu begründet zu haben, denen die Nazi-Zeit einen „furchtbaren Schlag” versetzt habe. Dies war ausdrücklich auch ein Grund, warum ihm der zuständige Ausschuss den Ruhrpreis zuerkannte.
„Ich bin Mülheim immer verbunden gewesen”, erklärte der geehrte Gelehrte – u.a. auch schon Leibniz-Preisträger – als er dann selber am Rednerpult stand. Er verbinde mit seiner Heimatstadt: die Landschaft, insbesondere die Ruhr, „und die Stadthalle, wo ich als Schüler Wagners Lohengrin hörte. Hören musste.” Musik, für die er damals noch zu jung gewesen sei.
Blumen für die Klavierlehrerin
Mit Musik, der er offenkundig schon gewachsen ist, einem Satz aus Haydns Klaviersonate C-Dur, hatte der zweite Preisträger die Feierstunde eröffnet. Als der Flügel verstummt war und die Oberbürgemeisterin das Wort ergriff, fand sie, dass Matthias Hegemann „eigentlich keine Laudatio mehr bräuchte”.
Der junge Pianist erhielt sie dann doch: Prof. Franz Xaver Ohnesorg, Intendant des Klavier-Festivals Ruhr, gab dem Zwölfjährigen großväterliche Ratschläge, darunter den, sich weiterhin auch zeitgenössischer Musik zu widmen, Sport zu treiben, am besten im Team, und seinen „Reichtum” mit anderen zu teilen: „Man hat die Pflicht, auch solchen Menschen zu helfen, die nicht zum Konzertpublikum gehören.”
Matthias Hegemann, der sich mit heller Kinderstimme bedankte, teilte zumindest schon einmal mit seiner Klavierlehrerin Kumiko Hokama-Kischkat: Ihr drückte er seinen Blumenstrauß in den Arm. „Sie hat so viel für mich getan.”
So jung wie Matthias Franziskus Hegemann, wie der Knabe mit vollem Namen heißt, bekam noch niemand den Förderpreis. Der gerade Zwölfjährige, der mit seinen Eltern in Mülheim lebt und mehrfach bei „Jugend musiziert” sowie anderen Nachwuchswettbewerben erfolgreich war, ist am Piano auf der Überholspur unterwegs. So spielte er bereits 2006, im Rahmen des Klavier Festivals Ruhr, in der Essener Philharmonie.
Die Aufzeichnung dieses Auftritts trug mit dazu bei, dass ihn Star-Pianist Lang Lang im April 2009 in das internationale Stipendienprogramm seiner persönlichen Stiftung aufnahm. Am 14. Juni 2010, der ein aufregender Tag für Familie Hegemann werden dürfte, wird Matthias erneut beim Klavier Festival Ruhr auftreten, diesmal im selben Konzert wie Lang Lang, und eventuell spielen sie sogar vierhändig.
Das Nachwuchstalent, dessen Mutter an der Musikschule Neukirchen-Vluyn Gesang und Blockflöte unterrichtet, begann als Vierjähriger am Klavier. Matthias übt „eine bis anderthalb Stunden pro Tag”, derzeit für die Aufnahme in ein Hochbegabtenprogramm an der Musikhochschule Köln. Ende Januar wird er geprüft.
Mit 2500 Euro ist der Mülheimer Förderpreis dotiert – viel Geld für ein Kind. Es wird gespart, um ihm eines Tages einen Steinway-Flügel kaufen zu können. Weihnachtswünsche hat Matthias dagegen keine geäußert: „Ich lasse mich lieber überraschen.”
Auszeichnung seit 1962
Seit 1962 wird der Ruhrpreis für Kunst und Wissenschaft der Stadt Mülheim an der Ruhr jährlich verliehen, an „hervorragend Begabte”, die „durch Leben oder Werk” mit der Stadt verbunden sind. Im vergangenen Jahr beispielsweise war dies Christoph Schlingensief. Der Preis, meist ergänzt um einen oder zwei Förderpreise, wird durch den Betriebsausschuss Kulturbetrieb vergeben, jeweils für das Vorjahr diesmal also für 2008.