Mülheim. Nach Zugausfällen und Einsatz von alten Wagen muss privates Nahverkehrsunternehmen Abellio bis 14. Juni wieder nach vereinbartem Plan fahren.
Seit Tagen fahren bereits Busse durch die Stadt mit der Anzeige „Schienenersatzverkehr S 3“. Sie sind nur der spärliche Ersatz für ausgefallene S-Bahn-Züge zwischen Oberhausen, Mülheim, Essen und Hattingen.
Nach Oberhausen können Eisenbahnnutzer auf die Straßenbahn der Linie 112 umsteigen, Richtung Essen fahren auch andere Züge. Aber nach Hattingen oder gar nach Wuppertal mit dem RE 49 sieht es mau aus. Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) hat jetzt die Notbremse gezogen und dem Verkehrsunternehmen Abellio eine Abmahnung ins Depot geschickt. Bis spätestens 15. Juni muss die Linie S 3 wieder im vereinbarten Takt mit modernen Zügen fahren, lautet die klare Ansage.
Der stark eingeschränkte Betrieb auf der Bahnlinie S 3 wurde inzwischen zum Politikum: Frank Müller, SPD-Landtagsabgeordneter aus Essen, kritisierte scharf das private Eisenbahnunternehmen Abellio. Er erwarte, dass Abellio die mit dem VRR vertraglich vereinbarten Leistungen unverzüglich erfülle und die Fahrgäste nicht länger mit „völlig unangemessenen Ersatzangeboten abspeist“. Seit dem Fahrplanwechsel im Dezember sei für die Kunden „nichts besser, dafür aber vieles schlechter geworden.“
Lokführer sind noch in der Ausbildung
Bis Dezember 2019 fuhren jeweils drei Züge pro Stunde auf der Strecke von Oberhausen über Mülheim und Essen bis nach Hattingen. Seit dem Fahrplanwechsel sind es regulär zwei im 30-Minuten-Takt. Aktuell fahren die Züge nur noch unregelmäßig oder als Busse.
Das private Eisenbahnunternehmen Abellio hatte den Betrieb auf der Linie S 3 neben anderen Strecken nach einer öffentlichen Ausschreibung des VRR gewonnen, aber erst zum 1. März von der Deutschen Bahn übernommen. Lokführer seien noch in Ausbildung, das Personal müsse sich erst mit neuen Zügen vertraut machen. Damit erklärte Abellio auch die teils erheblichen Störungen auf anderen Linien, etwa dem RE 49.
Alte Wagen von Subunternehmen eingesetzt
Auf der Linie S 3 setzte Abellio erst gar keine eigenen Züge ein, sondern bestellte Ersatz beim Eisenbahnunternehmen TRI. Dieses Subunternehmen fährt mit alten, nicht barrierefreien Wagen aus den 1960er Jahren. Senioren und Menschen mit körperlichen Einschränkungen können diese nur mit Mühe oder gar nicht nutzen.
Die Verantwortlichen beim VRR sind äußerst unzufrieden mit den nicht erbrachten Leistungen von Abellio. „Das ist völlig inakzeptabel“, sagt Dino Niemann, stellvertretender Pressesprecher beim VRR. Darum gab es jetzt die schriftliche Abmahnung an das Nahverkehrsunternehmen, welches vor Jahren mit Lob und modernen Fahrzeugen die Gleise des Ruhrgebietes eroberte.
Corona-Krise hat die angespannte Personallage laut Abellio verschärft
Zusätzliche Lokführer kommen
Abellio arbeitet jetzt „mit Hochdruck an betrieblichen Konzepten“. Bald sollen mehr Personal einsatzbereit sein sowie zehn Leih-Triebfahrzeugführer die aktuellen Engpässe überbrücken. Um die Ausbildung zu beschleunigen, konnte Abellio zusätzliche Ausbilder von Schwesterunternehmen holen.
Alle Verbesserungen liefen in Absprache mit dem VRR. Möglichst bald sollen die S 3 und der Re 49 wieder nach Plan fahren. „Wir können die Verärgerung über unsere Leistung absolut nachvollziehen. Für diese Schlechtleistung können wir uns nur entschuldigen“, sagt Abellio-Sprecherin Julia Limia y Campos.
Aber die alte Deutsche Bahn und weitere private Verkehrsunternehmen konkurrieren heute im harten Wettbewerb um Strecken, Kunden und Fahrpersonal. Laut Abellio hat die Corona-Krise die angespannte Personallage weiter verschärft. So habe das Unternehmen die Ausbildung der Lokführer zeitweise aussetzen müssen. Mittlerweile wurden die Schulungen wieder aufgenommen, erklärte Abellio-Sprecherin Julia Limia y Campos.
Am 4. Mai habe Abellio dem VRR bekannt gegeben, „dass es auf lange Sicht nicht in der Lage ist, seine verkehrsvertraglichen Verpflichtungen bei den Linien der S-Bahn Rhein-Ruhr nachzukommen“, heißt es aus der VRR-Zentrale. Danach gab es mehrere Krisengespräche auf Geschäftsführerebene, mit der klaren Ermahnung und Aufforderung an Abellio, „schnellstmöglich alle Maßnahmen zu ergreifen, um die verkehrsvertraglichen Leistungen in einem ausreichenden Maß erfüllen zu können“.
Schnell den Kundenservice verbessern
Kunden leiden unter Wettbewerb
Ob Abellio die vom Verkehrsverbund Rhein-Ruhr gesetzten Fristen für einen fahrplantreuen Kundenservice einhalten kann, ist bisher offen. Auch andere private Nahverkehrsanbieter leiden unter Personalmangel. Der freie Wettbewerb auf der Schiene hat für Kunden leider auch Nachteile gebracht.
Neue, komfortable Züge liefern die Hersteller oft zu spät. Die Technische Aufsichtsbehörde braucht viel Zeit für die Zulassung der neuen Fahrzeuggenerationen. Die Deutsche Bahn hilft nur gegen gute Bezahlung mit Fahrzeugen und Personal aus, weshalb günstigere Anbieter einspringen oder Züge ausfallen.
Wegen Personalmangels hat Abellio auf massive Einschränkungen und Ausfälle, die länger dauern, hingewiesen. Der Besteller der Fahrleistung, der VRR, will diese Einschränkungen für die Fahrgäste jedoch nicht mittragen. Der VRR dringt jetzt auf „schnellstmöglich erkennbare Verbesserungen und volle Erfüllung der Vertragspflichten“.
Daher soll die S 3 bis spätestens 14. Juni wieder nach vereinbartem Plan fahren. Die Schonfrist für den RE 49 läuft am 30. Juni ab. „Wir erwarten, dass für die Fahrgäste das anhaltend schlechte Angebot auf der Schiene schnell und nachhaltig verbessert wird“, sagt VRR-Vorstandssprecher Ronald R. F. Lünser.