Mülheim. Am Muttertag dürfen Menschen in Pflegeheimen endlich wieder Besuch bekommen. So rüsten sich die Mülheimer Häuser für das große Wiedersehen.

Fast zwei Monate lang durften Pflegeheim-Bewohner keinen Besuch bekommen. Viele haben sehr darunter gelitten. Pünktlich zum Muttertag öffnen sich die Häuser ganz vorsichtig wieder. Für die Mitarbeiter bedeutet das große Verantwortung und jede Menge Arbeit.

Die Corona-Schutzauflagen sind hier besonders streng. Drei Wochen haben die Einrichtungen Zeit, um ein Besuchs- und Hygienekonzept zu entwickeln. Sie müssen es der städtischen Heimaufsicht vorlegen. Was die Seniorenheime am allerwenigsten gebrauchen können, ist ein Ansturm von Gästen. Den versuchen sie nach Kräften zu vermeiden.

Städtische Heime haben alle Angehörigen persönlich angerufen

So wurden bei den drei städtischen Altenheimen mit insgesamt rund 380 Plätzen alle Angehörigen persönlich angerufen, berichtet Alexander Keppers, Geschäftsführer der Mülheimer Seniorendienste. "Wir haben Zeitfenster eingerichtet, damit nicht alle auf einmal kommen." Im Haus Kuhlendahl beispielsweise haben sich jetzt 42 Besucher für den Muttertag angemeldet. Jeder einzelne muss sich am Eingang in eine Liste eintragen, erhält Kittel und Mundschutz.

Die städtischen Seniorenheime verstärken am Sonntag ihr Personal im Empfangsbereich. "Wir finden, der Muttertag ist kein geeigneter Termin, um Besuche erstmals wieder möglich zu machen", kritisiert Keppers die Zeitplanung des Gesundheitsministeriums. "Denn am Wochenende sind die Schichten nicht so gut besetzt. Das ist organisatorisch sehr schwierig."

Kritik: "Extra Personal bekommen wir für die Kontrollen nicht"

Zumal kein Besucher frei im Haus herumlaufen darf. Sie werden zum Zimmer begleitet und anschließend zurück zum Ausgang. Keppers betrachtet die vorsichtige Öffnung "mit gemischten Gefühlen". Man müsse damit rechnen, dass die Pandemie noch länger dauert. Man müsse Wege finden, um Besuche möglich zu machen. "Aber letztlich bleibt alles an uns hängen. Extra Personal bekommen wir für die Kontrollen nicht."

Auch Oskar Dierbach, Pflegedienstleiter der evangelischen Häuser Ruhrgarten und Ruhrblick, kritisiert, dass die komplette Verantwortung den Einrichtungen übertragen wird. Jede muss ein eigenes Besuchskonzept erstellen und mit der Heimaufsicht abstimmen. "Besser wäre es gewesen, das Ministerium hätte eine Blaupause entwickelt, an der sich alle orientieren können." Generell sei die Kommunikation des Gesundheitsministeriums mit der Pflege "eine Frechheit", so Dierbach, "eine Unverschämtheit".

Haus Ruhrgarten lässt Gäste nur ausnahmsweise auf die Zimmer

Im Haus Ruhrgarten sollen Begegnungen auf den Zimmern die Ausnahme bleiben - nur für bettlägerige Bewohner. "Wir wollen den Kernbereich der Einrichtung nicht mit Besuchern überfluten", sagt Dierbach. Für alle, die mobil sind, finden die Treffen im Parterre statt. Die Senioren bleiben im Haus, ihre Gäste im Freien (geschützt durch Pavillons oder Schirme), bei geöffneten Fenstern und Türen. Sehr lang war die Pause, in der die Bewohner ihre Lieben nicht gesehen haben. Verteilt auf vier Tage sollen jetzt alle die Möglichkeit bekommen, Besuch zu empfangen.

Auch die evangelischen Wohnstifte Dichterviertel und Raadt empfangen ab Sonntag wieder Gäste, allerdings nur nach Terminvereinbarung und mit Schutzmaßnahmen, über die die Einrichtungen auf ihren Internetseiten ausführlich informieren.

Wohnstift Uhlenhorst bleibt nach Corona-Fällen weiterhin geschlossen

Als einziges Altenheim in Mülheim bleibt das Wohnstift Uhlenhorst vorerst für Besucher geschlossen. „Aktuell haben wir noch eine Bewohnerin, die positiv auf Covid-19 getestet wurde“, erklärt Einrichtungsleiterin Gudrun Gross. Solange nicht alle nachweislich gesund sind, darf kein Besuch kommen.

Kritisch zur neuen Regelungslage äußert sich Nils B. Krog, Vorstand der evangelischen Stiftung, die die drei Wohnstifte trägt. Zwar sei es "schön und wünschenswert, dass Bewohner nun wieder Kontakt zu ihren Angehörigen haben können. Aber wir halten diese Lockerungen für überstürzt.“ In so kurzer Zeit seien die Maßnahmen schwer umzusetzen.

"Viel schlimmer als der Aufwand sind für uns aber die Risiken", ergänzt Krog. Er gebe reichlich Beispiele, welche schwerwiegenden Konsequenzen ein Ausbruch in einem Pflegeheim haben kann. "Wir sind in großer Sorge, ob wir unter diesen Bedingungen den Schutz unserer Bewohner und Mitarbeitenden aufrechterhalten können.“

"Terrassenbesuche" im Franziskushaus

Ein Drinnen-draußen-Modell wird im Seniorenstift Franziskushaus praktiziert, in dem 116 alte Menschen leben. Mit "Terrassenbesuchen" hat das katholische Pflegeheim die einsamen Wochen überbrückt: Die Bewohner werden auf die Terrasse gebracht, die Angehörigen müssen auf dem Gehweg bleiben, aber man kann miteinander reden. Inzwischen wurde die Konstruktion noch verfeinert, berichtet Einrichtungsleiterin Jennifer Lützenburg. Spuckschutz wurde verbaut und eine kleine Holzhütte errichtet, damit niemand im Regen steht.

"Neu ist, dass Besuch ab Sonntag wieder ins Haus kommen kann, auch direkt in die Zimmer, wenn es aus medizinischen oder ethischen Gründen nicht anders geht. Darauf bereiten wir uns jetzt vor", so Lützenburg. Bei den schwer pflegebedürftigen, bettlägerigen Menschen schaut am Sonntag erstmals wieder Angehörige durch die Tür. "Sie sind voller Vorfreude."

BESUCH IM PFLEGEHEIM - DIESE REGELN GELTEN

Besuch von maximal zwei Personen ist erlaubt, höchstens zwei Stunden lang.

Treffen möglichst im Außenbereich oder in separaten Räumen.

Bettlägerige Bewohner dürfen in ihrem Zimmer besucht werden, aber nur von einer Person. Diese muss Schutzmaske und Kittel tragen.

Gäste werden registriert und einem Kurzscreening unterzogen (gefragt wird u.a. nach nach Kontakten zu Covid-19-Erkrankten und Erkältungssymptomen).