Mülheim. „Komm raus, Helge!” schallte es aus dem ausverkauften Theatersaal der Mülheimer Stadthalle. Kurz darauf öffnete sich der rote Samtvorhang und zu dezentem Gitarrenspiel betrat zuerst ein barock gekleideter Kammerdiener die Bühne, im Anschluss Komiker Helge Schneider höchstselbst.
An diesem Freitagabend ohne verrücktes Kostüm, sondern schick im beigefarbenen Anzug mit scharlachrotem Einstecktüchlein – und großem Pflaster am Kinn. Er habe sich beim Rasieren geschnitten, lautete die Erklärung. Eine Behinderung stellte dies aber keineswegs dar: Das Publikum konnte sich von Beginn an vor Lachen kaum halten.
Gleich zu Beginn präsentiert Schneider sein unbestrittenes Können am Klavier, mit einem wilden Querschnitt aus Stücken von Queen bis Beethoven. Kommentar Schneider: „Verzeihung, ich schwoff ab.” Für eine Millisekunde stimmte er auch seinen Hit „Katzenklo” an, aber weiter als bis zur Silbe „Katz. . .” schien die Lust nicht zu reichen. Das Stück ist ja auch wirklich jedem zur Genüge bekannt.
Klamauk der feinen Sorte
Statt dessen verwöhnt der Komiker die Zuschauer mit Klamauk der feinen Sorte: Es ging vom Vorlesen aus „Wendy”, dem Magazin für alle pferdeliebenden Mädchen, weiter zu schrägem Flötenspiel oder witziger Interaktion mit dem barocken Kammerdiener Bodo Österling alias „Haydn”, der dem Komiker Hagebuttentee servierte.
Nach und nach holte Helge Schneider die Mitglieder seiner Band auf die Bühne: Gitarrist Sandro Giampietro, den brillanten Schlagzeuger Pete York (bekannt aus dem Film „Jazzclub”), Pianist Jochen Bosak und den charismatischen Kontrabassisten Rudi Oibrich. Gemeinsam gaben sie eine köstlich schneideresk überzogene Bluesnummer zum Besten. „I have the Blues”, seufzte Helge ins Mikro, trotzdem wollte im Publikum keine niedergedrückte Stimmung aufkommen. „Da muss man unwillkürlich Humor haben”, kommentierte Schneider augenzwinkernd. Vom instrumentalen Jazzstandard „Sophisticated Lady” bis zum Nonsenslied „Fitze Fitze Fatze” (mit beeindruckendem Vibraphonsolo) reichte das Schneidersche Repertoire.
Und dann war das Feuerzeug doch kaputt
Vor der Pause gab es dann noch ein typisches Kammerstück: In einer Kanone wollte Helge den in silbrige Alufolie gehüllten Komiker Sergej Gleitmann – angeblich „in Russland sehr bekannt unter dem Namen Gagarin junior” – durch die Stadthallenvertäfelung jagen. „Bis hin zum Wasserturm!” Mehrmals ließ er das Publikum den Countdown mitzählen – um am Ende festzustellen, dass sein Feuerzeug kaputt sei. „Von der Schule ist er, glaube ich, geflogen”, kommentierte Schneider schulterzuckend und gab Gleitmann stattdessen kurzerhand ein Saxofon in die Hand. Statt Kanonenschuss gab es nun „Fly me to the Moon”.
Dann plauderte der Komiker aus dem Nähkästchen: Bekannte, die er seit Jahrzehnten nicht gesehen habe, hätten sich an ihn gewandt: „Hömma Helge, ich hab gehört du spielst heut inner Stadthalle, haste da nicht noch Karten?” Doch er ist ja nicht so: „Hab ich natürlich gemacht.” Und alle die, auf diesem oder anderem Wege Karten ergattern konnten, dürften sich gefreut haben: Pete York begeisterte mit dem Schlagzeugspiel auf einem Pappkarton, einem furiosen, mehrminütigen Drumsolo und dem selbstgesungenen Song „Blueberry Hill”, Schneider gab das bekannte Lied „Es hat gefunkt bei mir” zum Besten, inklusive wilder Tanzeinlagen irgendwo zwischen Schwanensee und Michael Jackson, und ein wenig bissig wurde er dann auch: „Ich hab aus dem Fenster geguckt, da wird 'n schöner Hafen gebaut . . . da werd ich dann mal 'n schönes Hafenkonzert geben.”
Geschmackssache
Helge Schneiders Auftritte ist sicher Geschmackssache. Aber das zeigt ja schon, dass er eine Komik abseits des Mainstreams wagt und auch vor clownesken Einlagen – wie sie Comedians der neueren Generation gar nicht in den Sinn kommen würden – nicht zurückschreckt. Sei es der Watschelgang, die nasale Sprechweise oder kleine Sketcheinlagen, wie das Herumscheuchen des Kammerdieners Bodo: Das Publikum bedankt sich dafür mit Gelächter. Seinen Heimvorteil muss Helge in seiner Heimatstadt Mülheim nicht nutzen – er ist, egal wo, einfach nur lustig. Und natürlich irgendwie verrückt - was ja bekanntlich von „genial” nicht so weit entfernt ist.