Mülheim. Das Arztgespräch per Video wird in Mülheimer Praxen in Corona-Zeiten verstärkt genutzt. Viele Patienten und Mediziner schätzen diese Möglichkeit.
Digitale Kommunikationsformen haben in Corona-Zeiten Konjunktur. Auch beim Haus- oder Facharzt. Einige Mülheimer Praxen nutzen bereits erfolgreich Online-/Videosprechstunden, wofür Patienten nur ein Smartphone oder Tablet benötigen. Das digitale Arztgespräch dürfte auch nach Corona bleiben, schätzen viele Ärzte. Denn es schützt in dieses Tagen nicht nur vor einer möglichen Ansteckung, es spart auch Zeit für den Weg zum Arzt.
Befunde besprechen, Therapien abstimmen, Symptome für eine erste Diagnose schildern: Dazu muss man bei Dr. Simone Koch-Heyl nicht unbedingt in die Praxis kommen. Die Mülheimer Internistin und Phlebologin mit einer hausärztlichen Praxis nutzt Videosprechstunden seit Mitte März, also seit dem Beginn der Corona-Krise.
"Wir machen das gezielt, um zu vermeiden, dass Leute mit Infekten kommen", sagt sie, und denkt dabei an unkomplizierte Erkältungskrankheiten oder Magenverstimmungen. Rezepte oder auch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung werden bei Bedarf per Post verschickt. Das sei, betont Dr. Koch-Heyl, alles gesetzlich abgesichert. Mal eine positive Begleiterscheinung der Pandemie, so Dr. Koch-Heyl, die schätzt, dass diese Möglichkeiten noch weiter ausgebaut werden.
Mülheimer Patienten können sich im virtuellen Wartezimmer anmelden
Auch für die virtuelle Sprechstunde braucht man einen Termin. Der wird bei Dr. Koch-Heyl telefonisch vereinbart, manche Praxen bieten auch das voll digital an. Dann wird ein Link samt verschlüsseltem Zugangscode verschickt, und der Patient kann sich im virtuellen Wartezimmer anmelden, ohne ein Programm, eine App laden zu müssen. Frau Doktor steht kurze Zeit später für die Video-Sprechstunde zur Verfügung. Landärzte hätten dieses Angebot schon länger verwendet, schätzt Koch-Heyl, "in der Stadt wurde es bisher noch kaum genutzt."
Die Auflösung der geräteeigenen Kameras sei so gut, dass Simone Koch-Heyl auch Augenentzündungen und veränderte Hautstellen gut erkennen kann. Sogar geschwollene Mandeln: "Das wäre auch nicht viel anders gewesen, wenn der Patient mir gegenüber gesessen hätte."
Der Besuch beim Arzt wird durch eine Videosprechstunde natürlich nicht überflüssig: "Es geht ja nicht um langfristige Erkrankungen, sondern vor allem um solche, wo keine große Therapie nötig ist." Die Schweigepflicht ist auch im virtuellen Sprechzimmer gegeben, wo Ärztin und Patient unter sich sind.
Für psychotherapeutische Gespräche wird die Onlinesprechstunde genutzt
Die hausärztliche Praxis von Magdalene Eberstein hat die Online-Sprechstunde vor einigen Wochen eingeführt. Die Mülheimer Ärztin nutzt diese vor allem für ihre psychotherapeutischen Patienten intensiv. "Auch akute und Erstgespräche in der Psychotherapie können so stattfinden", sagt Magdalene Eberstein. "Es wird sehr gut angenommen", so ihre persönliche Erfahrung. "Auch meine älteren Patienten kommen gut durch die technischen Prozesse." Sie sieht hier eine Chance, beruflich neue Wege zu gehen, und erinnert daran, dass die ursprüngliche Begrenzung für Onlinesprechstunden durch die Krankenkassen vorerst bis Ende Juni aufgehoben sei.
Auch Fachärzte nutzen in Mülheim die Online-Sprechstunde, und das nicht erst seit der Corona-Krise. Der Orthopäde Dr. Peter Weih bespricht schon seit dem letzten Sommer Laborwerte, Röntgenbilder, MRT- oder CT-Befunde in der Video-Sprechstunde mit seinen Patienten. Auch den Heilungsverlauf einer OP-Narbe, die der Arzt schon mal persönlich gesehen hat, gibt die Kamerafunktion seines Programms gut wieder, so Dr. Weih. "Von den Patienten wird das sehr gut angenommen." Unabhängig von der Corona-Krise verkürzen Onlinesprechstunden Wartezeiten und sparen Anfahrtskosten, so Weih. "Man kann Patienten beispielsweise auch ein MRT direkt am Bildschirm erklären oder etwas an einem Gelenkmodell zeigen."
Onlinesprechstunden verkürzen Wartezeiten und sparen Anfahrtskosten
Bereits seit zwei Jahren nutzt der Mülheimer Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. Slavomir Biedron die Online-Sprechstunde, um Befunde "ohne die Anwesenheit des Patienten in der Praxis mit ihm durchzugehen". Gerade für Patienten mit sehr weiter Anreise sei das bequem. Bei sprachlichen Hürden sei es in einer Videokonferenz auch möglich, Angehörige oder einen Übersetzer mit hineinzuholen, "damit keine Informationen verloren gehen". Biedron schätzt, dass die Patienten dieses Angebot auch in Zukunft nutzen werden.
In beiden Facharzt-Praxen ist, wie anderswo auch, die Zahl der Videosprechstunden in den letzten Wochen deutlich angestiegen. In den meisten Praxen liegt die Zahl der Videogespräche mit Patienten derzeit aber noch unter zehn täglich. Noch ausbaufähig, meint nicht nur Dr. Simone Koch-Heyl. Sie würde sich vor allem wünschen, dass in Senioreneinrichtungen verstärkt hauseigene Tablets oder Handys zur Verfügung stünden, um den Video-Kontakt zwischen Bewohnern und Hausärzten zu fördern.
KRANKENHÄUSER BIETEN VIDEO-SPRECHSTUNDEN AN
Das Evangelische Krankenhaus Mülheim bietet Endoprothetik-Sprechstunden auch per Video an für Patienten, die ein künstliches Gelenk benötigen. Terminvereinbarungen unter 0208-3092430. Eine Überweisung des Facharztes ist allerdings nötig.
Das katholische St. Marien-Hospital ist gerade dabei, ein solches Video-Angebot zu etablieren. Der Mutterkonzern Contilia arbeitet bereits mit Video-Sprechstunden.