Mülheim. Das Veranstaltungsverbot in Corona-Zeiten trifft auch viele Mülheimer Musiker hart, Sie können keine Konzerte geben und nur online unterrichten.
Gitarrist Klaus Vanscheidt wollte in diesen Wochen zusammen mit Metallsängerin Doro Pesch auf Tour gehen, Trommler Thomas Kahle sollte mit seiner Gruppe "Sambakowski" bei der Eröffnung der Ruhrsfestspiele am 1. Mai mitmischen. Doch daraus wird nichts. Konzerte und Tourneen gehen in Corona-Zeiten gar nicht mehr. Die Einnahmeausfälle durch das Veranstaltungsverbot bedrohen viele Musiker - auch aus Mülheim - in ihrer Existenz.
Mülheimer wollte mit Duo-Partner auf Tour gehen
Peter Kroll-Ploeger kann noch froh sein: Seine neue CD ist schon im Januar rausgekommen, und gleich danach hat er einige Release-Konzerte geben können. Da war Corona noch kein Thema. Einen Strich durch die Rechnung macht das Virus ihm aber aktuell. Mit Georg Göbel-Jakobi, alias Ozzi Ostermann von Knebels Affentheater, hatte er als Duo eine kleine Tour geplant. "Die fällt aus. Ob wir sie nachholen können, ist fraglich. Alle wollen ja jetzt verschieben", sagt der Mülheimer Gitarrist und Bassist.
Auch Detlef Neuls, meist mit Akustik-Gitarre unterwegs, hat gleich mehrere Auftritte absagen müssen, hofft, dass wenigstens ein Konzerttermin im September in der Freilichtbühne gerettet werden kann. Aber nicht nur die Live-Konzerte brechen den Musikern weg. Viele unterrichten auch - und können das seit Mitte März nicht mehr. "Ich gebe Kurse an der VHS, die laufen ja jetzt nicht. Und bezahlt bekomme ich nur Stunden, die ich auch wirklich gegeben habe", berichtet er.
Gestresste Eltern freuen sich über Online-Unterricht
Weg fällt für ihn auch der Unterricht an einer Essener Gesamtschule und an der Folkwang Musikschule, die allerdings ihre Instrumentallehrer (noch) bezahlt. Schüler aus der Mülheimer Waldorfschule leitet er mittlerweile online an - über Skype oder Facetime. Eine Notlösung, die viele private Musikschulen und Musiklehrer gerade nutzen.
Gitarrist Klaus Vanscheidt, der an mehreren privaten Musikschulen tätig ist, nutzt Online-Kanäle für den Einzelunterricht - mit Hilfe von Videokonferenzen sei sogar Ensemblearbeit möglich. "Fast alle Schüler nehmen das auch wahr. Und die gestressten Eltern freuen sich, wenn der Gitarrenlehrer anruft und ihre Kinder für eine Stunde beschäftigt", erzählt er. Durch virtuelle Angebote könne man halbwegs existieren. "Denn durch die fehlende Konzerttätigkeit fallen wirklich große Beträge weg."
Gutscheine für Unterrichtsstunden in der Zukunft
Das erfährt auch Percussionist Thomas Kahle, der aktuell mehrere Konzertauftritte, aber auch Workshops und einen Bildungsurlaub canceln musste. "Außerdem hatte ich mir gerade ein neues Standbein aufgebaut - Team-Events für Firmen. Die wurden jetzt alle abgesagt und neue werden nicht gebucht."
Um sich über Wasser zu halten heckte er Kahle einen Plan aus. "Ich habe unter dem Motto ,Support your local drummer' Gutscheine angeboten - für Unterrichtsstunden in der Zukunft. Viele akutelle und ehemalige Schüler haben auch welche gekauft, das hilft mir in dieser schwierigen Zeit sehr", erklärt er dankbbar.
Schüler von Saarner Musikschule kündigen nicht
Die Musikschule Saarn kaufte gleich sechs Gutscheine à 50 Euro, die sie an Schüler weitergeben will. "Von unseren rund 180 Schülern haben nur wenige gekündigt, sie zahlen ihren Monatsbeitrag weiter. Das hat mich so gerührt, dass ich meinerseits einen Mülheimer Musiker unterstützen wollte", sagt Schulleiter Jörg Rosomm. An seinem Institut unterrichten von 18 Instrumentallehrern derzeit 13 online. "Das ist anstrengend, aber es läuft."
Von den staatlichen Hilfen konnten nur wenige Musiker profitieren, der NRW-Topf "2000 Euro-Soforthilfe für Künstler" beispielsweise war schnell leer. "Es gab 17.000 Anträge und nur 3.000 wurden bewilligt, dann war das Geld weg", weiß Detlef Neuls. Auch das Hilfspaket für Solo-Selbstständige war nicht auf die Situation der Musiker zugeschnitten. Ob und wie seitens Land oder Bund weiter nachgelegt wird, ist offen.
Grundeinkommen für Künstler auch in NRW erwünscht
Es gebe sogar die Empfehlung, dass Musiker in Not ALG II beantragen sollen. "Aber wir sind ja nicht arbeitslos, sondern dürfen nur nicht arbeiten", sagen sie und finden auch: "Die Grundsicherung sollte für die Leute sein, die wirklich darauf angewiesen sind." Außerdem könne man als Hartz IV-Bezieher fast nichts dazuverdienen - also auch keine (möglichen) Musikstunden erteilen.
Wachsamen Auges schaut man nach Süddeutschland. "In Bayern wird jetzt vorübergehend ein Grundeinkommen für Künstler von 1000 Euro im Monat ausgezahlt, in Baden-Würtemberg ist das im Gespräch", weiß Detlef Neuls zu berichten. Das wäre auch eine gute Option für NRW, findet er. Dass in der Corona-Krise noch mehr getan werden muss für Kulturschaffende, betonen die Mülheimer Musiker. "Wir stehen immer am Ende der Reihe, werden wenig gewertschätzt", meint Thomas Kahle. Und Klaus Vanscheidt fürchtet: "Wenn das noch lange weiter geht mit Corona, dann wird es irgendwann nichts mehr geben an Kultur."
Informationen im Netz
Informationen zu Hilfen für Künstler gibt es im Internet etwa unter https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/hilfen-fuer-kuenstler-und-kreative-1732438 oder https://www.mkw.nrw/FAQ_Sofortprogramm oder www.nrw-lfdk.de
Neben den Hilfsprogrammen gibt es Möglichkeiten, (einige wenige) Kosten zu sparen – etwa die Beiträge bei der Künstlersozialkasse oder die Steuervorauszahlungen zu senken.
Ein Tipp: Wer einen Musiker unterstützen möchte, kann zum Beispiel jetzt online (oder demnächst im Laden) eine CD von ihm kaufen oder seine Lieder mehrfach am Tag auf Spotify zu hören (bringt kleinen Ertrag).