Mülheim. Neue Parteien und OB-Kandidaten müssen Unterschriften sammeln. Durch das Corona-Kontaktverbot wird das für einige in Mülheim schwierig.
Wenn auch die lokale Politik – wie viele andere – derzeit Stubenarrest hat, für neue Parteien und Oberbürgermeisterkandidaten setzt der Coronavirus hohe Hürden. Und ganz nebenbei auch für die Demokratie: Denn um in den politischen Wettbewerb gehen zu können, müssen noch nicht in Parlamenten etablierte Parteien wie der BAMH und Die Partei Unterschriften bei den Bürgern sammeln. Wie aber geht Wahlkampf auf Abstand – wenn man sich nicht treffen darf?
Die Haltung des NRW-Innenministeriums ist dabei wenig hilfreich: In einem Schreiben vom 19. März an die Kommunen hält es Düsseldorf zwar „für dringend geboten, die Durchführung der Aufstellungsversammlungen bis zum Ende der Osterferien auszusetzen“. Doch an den Auflagen für Parteien, die in der aktuellen Legislatur des Rates der Stadt nicht durchgehend vertreten waren, rüttelt es nicht.
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Politische „Neulinge“ müssen bis 16. Juli Unterschriften einreichen
Um sich für die Kommunalwahl aufstellen zu dürfen, müssen etwa Die Partei, der BAMH und das Bündnis für Bildung sowohl in jedem der 27 Wahlbezirke der Stadt als auch für die drei Bezirksvertretungen Unterstützungsunterschriften sammeln.
Bis zum 16. Juli müssen die betroffenen „Neulinge“ ihre Unterschriften und Listen eingereicht haben. Auch Oberbürgermeister-Kandidaten müssen solche Bürgerautogramme sammeln. „Der zur Verfügung stehende Zeitrahmen ist aus wahlrechtlicher Sicht noch unbedenklich“, meint das Ministerium.
Schwierigkeiten, wenn Kontaktsperre bis Mai andauert
Würde die Kontaktsperre am 20. April aufgehoben werden, sieht auch der unabhängige Kandidat Jürgen Abeln darin noch kein Problem, die notwendigen rund 270 Zustimmungen zu bekommen. Selbst wenn er bereits einige werbewirksame Treffen etwa mit dem ADFC und dem Stadtelternrat aus seinem Kalender streichen musste, weil sie ausfielen.
Wenn allerdings die Sperre andauert – vielleicht sogar bis Ende Mai und länger – muss der 44-jährige Wirtschaftsinformatiker auf digitale statt analoge Bürgerbesuche umstellen. „Die Stadt prüft, ob die Mülheimer die Listen selbst ausdrucken, unterschreiben und mir postalisch oder als Scan per E-Mail zuschicken können.“
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Die Partei und der BAMH müssen Unterschriften sammeln
Herrscht nun auch Bettruhe für die Demokratie? „Natürlich erschweren uns die Regelungen unsere Arbeit besonders während der Corona-Krise – und nicht nur, weil das Klopapier knapp wird“, unkt der Vorsitzende von „Die Partei“, Dominik Messink. Der Neuling auf dem Politparkett sprühte zwar reichlich mit satirischem Feuerwerk, doch muss auch er sammeln gehen.
„Parteien, die bereits im Rat rumgammeln, haben diesen Nachteil natürlich nicht“, frotzelt Messink, „leichter macht uns das Ganze auch nicht, dass es momentan untersagt ist, Veranstaltungen wie Swinger-Partys, Nagelstudio-Treffen oder Gottesdienste abzuhalten, wo wir einen Großteil unserer Anhängerschaft antreffen dürften“.
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Auch der Bürgerliche Aufbruch sieht den Stichtag 20. April mit gemischten Gefühlen: „Natürlich haben die Bürger jetzt andere Sorgen als uns eine Unterschriften – das ist auch verständlich“, hat Ramona Baßfeld, stellvertretende Vorsitzende der Wählergemeinschaft BAMH, just eine Vorstandssitzung hinter sich – im kleinsten Kreis und mit Maximalabstand. Zwar ist der Aufbruch schon vier Jahre mit fünf Mitgliedern im Rat, doch eben nicht seit der Wahl 2014. Deshalb muss auch er mit derzeit 41 Mitglieder in der Partei um Bürgerautogramme kämpfen.
Corona zwingt auch etablierte Parteien zu neuen Organisationsformen
„Die Corona Krise zwingt auch uns zu neuen Organisationsformen“, räumt der SPD-Parteivorsitzende Rodion Bakum ein. Die Kommunikation und politische Abstimmung unter den Mitgliedern der Partei und Fraktion ist ebenso für die etablierten Parteien formal schwieriger geworden. So werkeln die Vorstände just an der Umsetzung von Videokonferenzen, um etwa Kampagnen für die Kommunalwahl planen zu können.
Doch für die Aufstellung und den Beschluss von Wahllisten müssen die Mitglieder auf einer Parteiversammlung zwingend körperlich anwesend sein. Darauf weist ein Schreiben des Innenministeriums hin. Unter den aktuellen Schutzmaßnahmen sind solche Versammlungen zwar ohnehin nicht möglich. Doch selbst nach der Aufhebung der Kontaktsperre rechnet Bakum mit hohen Hygieneauflagen für Versammlungen.
Gelassenheit bei der Mülheimer CDU
Wie sind Mindestabstände einzuhalten, wieviele dürfen gleichzeitig an einer Sitzung teilnehmen, wie geht man mit ,Risikogruppen’ um? „Wir prüfen, was möglich ist“, sichert Bakum zu, gibt aber zu bedenken: „Politik lebt von der direkten Kommunikation. Wir wünschen uns eine lebendige Diskussion über Inhalte.“
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Große Gelassenheit hingegen demonstriert die lokale CDU: „Wir warten den 19. April erst einmal ab“, sagt die Parteivorsitzende Astrid Timmermann-Fechter. Dann werde die CDU sich der Sachlage stellen und entsprechend planen. „Wir sind optimistisch, dass wir einen Weg finden.“