Mülheim. „Zwischen Arbeit und Ruhestand“ (ZWAR): Die Mülheimer Altstadt-Gruppe besteht seit 25 Jahren. Sie ist ruhiger geworden. Aber sie hält durch.

Alle zwei Wochen am Freitagnachmittag ist für die ZWAR-Gruppe ein Tisch in der Begegnungsstätte der Pfarrei St. Mariae Geburt reserviert. Der harte Kern, das sind nur noch sechs Frauen, die Jüngste ist 78. Auch am 13. März haben sie sich dort versammelt, da waren die Schulkinder schon in die Corona-Zwangspause geschickt.

Unerschrocken saßen sie in vertrauter Runde, zerteilten frische Waffeln mit der Gabel, erzählten. Mittlerweile sind alle kirchlichen Einrichtungen geschlossen. Die alten Damen bleiben besser zu Hause. Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass sie wiederkommen.

"Wir waren nicht immer ein Kaffeekränzchen"

„Wir waren nicht immer so ein Kaffeekränzchen“, sagt die 82-jährige Lieselotte Zickler, die zu den Gründungsmitgliedern gehört. Das war auch nie Sinn der Sache. Ursprung von ZWAR war 1979 ein Projekt an der Universität Dortmund mit dem Ziel, Frauen und Männer jenseits der 50 in Gruppen zusammenzuführen. Nicht nur, um ihre Freizeit zu füllen, sondern damit sie selbstbestimmt neue Perspektiven entwickeln.

Gründungstreffen 1995 im Gymnasium Broich

Liselotte Zickler und viele andere Menschen in Mülheim fanden zum Jahresbeginn 1995 einen Flyer im Briefkasten: Einladung zum Gründungstreffen der ZWAR-Gruppe am 8. März im Gymnasium Broich. Dort kreuzten sich die Wege von Menschen, die in den Vorruhestand oder in Rente gegangen waren, vielleicht den Partner verloren hatten. Anlaufstelle war dann über viele Jahre der Rosenhof.

So viele waren sie, dass sich Untergruppen bildeten: Wandern, Schwimmen, Spieletreff. Es gab gemeinsame Segeltörns, einmal rund um Rügen, und eine Irland-Reise, von der die Verbliebenen heute noch schwärmen. Ehrenamtliches Engagement entwickelte sich durch Zufall: Als die ZWAR-Gruppe mitbekam, dass das Mülheimer Büromuseum schließen sollte, stellte sie Freiwillige, die hoch oben im Rathausturm Dienst taten.

Auf der Seniorenmesse hatten sie regelmäßig einen eigenen Stand und auf dem Weihnachtsmarkt: "Die Mülheimer waren immer wild auf unseren selbst gebackenen Kuchen", erinnert sich Brigitte Michels (88), ebenfalls Teilnehmerin der ersten Stunde.

Insgesamt fast 10.800 Euro Spenden gesammelt

Im Laufe ihres Bestehens hat die Gruppe nach eigenen Angaben fast 10.800 Euro gesammelt und gespendet: Größere Summen gingen etwa an die Teestube der Diakonie für Obdachlose, an die Fliedner-Stiftung und an das Mülheimer Frauenhaus. Brigitte Michels zählt auf: "Die haben von uns Bettbezüge bekommen, Babykleidung, Kinderbettchen..."

Der fünfte Geburtstag der ZWAR-Gruppe im Jahr 2000 ist als gut besuchte Party im Haus der Mülheimer Rudergesellschaft dokumentiert. Zum 25-jährigen Jubiläum sind sie abends essen gegangen, es kamen gerade noch zwölf Leute, darunter zwei Männer. "Einige enge Freunde aus unserer Gruppe sind schon verstorben", sagt Liselotte Zickler. Neuzugänge gab es schon seit Ewigkeiten nicht mehr.

Mehr als 210 ZWAR-Gruppen in NRW

Der kleine Mülheimer Kreis ist eine von mehr als 210 ZWAR-Gruppen in rund 70 NRW-Städten, viele noch deutlich jünger und agiler als die Mülheimer. Anfang dieses Jahres kam das Netzwerk öffentlich ins Gespräch, weil das NRW-Sozialministerium seine Förderung eingestellt hat: jährlich 600.00 Euro für zehn hauptamtliche Mitarbeiter in der Dortmunder Zentrale. Die Zukunft des Projektes ist offen, es gab auch eine Online-Petition zum Erhalt von ZWAR, die 10.850 Unterstützer gefunden hat.

Die Mülheimerinnen machen sich darüber keinen Kopf mehr. Ihre kleinen Treffen sind unabhängig von Zuschüssen. "Wir haben viele, viele schöne Jahre gemeinsam erlebt." Im Moment, da die Furcht vor Corona-Infektionen sie zu Hause hält, können sie nur miteinander telefonieren. Aber das tun sie fleißig.

NEUE LOKALE GRUPPEN

Väter des ZWAR-Konzeptes an der Uni Dortmund waren Dr. Wolf Klehm und Rudi Eilhoff. Zu den ersten Gruppen gehörte das ZWAR-Netzwerk ehemaliger Hoesch-Arbeiter, das bis heute besteht.

1990 wurde der Trägerverein ZWAR e.V. und die Zentralstelle in Dortmund gegründet. Auch in jüngster Zeit kamen noch lokale Gruppen dazu, so vor knapp einem Jahr in Essen.