Mülheim. Claudia Papalino stammt aus Mülheim und lebt in Italien. Sie appelliert an alle Mülheimer: “Nur wenn ihr zuhause bleibt, habt ihr eine Chance.“

In einer Mülheimer Facebook-Gruppe bewegt der Post von Claudia Papalino hunderte Nutzer: Es ist ein Bild, das eine Kolonne von Militärfahrzeugen zeigt, die im italienischen Bergamo Särge mit Coronavirus-Toten zu Krematorien anderer Regionen transportieren, weil die Leichenhalle in Bergamo überfüllt ist. Eindringlich wendet sich Claudia Papalino an alle Mülheimer: "Für diejenigen die immer noch sagen 'das ist doch nur ne Grippe': Nein, ist es nicht!"

Die italienische Zeitung "La Repubblica" hatte das Bild auf ihrer Homepage veröffentlicht. Claudia Papalino erkannte gleich die Kraft dahinter und postete es in die Mülheim-Gruppe. "Auch wenn viele meinen Post zu schlimm finden, es ist die Realität", schreibt sie. "Ich weiß, wie locker ihr damit umgeht, aber lasst es euch sagen: Nehmt es nicht auf die leichte Schulter."

In Mülheim aufgewachsen, seit 16 Jahren in Italien

Claudia Papalino ist in Mülheim geboren und aufgewachsen, lebt aber seit 16 Jahren in Cava Dei Tirreni, in der Nähe von Neapel in Süditalien. "Meine Mutter und meine Schwestern mit ihren Familien leben aber noch in Mülheim", schreibt sie. Daher bekomme sie viel mit, wie die Deutschen aktuell mit der Krise umgehen. Viel zu locker, findet sie.

Daher appelliert sie in ihrem Post eindringlich: "Bleibt zu Hause! Eure Kinder gehen nicht zur Schule, das heißt nicht, dass sie Ferien haben und draußen spielen dürfen." Und: "Macht keine Hamsterkäufe, es wird immer Essen und all das Nötige für eure Tagespflege da sein." In Italien habe es nie Engpässe in den Supermärkten gegeben. Jedoch tragen die meisten Italiener beim Einkaufen Atemschutzmasken und Handschuhe.

Polizei kontrolliert Leute auf der Straße

Im Chat berichtet sie uns von der Lage in Italien, wo es mittlerweile knapp 40.000 mit dem Coronavirus infizierte Menschen gibt. Allein zwischen Dienstag und Mittwoch sind dort 475 Menschen im Zusammenhang mit der vom Coronavirus ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19 gestorben. Die Gesamtzahl der Toten liegt aktuell bei knapp 3000. Die landesweite Ausgangssperre soll wahrscheinlich verlängert werden. "Wir dürfen wirklich nur aus dem Haus, wenn es notwendig ist. Unsere Kinder bekommen online Unterricht."

Klar gebe es auch in Italien Leute, die immer noch alles auf die leichte Schulter nehmen und sich nicht an die Regeln halten. "Aber dafür sorgt die Polizei. Es ist schon soweit gekommen, dass man Strafe zahlt, wenn man ohne Grund draußen ist, etwa zum Joggen im Park oder auf Spielplätzen." Vor allem im Süden Italiens sei die Versorgung in den Krankenhäusern nicht so gut wie in Deutschland, "uns fehlt es an Ausrüstung", weiß Claudia Papalino.

Familien nehmen Abschied in Videochats

"Es kommt sogar dazu, dass die Ärzte entscheiden müssen, wer gerettet werden soll und wer nicht." Das sei das Schlimmste: "Wenn jemand stirbt, stirbt er alleine, da die Familienangehörigen nicht auf die Intensivstation dürfen." Viele Ärzte bieten Videochats an, so dass die Familie sich noch ein letztes Mal verabschieden können. Auch würden keine Trauermessen abgehalten, die Verstorbenen sofort beerdigt.

"Wir haben Angst, das ist klar. Aber wir Italiener versuchen, das Beste draus zu machen", schreibt sie. Italien habe schon so viele Tragödien hinter sich, seien es Erdbeben oder Überschwemmungen. "Dennoch hat dieses Land immer einen Weg gefunden, wieder aufzustehen. Wir waren schon immer hilfsbereite Menschen, jetzt sind wir es noch viel mehr."

Sie hoffe mit ihrem Post einige Menschen wachgerüttelt zu haben, "so dass in Deutschland alle verstehen, dass es nicht nur eine Grippe ist", meint Claudia Papalino. "Wenn euch was an eurer Familie und euren Freunden liegt, dann bleibt zu Hause! Nur so haben wir eine Chance aus diesem Alptraum zu entkommen."

INFO:

- Italien hat seit einer Woche eine Ausgangssperre und ist damit ein Land im Ausnahmezustand. Alle Geschäfte sind geschlossen, nur Supermärkte, Tankstellen und Apotheken bleiben geöffnet. Die Menschen dürfen nur auf die Straße, um zur Arbeit, zum Einkaufen oder zum Arzt zu gehen. Selbst ein Spaziergang im Park ist untersagt.

- Jeder muss auf einem Formular den Grund für seinen Ausgang erklären, etwa wenn er ins Büro muss. Diese Ausgangssperre wird streng kontrolliert: Mehr als 838.000 Menschen sind bisher überprüft worden, teilte das Innenministerium am Dienstag in Rom mit. Mehr als 35.500 wurden angezeigt.