Mülheim. Wie steht es um den alltäglichen Rassismus in Deutschland? Autor Ali Can diskutierte in Mülheim über das heimliche „Ausbürgerungsdenken“.

„Migrationshintergrund“ – der so gern gewählte Ersatz für die „ethnische Herkunft“ müsste treffender „-vordergrund“ lauten. Denn das liegt deutlich näher an der Erfahrung von Menschen, die offenbar manchen Zeitgenossen nicht deutsch genug aussehen. Den alltäglichen Rassismus kennt und schilderte der Essener Ali Can am Dienstagabend im Medienhaus.

Es ist ein Abend mit vielen Erkenntnissen über das heimliche „Ausbürgerungsdenken“ einiger Deutscher – so nennt es der Leiter des Essener „Viel-Respekt“-Zentrums. Man kann dazu auch Rassismus sagen. „Woher kommst du wirklich?“ ist so eine Frage, an der der Aktivist Can es festmachen kann. Und viele Menschen, die in Deutschland geboren wurden, die also deutsch sind, aber wegen ihrer Hautfarbe hinterfragt werden, bedroht und sogar getötet – wie vor wenigen Wochen in Hanau, als ein Täter mit rechtsextremen und rassistischen Motiven gezielt Menschen mit anderer Hautfarbe umbrachte.

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Aktivist Can: „Es ist Zeit, Menschen zu schützen, die Zielscheibe des Hasses sind“

„Es ist jetzt an der Zeit zu überlegen, wie Menschen, die Zielscheibe des Hasses sind, zu schützen“, mahnt Can. Die Familie des 26-Jährigen lebte zwölf Jahre als Geduldete in Warendorf, erhielt 2007 den Aufenthaltstitel. Für den Sohn einer türkisch-kurdischen und alevitischen Familie war Deutschland seine Heimat, so sehr, dass er seinen Eltern verbieten wollte, im eigenen Geschäft türkisch zu sprechen. Es war ihm peinlich.

Später, schildert Can, hat er sich dafür entschuldigt. Warum sollten die Eltern miteinander nicht türkisch reden? Denn mehrere Sprachen zu sprechen, wird allgemein als Zeichen für Weltoffenheit und Bildung gesehen. Nur eben selten bei arabischen Sprachen, stellt Can fest. Über „Schubladenkacke“ rappte er als 16-Jähriger, weil er wegen seines Aussehens vom Türsteher nicht in die Disco gelassen wurde: „Ich bin Kanacke – und das ist Kacke!“

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Nicht Deutsch oder Türkisch, sondern Deutsch UND Türkisch

Rassismus mache krank, wenn man ihn nicht kanalisiere, mahnt Can vor falsch verstandener Integration: „Für manche ist man nur dann integriert, solange man keinen Fehler macht. Wenn doch, wird der Migrationshintergrund zum Vordergrund.“ Sein Beispiel: Die Debatte um Mesut Özils Foto mit Erdogan. Can plädiert dafür, „nicht Deutsch ODER Türkisch sein zu müssen, sondern ‘und’.“

Die anschließende Diskussion im Medienhaus blieb allerdings ungewöhnlich zurückhaltend für ein so brisantes Thema, vielleicht sogar nachdenklich. Nur ein Kommentar hakte kritisierend nach, schilderte die Aufregung einer Delegation türkischer Studenten beim Thema Kurden. „Ein wunder Punkt für türkische Nationalisten“, räumt der Sohn kurdischer Aleviten ein. Und doch kein Grund zu verallgemeinern – oder beim deutschen Rassismus wegzuschauen.