Mülheim. Beim Bürgerlichen Aufbruch Mülheim tobte nach der Wahlschlappe von Fraktionschef Hartmann tagelang ein Machtkampf. Jetzt ist wohl eine Lösung da.
Nach dem Zerwürfnis mit Fraktionschef Jochen Hartmann stand der Bürgerliche Aufbruch (BAMH) vor einer Zerreißprobe. Das Wählerbündnis hat nun aber wohl doch eine Lösung gefunden für die verbleibenden Monate bis zur Kommunalwahl: Hartmann soll Fraktionschef bleiben.
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Die BAMH-Mitglieder hatten Hartmann am Donnerstag vor einer Woche die Spitzenposition auf der Reserveliste zur Kommunalwahl verweigert. Nach seiner Wahlschlappe hatte Hartmann das Versammlungslokal verlassen und sich so die Chance genommen, überhaupt einen Platz auf der Reserveliste für den Stadtrat einzunehmen.
Hartmann hat nur die Chance, wenn er seinen Mülheimer Wahlkreis holt
So wird er aller Voraussicht nach dem im September zu wählenden neuen Stadtrat nicht angehören. Hartmann hat mittlerweile zwar gesagt, die Nominierung als Kandidat zumindest für seinen Dümptener Wahlkreis wahrnehmen zu wollen, doch wäre es eine Überraschung, sollte Hartmann das Direktmandat ziehen.
Der Bürgerliche Aufbruch Mülheim
Der Bürgerliche Aufbruch Mülheim ist im April 2016 entstanden, als sich Ratsmitglieder von CDU, AfD und MBI zu einer neuen Fraktion zusammenschlossen. Frank Wagner, Ramona Baßfeld und Frank Blum verließen die CDU-Fraktion, Hans-Georg Hötger die MBI-Fraktion.
Die AfD-Ratsfraktion war schon im März 2015 auseinandergefallen. Jochen Hartmann war fortan bis zur Gründung der BAMH-Fraktion als Einzelkämpfer unterwegs.
Nach Informationen dieser Zeitung hatten BAMH-Fraktion und -vorstand am Sonntag gemeinsam mit Hartmann ein Gespräch geführt, um zu klären, wie die weitere Zusammenarbeit ausschauen soll. Dem Vernehmen nach gab es keine Lösung. Drei Stunden lang soll man zusammengesessen haben, ohne dass man mit Hartmann übereingekommen ist.
Zieht Hartmann die Rechtmäßigkeit der Wahlen in Zweifel?
Vertraulichkeit war vereinbart worden. Bemerkenswert ist allerdings die Äußerung Hartmanns gegenüber dieser Redaktion, dass am Sonntag nicht Thema gewesen sei, ob er seinen Fraktionsvorsitz womöglich noch vor der heißen Phase des Kommunalwahlkampfes verliert. Wenn das nicht Thema gewesen ist, bleibt eigentlich nur ein Streit über die Rechtmäßigkeit der Nominierungen am vergangenen Donnerstag.
Nachdem Hartmann nicht, wie vom Parteivorstand auf einer Vorschlagsliste vorgesehen, auf Listenplatz 1 gewählt worden war, hatte sich der Vorstand kurzgeschlossen und – allerdings unwidersprochen – festgelegt, die Abstimmung derart fortzuführen, dass alle folgenden Vorschläge für Listenplätze um einen Rang nach oben rutschen sollten. So wurde Ramona Baßfeld auf Listenplatz 1 gewählt. Hartmann hätte jeweils in Kampfkandidatur in den Wettstreit um einen der folgenden Plätze gehen müssen. Er ließ es nicht darauf ankommen und verließ den Saal.
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Hartmann vermutet einen geplanten Putsch hinter seiner Wahlschlappe
Hartmann hat derweil in einem Gespräch mit der Mülheimer Woche die Vermutung geäußert, seine Wahlschlappe sei ein geplanter Putsch gewesen. Bei der Mitgliederversammlung im Gesellenhaus hätten „plötzlich Leute gesessen, die ich noch nie beim BAMH gesehen habe. Da hatte ich schon ein komisches Gefühl, was sich hinterher auch bestätigt hat“, sagte er da.
Hartmanns Verschwörungstheorie sei Quatsch, sagen andere aus dem Wählerbündnis. Die neuen Mitglieder seien schon in den Wochen zuvor bei Treffen gewesen, bei denen Hartmann selbst verhindert gewesen sei. Gleichwohl habe man in den Tagen vor den Wahlen schon „viel Unruhe“ verspürt mit Bezug auf die Person Hartmann. Dessen AfD-Vergangenheit und Alleingänge in der politischen (Öffentlichkeits-)Arbeit seien dabei nur zwei von vielen Kritikpunkten gewesen.
Wählerbündnis steht ein Lackmustest bevor
Ob eine für alle Seiten „gesichtswahrende Lösung“ möglich sein würde, die BAMH-Vorsitzender Frank Wagner noch Anfang der Woche herbeisehnte, blieb bis Mittwochnachmittag offen. Die Fronten seien „ziemlich verhärtet“, hieß es zuletzt noch hinter vorgehaltener Hand. Am Mittwochnachmittag hat es innerhalb kurzer Zeit dann offenbar doch eine Verständigung gegeben. Wie Wagner verkündete, soll Hartmann bis Ende Oktober, wenn die Wahlperiode endet, Fraktionschef bleiben. Damit sei „alles gelöst“.
Dem Wählerbündnis steht sechs Monate vor der Kommunalwahl dennoch ein Lackmustest bevor, weil Hartmann nun Auslaufmodell ist wie SPD-Fraktionschef Dieter Spliethoff. „Ich möchte eine Partei haben, die mit anderen im Rat koalieren kann, um etwas zu bewegen“, Hartmann sei für andere Fraktionen eine „persona non grata“ und daher nicht die geeignete Führungskraft, sagte ein Mitglied im Gespräch mit dieser Zeitung.
„Dann können jetzt andere mehr in den Vordergrund treten“
Manch ein BAMH-Mitglied kann nicht verstehen, warum Hartmann die Wahlveranstaltung verlassen und so seine Chance auf einen Wiedereinzug in der Rat minimiert hat. „Wenn ich als Klassensprecher nicht gewählt werde, muss ich trotzdem zur Schule gehen“, sagte einer. Vielleicht habe der Verlust des fleißigen Frontmanns Hartmann trotzdem sein Gutes. „Dann können jetzt andere mehr in den Vordergrund treten, sich freischwimmen, der BAMH kann sich breiter aufstellen.“