Mülheim. Die Mülheimerin Elke Kokott kann nach einer OP kaum noch laufen und ihre Wohnung im ersten Stock nicht verlassen. Sie und ihr Mann suchen Hilfe.

Elke Kokott ist verzweifelt. Während sie erzählt, laufen ihr die Tränen über die Wangen. Die Styrumerin lebt mit ihrem Mann Reinhard Kokott in einer Zwei-Zimmer-Wohnung im ersten Stockwerk eines kleinen Mehrfamilienhauses; die beiden beziehen Hartz IV. Elke Kokott ist wegen mehrfacher Operationen körperlich stark eingeschränkt, seit drei Jahren kommt sie kaum aus dem Haus. Das Ehepaar sucht nun dringend eine Erdgeschoss-Wohnung – und findet keine, die bezahlbar ist.

„Ich bin hier eingesperrt“, sagt Elke Kokott. „Ich werde verrückt.“ Die 57-Jährige hat Diabetes und einen Herzfehler. Nach einem komplizierten Bandscheibenvorfall mit einem geplatzten Abszess und einer Blutvergiftung ist sie insgesamt fünfmal am Rücken operiert worden – und kann seitdem kaum mehr laufen.

Seit drei Jahren kaum draußen: Die Nerven der Mülheimerin liegen blank

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Die Treppenstufen, die sie aus dem ersten Stock nach draußen führen könnten, sind unüberwindbar für sie. Elke Kokott hängt ihre Wäsche im Sitzen auf, sie kocht im Sitzen. Auf der Couch in ihrem Wohnzimmer liegen Stricknadeln und Wolle. „Ich war immer viel draußen“, sagt sie, „aber jetzt geht das nicht mehr“. Ihre Nerven liegen blank, auch für die Ehe sei das nicht einfach. Seit 39 Jahren sind sie und ihr Mann verheiratet.

Hinzu kommt, dass die Wohnung, in der das Paar seit 16 Jahren lebt, in schlechtem Zustand ist. Den siebten Wasserschaden haben die Kokotts hinter such, der letzte wurde auch sechs Jahre danach vom Vermieter, einer Düsseldorfer Immobilienfirma, noch nicht behoben: In der Küche ist die Decke so aufgeweicht, dass sich die Lampe löst. Der Fußboden der Diele ist so abgesackt, dass sich eine Kuhle gebildet hat.

Mülheimer Sozialagentur zahlt maximal 354,25 Euro Grundmiete

Weil die Wohnung von der Sozialagentur finanziert wird, können Elke und Reinhard Kokott nicht einfach umziehen. Sie müssen sich an die Höchstsätze halten, die ihnen die Stadt erlaubt. 65 Quadratmeter groß darf die Wohnung für zwei Personen maximal sein, die Grundmiete darf nicht über 354,25 Euro liegen, die Nebenkosten sollen nicht mehr als 125,45 Euro betragen.

Durchschnittsmiete liegt bei 6,38 Euro

In Mülheim gelten derzeit folgende maximale Kosten pro Quadratmeter für Unterkunftskosten bei Hartz-IV-Empfängern als angemessen: bis zu 5,45 Euro pro Quadratmeter Grundmiete und bis zu 1,93 Euro pro Quadratmeter Nebenkosten.

Der Mietspiegel in Mülheim liegt 2020 bei 6,38 Euro Durchschnittsmiete. 2016, als auch die Maximalmieten für Hartz-IV-Bezieher zuletzt festgelegt wurden, lag die Durchschnittsmiete noch bei 6,02 Euro. Das entspricht einer jährlichen Steigerung von etwa 1,5 Prozent.

Für diese Höchstpreise, sagen die beiden, finden sie keinen passenden Wohnraum. „Das sind Adressen, da wollen Sie nicht wohnen“, sagt Elke Kokott. Gefunden hätten sie eine Wohnung in der Eberhardstraße: zwei Zimmer, 65 Quadratmeter, Erdgeschoss – aber mit 650 Euro Warmmiete zu teuer. Das Ehepaar möchte in Styrum bleiben, dort leben Geschwister und die Tochter, kümmern sich, wenn Reinhard Kokott krank ist und nicht einkaufen gehen kann.

Mietsätze in Mülheim sollen bald angehoben werden

Das Ehepaar ärgert sich über die Sozialagentur, die ihnen die Wohnung an der Eberhardstraße verwehrt hat. Allerdings hat diese derzeit auch keine Möglichkeit, über die erlaubten Sätze hinaus die Miete für die Kokotts zu tragen. Doch Uwe Breit, Bereichsleiter der Leistungsgewährungen, macht Hoffnung: „Derzeit läuft die Überprüfung der Mietsätze, bis Ende März müssten die neuen Zahlen da sein.“

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Höchstwahrscheinlich werden die Kostengrenzen steigen. Die aktuellen Daten datieren von Januar 2016 – seitdem haben sich Mieten deutlich erhöht, die Sätze müssen angepasst werden. Hinzu kommt, dass Elke Kokott ein Attest ihres Arztes vorgelegt hat, in dem er bescheinigt, dass sie aufgrund ihrer Erkrankung „zum Erhalt der Mobilität auf eine Wohnung im Erdgeschoss angewiesen“ ist. Das Gesundheitsamt wird die medizinischen Unterlagen der 57-Jährigen nun prüfen – und bewilligt dann gegebenenfalls höhere Mietsätze.