Mülheim. Der Mülheimer Kinderschutzbund arbeitet nun schwerpunktmäßig gegen Misshandlung, Vernachlässigung sowie gegen sexualisierte Gewalt an Kindern.

Die Beratungsstelle des Mülheimer Kinderschutzbundes an der Schlossstraße arbeitet nun offiziell als Fachberatung mit dem Arbeitsschwerpunkt gegen Misshandlung, Vernachlässigung sowie sexualisierte Gewalt gegen Kinder. Beim Neujahrsempfang sprach der aktuelle Vorstand über die neue Ausrichtung.

„Wir sehen uns als Lobby für Kinder“, betont Melanie Oechler, seit einem halben Jahr 1. Vorsitzende des Mülheimer Kinderschutzbundes. „Bei uns werden natürlich alle Kinderschutzfragen beantwortet.“ Dennoch soll durch die Änderung des Namens mit dem Verweis auf die Schwerpunktarbeit gezeigt werden, dass in Mülheim nun eine Fachberatung zu den Themen Misshandlung, Vernachlässigung sowie sexualisierte Gewalt gegen Kinder angeboten wird, und die Beratungsstelle sich damit auch hervorhebt.

Auch die Kinderarmut ist in Mülheim ein aktuelles Thema

„Aber auch die Kinderarmut ist ein Thema, das uns in Mülheim immer mehr beschäftigt“, sagt Susanna Neef, die im Juni 2019 ihre ehrenamtliche Arbeit als 2. Vorsitzende des Vereins aufgenommen hat. Die Änderung des Namens und der Schwerpunktarbeit hätten nicht unmittelbar etwas mit den Missbrauchsfällen in Lüdge und Bergisch Gladbach zu tun. Dennoch würden diese Fälle zeigen, wie wichtig diese Arbeit sei. „Das ist eine öffentliche Aufgabe und da muss mehr Geld rein fließen“, fordert Diplom-Pädagogin Oechler, die schon viele Jahre im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe arbeitet.

Mülheimer Luisenschüler spenden für den Kinderschutzbund

Dr. Melanie Oechler, die 1. Vorsitzende des Mülheimer Kinderschutzbundes, fordert eine bessere Finanzierung.
Dr. Melanie Oechler, die 1. Vorsitzende des Mülheimer Kinderschutzbundes, fordert eine bessere Finanzierung. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Die Sockelfinanzierung durch öffentliche Fördergelder liegt für die Beratungsstelle bei unter 50 Prozent. Der Rest wird durch Mitgliedsbeiträge und Spendengelder finanziert. So freuten sich die Mitarbeiter des Mülheimer Kinderschutzbundes beim Neujahrsempfang sehr über die Spende von Kindern der Luisenschule. Diese sammeln traditionell beim Adventsbasar Geld für den Kinderschutzbund und konnten am Sonntag eine Spende in Höhe von 1000 Euro überreichen. „Um die Beratungsstelle zu sichern und Fachkräfte zu beschäftigen, braucht es jedoch eine bessere finanzielle Grundlage, damit es kalkulierbar wird.“

Zwei neue Spielgruppen

Der Kinderschutzbund bietet zwei neue Spielgruppen an. Die „Betreuung in besonderer Lebenslage“ ist für Kinder gedacht, die noch nicht lange in Deutschland sind und deshalb keinen Betreuungsplatz bekommen haben.

In den Spielgruppen werden die Kinder sprachlich und mit Ritualen auf einen Kita-Betrieb vorbereitet. Weitere Informationen und Angebote auf www.kinderschutzbund-mh.de oder unter 0208 47845.

In der Beratung gibt es mehr Fälle

Fachkräfte wie Thomas Lackas, der seit einer Woche das Team der Beratungsstelle als Sozialpädagoge unterstützt. Oder Sozialarbeiterin Elena Stannowski, die seit fünf Jahren in der Fachberatung des Mülheimer Kinderschutzbundes arbeitet. „Auch wenn die Zahlen der Kriminalstatistik in Sachen Misshandlung und sexualisierte Gewalt gegen Kinder eher rückläufig sind, gibt es bei uns in der Beratung tendenziell mehr Fälle“, sagt Stannowski. „Das liegt auch daran, dass eine erhöhte Wachsamkeit bei den Menschen vorhanden ist, und heißt nicht zwangsläufig, dass es insgesamt mehr Fälle von Kindesmisshandlung oder Kindesmissbrauch gibt.“

Kindesmisshandlung, Kindesmissbrauch: Fachleute gehen von hoher Dunkelziffer aus

Die Dunkelziffer jedoch, befürchtet Stannowski, sei nach wie vor sehr hoch. Das liege auch daran, dass dieses Thema immer noch sehr tabubelastet sei. Nur jedes zehnte betroffene Kind offenbart sich und vertraut sich einer anderen Person an. „In diesem Bereich ist noch großer Handlungsbedarf und Prävention ganz wichtig“, so die Sozialarbeiterin. Deshalb plant der Mülheimer Kinderschutzbund auch ein neues Präventionsprojekt gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder. Derzeit warten die Akteure jedoch noch auf die Bewilligung ihres Förderantrags für das Projekt.

Die Beratungsstelle an der Schlossstraße ist auch eine Anlaufstelle für Fachkräfte wie Lehrer oder Erzieher, die einen Missbrauch vermuten aber Gewissenskonflikte mit sich herumtragen. „Da wir ein freier Träger sind, ist die Hemmschwelle, zu uns zu kommen, nicht ganz so hoch wie beim Jugendamt“, weiß Vorstandsvorsitzende Melanie Oechler. „Außerdem ist eine Beratung auch anonym möglich.“