Mülheim. Innogy als Strom-Grundversorger in Mülheim hebt die Preise kräftig an. Verbraucher können von einem Anbieterwechsel massiv profitieren.

Stromverbraucher, die in Mülheim den Grundversorger-Tarif von Innogy (früher RWE) gebucht haben, zahlen deutlich mehr, als nötig wäre. Nicht erst seit der jüngsten Preiserhöhung des Essener Energiekonzerns lohnt ein Anbieterwechsel.

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Zum 1. März hat Innogy die Preise in seinem Grundversorger-Tarif „Klassik Strom“ noch einmal kräftig erhöht. Die Kilowattstunde (kWh) kostet brutto nun 30,94 statt 28,55 Cent, der jährliche Grundpreis steigt von 99,96 auf 123,39 Euro. Für einen Vier-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4000 kWh bedeutet dies eine Preissteigerung um satte 9,6 Prozent.

Mülheims Medl ist gut 14 Prozent günstiger als Innogy

Beim örtlichen Energiedienstleister Medl ist die gleiche Menge Strom gar für knapp 170 Euro im Jahr weniger zu bekommen. Im Tarif „Strompur“ liegen die Kosten um 14,2 Prozent unter denen im Grundversorger-Tarif von Innogy.

„Die Veränderungen ergeben sich aus der Marktsituation“, hatte ein Innogy-Sprecher die Preiserhöhung Mitte Januar versucht zu rechtfertigen. Ein Blick auf den Markt zeigt indes: Mit seiner Preisgestaltung im Grundversorger-Tarif setzt sich Innogy auf den vorletzten Platz einer Liste von 63 Stromanbietern in Mülheim, die Tarife anbieten, die den Empfehlungen der Verbraucherzentrale NRW entsprechen.

Vier-Personen-Haushalt kann bis zu 250 Euro im Jahr sparen

In jenem Vergleich tauchen etwa auf der Spitzenposition des preisgünstigsten Anbieters die Stadtwerke Rheine mit ihrem Ökostrom-Tarif „nahStrom-watergreen“ auf. Besagter Musterhaushalt müsste bei den Stadtwerken Rheine nur knapp mehr als 1100 Euro im Jahr bezahlen, im Vergleich zum Grundversorger-Tarif von Innogy blieben am Ende des Jahres gut 250 Euro mehr im Portmonee.

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Dabei sind die Vertragskonditionen günstig, sind die Verträge doch monatlich kündbar. Auch wird keine Vorauskasse verlangt, ebenso keine Kaution. Vor Verträgen mit solchen Bedingungen warnen Verbraucherschützer seit Langem; es gab reichlich Negativ-Schlagzeilen zu solchen Angeboten.

Innogy bietet auch keine günstigen Alternativen zur Grundversorgung

Innogy, mittlerweile nicht mehr beim RWE-Konzern, sondern bei Eon angesiedelt, kann am Mülheimer Markt auch nicht mit Alternativ-Produkten zum Grundversorger-Tarif punkten. Sowohl der Tarif „Strom Natur“ als auch „Strom Stabil“ bleiben im Musterhaushalt gut 250 Euro teurer als etwa die Stadtwerke Rheine und 170 Euro teurer als die Medl.

Die Medl, deren Gesellschafter seit 2017 zu 61 Prozent die städtische Beteiligungsholding und nur noch zu 39 Prozent Innogy sind, hat angesichts der Preiserhöhung für Innogy-Strom die Marketing-Maschinerie angeworfen, wirbt frech mit dem Slogan „Energiepreiserhöhung? Nicht mit uns!“ um wechselwillige Kunden für ihre Grünstrom-Tarife. Bekanntlich bietet die Medl mit „Doppelwatt“ auch ein Kombiprodukt für Gas und Strom.

Marktanteil der Medl ist nach eigener Aussage auf 20 Prozent angestiegen

„Wir wollen Grundversorger werden“, hatte der ehemalige Geschäftsführer der Medl, Hans-Gerd Bachmann, im Jahr 2014 trotz der Gesellschafterverhältnisse ehrgeizige Ziele für die eigene Rolle im Stromvertrieb ausgerufen. Bachmanns Nachfolger Hendrik Dönnebrink, der als städtischer Beteiligungsmanager mehrere Berührungspunkte hat mit den Entwicklungen beim Essener Energieriesen, hat diese Strategie zwar nicht offensiv weiterverfolgt, aber nach eigener Aussage auch nicht aus den Augen verloren.

Es sei zwar „an sich kein Ziel“, sagte Dönnebrink am Montag auf Anfrage dieser Redaktion. Ziel sei es aber grundsätzlich, mehr Kunden über den Stromvertrieb zu gewinnen. 20 Prozent betrage aktuell der Marktanteil, das Geschäft sei profitabel. Wenn die Medl zum Grundversorger aufsteige, sei das „okay“. Vorgänger Bachmann hatte die Eroberung der Platzhirsch-Funktion am örtlichen Strommarkt als Schritt gesehen, die Medl in der örtlichen Energieversorgung als Stadtwerk weiterzuentwickeln. Mit der Perspektive, bei nächster Gelegenheit auch die Stromkonzession an sich zu ziehen.

Die Stromkonzession hatte die Stadt vor Jahren noch einmal an RWE gegeben. Der Vertrag läuft laut Dönnebrink noch bis zum Jahr 2031. Es sei zu früh, um jetzt schon zu beurteilen, ob die Medl das Geschäftsfeld tatsächlich an sich reißen wolle, sagte er am Montag.