Mülheim. Ein Investor plant sieben Mehrfamilienhäuser in grüner Lage. Anlieger in Mülheim-Menden protestieren dagegen. Aber die Stadt muss genehmigen.
Welche Häuser wie und wo in einer Stadt gebaut werden dürfen, das regeln Bebauungspläne oder Satzungen nach dem Baugesetzbuch. Nicht für alle Flächen in Mülheim gelten Bebauungspläne. Es gibt zahlreiche Lücken. Auch Bebauungspläne bieten, wenn sie nicht exakt formuliert sind, Spielräume. Diese nutzen Investoren vor allem auf teuren Grundstücken, so genannten Filetflächen. Sie reizen alle rechtlich möglichen Grenzen im Baugebiet aus und überraschen damit die Nachbarn. So geschieht es jetzt am Oesterwindweg, einer kleinen Stichstraße des Steinknappens, und an weiteren Straßen im direkten Mendener Umfeld.
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Am Oesterwindweg sind die Anlieger in helle Aufregung versetzt, seit bekannt wurde, dass am Ende der Wohnstraße drei Häuser mit insgesamt neun Wohneinheiten gebaut werden sollen. Inzwischen hat sich eine Nachbarschaftsinitiative gebildet, die die Neubauten am Ende ihrer Wohnstraße und am Rand des Siepentales blockieren will.
Bebauungsplan von 1996 lässt vieles zu
Dass ein Investor einmal solche Pläne verfolgen könnte, damit hatten die Anwohner wohl nicht gerechnet. Doch, wie Planungsamtsleiter Felix Blasch nun noch einmal im Planungsausschuss des Stadtrates ausführlich darlegte: Genau dies macht der rechtsgültige Bebauungsplan von 1996 möglich.
Er lässt eben nicht nur Einfamilienhäuser zu, sondern „Einzelhäuser“, die mehrere Wohneinheiten haben können und bis zu 50 Meter lang sein dürfen. Auch gebe es im Bebauungsplan keine Höhenfestsetzung für Neubauten, so Blasch. So sei es am Kopf des Oesterwindweges möglich, auf einen eingeschossigen Bau mit Souterrain auch jenes immens in die Höhe ragende Pultdach aufzusetzen, das zur Straße hin (Südseite) eine Höhe von nahezu zwei Geschossen erreiche. Auch seien jene zurückversetzten Staffelgeschosse möglich, die der Investor bei den zwei weiteren Häusern vorsehe.
Dezernent: Wir können nicht gegen geltendes Recht verstoßen
Für Baudezernent Peter Vermeulen und seine Mitarbeiter im Stadtplanungs- und Bauamt ist die Sache eindeutig. „Wir können die drei Einzelhäuser am Oesterwindweg nicht aufhalten. Der Bebauungsplan regelt das eindeutig“, erläuterte der Dezernent Anfang der Woche gegenüber dieser Redaktion.
„Bei Einzelhäusern oder Doppelhäusern können auch richtige Klopper herauskommen, weil die Investoren so planen. Wir können aber jetzt nicht gegen geltendes Recht verstoßen“, begründet Peter Vermeulen. Ob diese Gebäude in die Landschaft passten oder überdimensioniert seien, tangiere nicht den gültigen Bebauungsplan. Manche Projekte „müsse die Bauverwaltung daher zähneknirschend hinnehmen“.
Anwohner beklagen massive Beeinträchtigungen durch Neubebauung
Die Initiative vom Oesterwindweg sieht das anders. Sie hat bereits Anlieger von Schultenberg, Steinknappen und Mendener Höhe in ihr Interessenboot geholt. Denn der Investor plant Neubauten nicht nur am Oesterwindweg, sondern auch am Steinknappen und am Schildberg. Insgesamt liegen der Stadt Bauanträge für sieben Häuser mit insgesamt 28 Wohnungen vor, alle am Rande des Siepentals, das Vertreter von Naturschutzorganisationen als besonders schützenswert deklarieren.
Dezernent: Anwohner bleibt der Klageweg
Weil der Bauantrag für den Oesterwindweg nach geltendem Recht bereits gestellt ist, würde ein neu geschaffenes Baurecht womöglich Schadenersatzpflichten der Stadt begründen. Ohnehin sei wegen der Bebauung in der Umgebung rechtssicher kaum mehr etwas an zusätzlichen Beschränkungen einzuarbeiten, warnte die Verwaltung vor diesem Schritt.
Am Ende bleibe Anwohnern wohl nur die Möglichkeit einer Klage. Die Stadt, so Vermeulen, müsse sich bei der Bearbeitung des Bauantrags „an „Recht und Gesetz halten“ – und das sei an dieser Stelle eindeutig. Man befinde sich in einem „Dilemma“, stellte Planungsamtsleiter Blasch fest: „Wenn man mehr hätte steuern wollen, hätte man 1996 im Bebauungsplan viel mehr festsetzen müssen.“
Die Initiative reklamiert, dass die Neubaupläne nicht in die Realität einer lockeren Einfamilienhaus-Bebauung vor Ort passten. „Durch die Bebauung entlang des Siepentals und der Mendener Höhe sehen wir vor allem Natur und Umwelt bedroht. Außerdem beeinträchtigt die beantragte Bebauung massiv die Wohnruhe an der Mendener Höhe, am Oesterwindweg und am Schultenberg.“
Initiative appelliert Politik, die Pläne zu stoppen
Die kleinen Stichstraßen seien „für die Aufnahme zusätzlichen Verkehrs nicht geeignet“. Am Oesterwindweg würde sich die Anzahl der Wohneinheiten und damit das Verkehrsaufkommen verdoppeln“, lauten Gegenargumente der Initiative. Mehrere Mehrfamilienhäuser würden „zu einer grundlegenden Veränderung des Ortsbildes und des Gebietscharakters führen“. Die Politik solle eine Bebauung auf diesem Grundstück grundsätzlich untersagen oder auf ein Einfamilienhaus beschränken, forderte die Initiative.
hier gibt es mehr artikel, bilder und videos aus mülheimFür alle drei Baugrundstücke sieht die Stadtverwaltung aber keine rechtliche Handhabe einzuschreiten, eine unzumutbare Verkehrsbelastung sieht sie nicht. Am Oesterwindweg sei das Bauvorhaben durch den Bebauungsplan gedeckt, am Schultenweg und am Steinknappen lasse § 34 des Baugesetzbuches die Vorhaben zu. Dieser sagt, dass Bauanträge zu genehmigen sind, wenn sich die Neubauten an der Bebauung im näheren Umfeld orientieren. Genau das sieht das städtische Bauordnungsamt als gegeben an. Amtsleiter Blasch belegte dies mit im Planungsausschuss mit Luftbildern. Am Steinknappen sei die Baugenehmigung auch bereits erteilt.
MBI zog Antrag für neuen Bebauungsplan vorerst zurück
Mülheims Planungspolitik zeigte sich in dieser Woche auch wenig begeistert von den Auswüchsen, die die lukrative Renditen versprechende Bebauung am Rande des Siepentals annehmen soll. Hatten zunächst MBI und BAMH in Aussicht gestellt, das Vorhaben am Oesterwindweg über die Einleitung eines neuen Bebauungsplans stoppen zu wollen, zogen die MBI ihren diesbezüglichen Antrag am Ende doch vorerst zurück, weil Baudezernent Vermeulen zusagte, noch einmal das Gespräch mit dem Investor zu suchen und die Politik auf dem Laufenden halten zu wollen, damit sie gegebenenfalls noch reagieren könne.