Mülheim. Die Mülheimer Bürgerinitiative Fulerumer Feld hat viele Unterstützer: Über 5000 haben bislang die Petition gegen eine Bebauung unterschrieben.

Auf kräftigen Gegenwind aus dem Osten Mülheims darf sich der Wirtschaftsausschuss am kommenden Dienstag gefasst machen, wenn er über das Gewerbeflächenkonzept der Wirtschaftsförderung berät. Aktuell hat die frisch gegründete Bürgerinitiative „Fulerumer Feld“ in nur acht Tagen 5329 Unterstützer für ihre Petition gegen eine Bebauung des Feldes zwischen Velauer Straße und Rumbachtal wachgerüttelt. Einigen Kräften in der Verwaltung und Politik dürfte die Entrüstung aus der Bürgerschaft durchaus gelegen kommen.

Denn dem neusten Konzept, das eine weitreichende Umwidmung von freien Flächen zu Gewerbegebieten vorschlägt, ging eine grobe Attacke des Bürgerlichen Aufbruchs BAMH gegen den CDU-Planungsdezernenten Peter Vermeulen voraus. Dieser – und der Oberbürgermeister – seien nicht in der Lage, eine „Kehrtwende“ im Sinne der Mülheimer Wirtschaft zu erreichen.

Blick über die Ackerflächen im Fulerumer Feld südlich der Velauer Straße: 24 Hektar Land könnten hier bebaut werden.
Blick über die Ackerflächen im Fulerumer Feld südlich der Velauer Straße: 24 Hektar Land könnten hier bebaut werden. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Den bereits erstellten Plan des so düpierten Dezernenten kassierten BAMH mit Schützenhilfe der SPD, FDP und MBI im Juni 2019 ein. Mülheim und Business wurden anstelle mit einem neuen Masterplan beauftragt. Vermeulen machte seinem Ärger darüber verschiedentlich Luft.

Bürgerinitiative hat bereits 5329 Unterstützer

Die Allianz um den BAMH darf nun jedoch mit einem bürgerlichen Aufbruch anderer Art rechnen: Bereits Mitte Dezember – nach Veröffentlichung des Konzepts unter der neuen Federführung von Mülheim und Business – hat sich in Fulerum, Heimaterde und Heißen eine Initiative gegründet. Die 13 aktiven Bürger können auf eine satte Unterstützung von derzeit 5329 Sympathisanten bauen. „Wir sind von diesem Zuspruch selbst überrascht, aber jeder, mit dem wir im Stadtteil sprechen, sagt: Das geht gar nicht“, berichtet Initiativensprecher und Heimaterdler Florian Scheffler.

Was „nicht geht“, ist in den Augen nicht weniger eine Bebauung des Feldes südlich der Velauer Straße bis zum Rumbachtal von gut 24 Hektar. Es habe nicht nur einen „hohen Naherholungswert, weil Menschen mit ihren Familien dort spazieren, joggen und ihre Hunde ausführen“, wie die Initiative darlegt. Es ist ebenso ein Landschaftsschutzgebiet und Puffer zwischen Straße und dem Naturschutzgebiet Rumbachtal, wo sich Rehe, Falke und Feldhase aufhalten.

Fulerumer Feld trägt zur Abkühlung der Stadt bei

Nicht minder schwer wiegt in den Augen der Initiative, dass das Feld mit dazu beiträgt, dass Frisch- und Kaltluft entsteht, die die klimatisch aufgeheizte Innenstadt abkühlt. „Wer morgens am Riemelsbeck Richtung City guckt, kann erkennen, wie über der Stadt eine Dunstglocke hängt und Kaltluft die Rumbach-Furche hinunter strömt“, meint Scheffler.

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Seine Beobachtung sieht der Webdesigner durch ein städtisch beauftragtes Gutachten der Gruppe „K.Plan“ und im Klimaschutzkonzept der Stadt Mülheim unterstützt. „Wenn die Politik und Verwaltung der Bebauung zustimmt, widerspricht sie ihrem eigenen Leitgedanken.“ Wie viel finanziellen Segen bringt neues Gewerbe in die Stadt? 40 Beschäftigte pro Hektar und 2000 Euro Gewerbesteuer pro Beschäftigten rechnen Mülheim und Business in ihrem Wirtschaftsflächenkonzept vor. Allein für das 24 Hektar große Fulerumer Feld ergäben sich rechnerisch daraus 960 Beschäftigte und jährlich rund 1,9 Millionen Euro Gewerbesteuer zusätzlich.

BI: „Viele Hekter sind nicht gleichzusetzen mit hohen Gewerbesteuereinnahmen“

BI-Sprecherin und Kauffrau Sabine Gründges hat real begründete Zweifel am Rechenexempel der Wirtschaftsförderung: „Viele Hektar sind nicht gleichzusetzen mit hohen Gewerbesteuereinnahmen.“ Die Initiative hat sich mit Gewerbesteuereinnahmen durch große, flächenintensive Betriebe auseinander gesetzt. Nach ihren Recherche-Beispielen sollen etwa bestimmte Mülheimer Firmen 2018 deutlich weniger oder teils sogar keine Gewerbesteuer an die Stadt gezahlt haben.

Anfragen zu Wirtschaftlichkeit, Klima und Verkehr

Der Ausschuss für Wirtschaft, Stadtentwicklung und Mobilität tagt am Dienstag, 14. Januar, um 16.30 Uhr im Haus der Wirtschaft, Wiesenstraße 35.

Zusätzlich zum Bürgerantrag hat die BI Fulerumer Feld eine Reihe von Anfragen zu den Themen Wirtschaftlichkeit, Klima und Verkehr an den Ausschuss formuliert. So will sie etwa wissen, welche Branchen und Unternehmen 2018 eine Anfrage nach Möglichkeiten zur Ansiedlung in Mülheim gestellt haben und mit welchem Bedarf? Und: Welche Auswirkungen hat das erwartete zusätzliche Verkehrsaufkommen auf die Einhaltung der Grenzen für Feinstaubbelastung?

Die Initiative will am Mittwoch, 8. Januar, der Einladung der Grünen folgen. „Es ist uns aber wichtig, dass wir parteiunabhängig sind und auch bleiben“, betont Gründges. Das Fulerumer Feld könnte für Spannungen zwischen den durch die OB-Kandidatin Jägers frisch liierten Grünen und CDU sorgen. Die CDU hat sich dazu im Gegensatz zu den Grünen noch nicht positioniert.

Infos zur Bürgerinitiative: www.fulerumer-feld.de

Die Gewerbesteuereinnahmen dieser Firmen, die zusammen 80 Hektar ausmachten, hätten 2018 nur zwei Millionen Euro betragen – heißt es in einer Anfrage für den Ausschuss. Die BI kommt auf gerade einmal 25.000 Euro pro Hektar. Bestätigen oder dementieren kann die Stadt diese Recherchen auf Anfrage der Redaktion jedoch nicht – denn sie fallen unter das Steuergeheimnis, so Stadtsprecher Volker Wiebels.

Regionaländerungsverfahren: Fulerumer Feld, Winkhausen, Selbeck, Auberg, Bissingheim ausnehmen

Unbestätigt allerdings sind damit ebenso die Zahlen der Wirtschaftsförderung. Die von der BI recherchierten Ergebnisse – sollten sie stimmen – liegen zumindest davon weit entfernt, befürchtet Gründges, zumal Firmen die Möglichkeiten legaler Gewerbesteueroptimierung nutzen können, indem sie Firmen- und Wohnsitz in andere Städte aufteilen oder ins Ausland verlegen. „Eine der wesentlichen Einnahmequellen für die Stadt bei der Umwidmung von Acker in Gewerbe- oder Bauland dürfte daher wohl der Wechsel von der Grundsteuer A (265 Prozent) auf B (890 Prozent) sein“ – die Prognosen sprudelnder Geldquellen seien damit deutlich zu hoch gegriffen.

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Mit einem Bürgerantrag für den Ausschuss am Dienstag will die Initiative im Wirtschaftsausschuss nun die „in Landschaftsschutzgebieten liegenden Flächen Fulerumer Feld, Winkhausen, Selbeck, Auberg, Bissingheim von der Einleitung eines Regionaländerungsverfahrens langfristig (bis 2035) ausnehmen und somit erhalten“.