Mülheim. Ein Bon fürs Brötchen: Ab 2020 gilt die Belegausgabepflicht. Der Mülheimer Bäcker Peter Hemmerle erklärt, was das für seinen Betrieb bedeutet.
Auch wenn Sie nur ein kleines Brötchen für 35 Cent kaufen: Ab 2020 muss Ihr Bäcker Ihnen dafür einen Bon ausdrucken – ob Sie den nun wollen oder nicht. Die sogenannte Belegausgabepflicht für Händler und Gastronomen verpflichtet dazu, jedem Kunden einen Beleg über jeden Geschäftsvorgang zur Verfügung zu stellen. Hintergrund ist, dass die Bundesregierung Steuerhinterziehern das Leben schwerer machen möchte.
Die meisten Mülheimer Kunden von Hemmerle geben kleinere Beträge aus
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mülheimer bäcker hemmerle- der pumann hat hochsaisonDieses Ziel kann Peter Hemmerle zwar voll unterschreiben, doch in der Umsetzung „ist man über das Ziel hinausgeschossen“, so sein Urteil. „Da muss es doch andere Möglichkeiten geben.“ Das Mülheimer Familienunternehmen unterhält zwölf Bäckerei-Filialen im Stadtgebiet, und Geschäftsführer Peter Hemmerle kann sich gut vorstellen, dass die meisten Bons entweder auf der Theke liegen bleiben, oder gleich entsorgt werden. „Die Dinge kommen am Donnerstag ja auf uns zu. Wir wissen noch nicht, in welche Richtung das läuft.“
Die meisten der knapp 5000 Kunden, die Hemmerle pro Tag hat, kaufen für Kleinbeträge von zwei, drei Euro ein. Ein Brötchen, ein Stück Kuchen. „Das wird ein Müllberg ohnegleichen“, prophezeit Hemmerle. Man werde wohl Mülleimer aufstellen müssen. Hinzu komme, dass das beschichtete Thermopapier aus den Kassen kein normales Altpapier sei. Und allein für die zusätzlichen Bon-Rollen rechnet er mehrere hundert Euro extra. Jederzeit hätte ein Kunde auch zuvor schon einen Kassenbon bekommen können, wenn er den denn gewollt hätte, betont Peter Hemmerle. Doch jetzt muss der Kassenbeleg zwingend ausgedruckt werden.
Fünf Milliarden Bons pro Jahr
Der Zentralverband des Deutschen Bäckereihandwerks mit Sitz in Berlin hat mal geschätzt, wie viel Müll durch die neue Bonpflicht entsteht.
Betroffen seien bundesweit rund 11.000 Betriebe mit 46.000 festen und 15.000 mobilen Verkaufsstellen.
Bei durchschnittlich 100.000 Kunden je Verkaufsfiliale würden sich über fünf Milliarden Bons pro Jahr ergeben. Das entspreche nur für das Bäckerhandwerk dem 25-fachen Erdumfang oder der zweieinhalbfachen Wegstrecke Erde-Mond – unter der Annahme, dass ein Durchschnittsbon rund 20 Zentimeter lang sei.
Digitale Kassen sind heute transparent
Das Kassensystem, erklärt Peter Hemmerle, sei in sich geschlossen und auch für die Finanzbehörden jederzeit überprüfbar. Auf den 24 elektronischen Kassen in den Hemmerle-Filialen werde jeder Verkauf artikelgenau gebucht – „und jeder Vorgang ist unveränderbar.“ Die Software der Kassen verfüge über ein so genanntes Fiskaljournal.
„Es gibt doch auch heute schon die Kassennachschau“, erläutert er, wie man im Laden an den digitalen Kassen kontrollieren könne, ob das Bargeld auch mit den Buchungen übereinstimme. Oder mit den Buchungen über Kreditkarte, Girocard oder der Hemmerle-Kundenkarte, eine aufladbare Geldkarte. Michael Wippler, der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks, hatte schon unlängst von der Finanzverwaltung gefordert: „Betriebe des Bäckerhandwerks, die Kassen haben, die den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, sollten von der Belegausgabepflicht ausgenommen werden.“
Für Peter Hemmerle ist die neue Bonpflicht ein Rückschritt
„Wir sprechen alle von Digitalisierung – aber hier habe ich gerade das Gefühl, das ist ein Rückschritt um 20 Jahre“, so Peter Hemmerle. Allein der künftige Bon-Abfallberg ärgert ihn: Gerade nach dem Jahr von „Fridays for Future“, wo der Umweltgedanke immer mehr Bedeutung bekam.
Peter Hemmerle denkt aber trotz des neuen Bürokratieaufwands positiv und schätzt, dass der Bon-Boom noch nicht das letzte Wort ist, dass es nicht bei der Verpflichtung bleibt. Die Tragweite der Belegausgabepflicht sei möglicherweise nicht bis zuletzt bedacht worden. „Vielleicht gibt es ja noch andere Möglichkeiten, etwa erst eine Bonpflicht ab zehn Euro. Im Moment kommen wir aber nicht daran vorbei.“