Mülheim. Fotograf Hans Blossey beeindruckt immer wieder mit Bildern, die Mülheim von oben zeigen. Nun hat er die Stadt im Dunkeln beflogen. Ein Interview.

Mit seinem Touring-Motorsegler Dimona H36 ist Luftbildfotograf Hans Blossey immer wieder über dem Ruhrgebiet unterwegs, um dessen Städte aus der Vogelperspektive ins Visier zunehmen. Jüngst brach Blossey zu einem Nachtflug über Mülheim auf. Wir sprachen mit ihm über seine große Leidenschaft.

Lieber Hans, seit etlichen Jahren bist du als Luftbildfotograf für unsere Zeitung unterwegs. Meistens bist du bei Tageslicht unterwegs, superschön sind immer wieder auch deine Aufnahmen im Morgengrauen. Wie ist es, in der Dunkelheit abzuheben?

Mülheims Hauptbahnhof (im Vordergrund) mit den vier markanten Hochhaustürmen und dem Forum-Einkaufszentrum im Hintergrund.
Mülheims Hauptbahnhof (im Vordergrund) mit den vier markanten Hochhaustürmen und dem Forum-Einkaufszentrum im Hintergrund. © www.blossey.eu | Hans Blossey



Hans Blossey: Außergewöhnlich, man startet in eine ganz andere Welt. Es existiert nur das, was beleuchtet ist. Felder, Wälder, Wiesen und auch Dächer sind schwarz und so gut wie unsichtbar. Die sonst überdeutliche Ruhr ist bis auf ein paar Lichtreflexe nicht zu sehen. Die Landschaft wird durchzogen von mehr oder weniger beleuchteten Straßen, alle fahrenden Autos sind erkennbar. Die Stadtzentren erstrahlen wie Lichtinseln im Schwarz. Innerhalb der beleuchteten Stadt gilt dann wieder die alte Ortskenntnis.

Und wenn du an deinen Nachtflug zuletzt in Mülheim denkst?


Ruhrbania und die vier Forums-Hochhäuser erstrahlen hell – inklusive der überdimensionalen, blinkenden Adventskerze. Von Schloß Broich ist nur die Südfassade zu erkennen. Die Schlossbrücke quert ein Nichts. Technisch gesehen unterliegt der Nachtflug der lückenlosen Koordination durch die Frankfurt-Langener Radarlotsen. Kann ich mich tagsüber im System „Sehen und gesehen werden“ fast frei bewegen, bedarf es nachts des Flugplans und der Genehmigungen der Controller an den Radarschirmen.

Bedarf es einer besonderen Nachtfluggenehmigung?

Ja, eine Zusatzausbildung zur Pilotenlizenz mit Theorie und vielen praktischen Übungen, Starts und Landungen bei Nacht und natürlich die Radionavigation über Funkfeuer und GPS. Dazu muss jeder Flug per Flugplan genehmigt werden.

Welche technische Ausrüstung braucht man, um das Lichtschauspiel am Boden festhalten zu können?

Erst einmal Schal, eine wirklich warme Jacke und die Wollmütze. Und damit das mit den Fotos auch klappt, die neueste Kameratechnik (bei mir drei EOS R) und wahre Lichtwunder an Objektiven: 1,2/85mm, 1,8/200mm, 1,2/50mm, 1,4/24mm. Also Lichtbausteine, die dem wenigen Licht bei großer Eigenbewegung von mindestens 120 km/h gerecht werden. Für die Fotografen unter uns: Die Belichtungszeit darf nicht unter 1/200 sec. rutschen. ISO-Zahlen wandern rauf auf gelegentlich 12.800. Im Müga-Park verbreiten die Kerzen auf den Wegen wahrlich wenig Licht. Die Taschenlampen zum Objektivwechsel nicht zu vergessen – im Flugzeug leuchten nur die blendfreien Instrumente vor sich hin.

Das klingt nach einem Abenteuer. Ist also ein Nachtflug etwas ganz Besonderes auch für einen Vielflieger wie dich?

Die Düsseldorfer Straße mit dem Firmencampus für das internationale Geschäft von Aldi Süd.
Die Düsseldorfer Straße mit dem Firmencampus für das internationale Geschäft von Aldi Süd. © www.blossey.eu | Hans Blossey


Ja, natürlich. Es ist fliegerisch anspruchsvoller, da es, obwohl auf Sicht geflogen wird, der Instrumenten-Navigation unterliegt. Und fotografisch ist es eine große technische Herausforderung – ja, es ist so besonders, wie es die Bilder sind.

Jetzt mal Hand aufs Herz. Welches Motiv hast du in Mülheim am liebsten vor der Linse?

Ganz klar: die Salier-Siedlung. Zu allen Jahreszeiten.

Das überrascht mich jetzt ein wenig. Was fasziniert dich so sehr daran?

Die Symmetrie. Es ist ein Kleinod an städtebaulicher Architektenkunst – bei all den Neubausiedlungen findest du selten eine solch lebenswerte Umsetzung mit Freiräumen. Und vermutlich sind auch die Mieten erschwinglich. Aber der Mausegatt oder die Siedlung Theodor-Suhnel-Straße sind auch nicht von schlechten Eltern.

Das Jahr neigt sich langsam dem Ende zu. Was war in diesem Jahr dein beeindruckendster Flug mit Fotokamera?

Dieses Jahr bekam ich meine Mallorca-Navigations-Einweisung auf einer mallorquinischen Cessna inklusive spanischer Funk-Vokabeln. Fliegerisch war das Jahr davor mit einem Flug nach Marienburg und Gdansk (Danzig) in Polen spannend, inklusive der polnischen und deutschen Ostseeküste.

Was sind deine Pläne für 2020? Welche Orte willst du unbedingt mal aus der Luft fotografieren?

Es fängt im Januar mit Mallorca an, geht im Frühjahr mit dem Münsterland und rund um Soest für Buchproduktionen weiter. Und sehr regelmäßig – drei, vier Mal pro Monat für viele Stunden am Himmel – über das Ruhrgebiet, das Sauerland und den Niederrhein – also über mein Revier.

Das Stinnes-Haus mit Weihnachtsbaum liegt neben der A40.
Das Stinnes-Haus mit Weihnachtsbaum liegt neben der A40. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Eine Bildergalerie zum aktuellen Nachtflug von Hans Blossey über Mülheim finden Sie hier.