Mülheim. Von wegen Stille Nacht: Kabarettist Jochen Malmsheimer identifiziert in der Mülheimer Stadthalle wortgewaltig die Quellen weihnachtlichen Übels.

„Stille Nacht“ ist nun gerade nicht das, was einen Abend mit Jochen Malmsheimer ausmacht. Der Knecht Ruprecht des Kabaretts schmettert am letzten Dienstag vor Heiligabend eher mit der brachialen Gewalt einer marodierenden Herde Rentiere über die Stadthallenbühne.

Der zwar nur halb volle Saal hat daran gleich doppelte Laune. Denn alle Jahre wieder dasselbe Spiel in den Stuben – das verlangt offenbar bei nicht wenigen nach einer Art präventiver Katharsis. Malmsheimer hat daher gekonnt wortreich die Quelle des weihnachtlichen Übels identifiziert, die günstigerweise allesamt mit dem Buchstaben B beginnen: Baum, Backen, Basteln, Bescherung, „Ba-milie und Ba-monie“ – kündigt der enervierte Weihnachtsabstinenzler an.

Mit der Wort-Axt an die erste Säule des häuslichen Weihnachtsfriedens

Doch der feine Zwirn, in den sich Malmsheimer zum Programm „Jauchzet, frohlocket“ – eine Neuauflage seines früheren Programms – gekleidet hat, trügt natürlich. Denn gleich darauf legt er die Axt an der ersten Säule des häuslichen Weihnachtsfriedens an: Schon der Begriff der „Schonung“, wo die Männer alljährlich „in karierten Hemden und ,Mann-schesterhosen’ alles mit der Bügelsäge umlegen, was oben grün und unten braun ist“, sei völlig falsch gewählt. „Denn nirgendwo geht es schonungsloser zu.“

Nicht, dass der Waldmann wider Willen nicht auch ein paar nützliche Tipps in der Brusttasche hätte: „Den Baum immer mit dem dicken Ende nach vorne aufs Auto – sonst ist er zuhause deutlich lichter.“ Doch dauert’s eben nicht lang, bis Malmsheimer zur wohlgeschätzten Bissigkeit zurückkehrt beziehungsweise zum „Basteln!“, flucht er über zur ,Kuh’ zusammengesteckte Baumfrüchte im Besonderen: „Eine Kastanie ist eine Kastanie ist eine Kastanie!“

„Backen ist an sich nicht verwerflich, aber das Gebackene“

Und über die Auswirkungen von weihnachtlicher Blechblasmusik im allgemeinen: „Über den Zerstörungsgrad ist seit Jericho alles gesagt.“ Auch das weihnachtliche Backen mag den bärigen Bochumer nicht zu besänftigen: „Backen ist an sich nicht verwerflich, aber das Gebackene“, zieht Malmsheimer über die Aachener Printe – „ein als Gebäck missverstandener Baustoff“ – und Dinkelplätzchen her, deren Bestand „Dinkel“, nach Angaben des Rezitatoren, von der „EU-Kommission auf die Liste der ungenießbaren Substanzen gesetzt wurden, zu denen auch Glaswolle gehört.“

Angesichts der vielen grobschlächtigen wie feinwürzigen Bosheiten dieses Vorweihnachtsabends hat der Kabarettist gleich selbst einen „Sprühverband der feinen Melodeien“ gleich mitgebracht. So tröstet das famose Tiffany Ensemble immer wieder mit großartigen wie aberwitzigen Interpretationen weihnachtlichen Immergrüns wie „Ihr Kinderlein kommet“ und Tschaikowskys „Tanz der Zuckerfee“. Und scheuen auch keine augenzwinkernde Ausflüge ins vermeintlich Seichte der Filmmelodien von Biene Maja – während Malmsheimer in Slapstick-Manier auf der Bühne eine Biene mit seiner Kladde jagt.

Grandios bringen die fünf Musiker Mozarts Rondo alla Turca durch die Musikepochen bis zur Boogie-Woogie-Variante. Das Publikum reißt das von den Sitzen. „Da ist man versucht, Mozart zu fragen: Warum nicht gleich so?“, unkt Malmsheimer. Nach zwei Stunden reinigender Frotzeleien kann Weihnachten jedenfalls kommen.