Mülheim. Premiere am Raffelberg: Gruppe Ma’louba experimentiert mit Grenzen zwischen Rolle, Schauspieler und Publikum. Wie Rechte das Theater angreifen.

Besorgt ist Theatermacher Immanuel Bartz über die Anfrage der AfD, welche interkulturellen Projekte in welcher Höhe vom Land gefördert werden, noch nicht. Wenn auch das neuste Stück des Kollektivs Ma’louba am Theater an der Ruhr Fördermittel bezieht und selbstredend darüber Auskunft gab. Die Frage ist nur: Welchem ideologischen Zweck dient die Nachfrage?

„Reine Formsache“ fragt nach den äußeren und inneren Grenzen

Im Landtag von Sachsen-Anhalt – wo diese Anfrage ebenfalls gestellt wurde – wettert die „Alternative“ bereits über „Multikulti-Steuergeldverschwendung“. Erwartungsgemäß. Und so drohen Stücke, die essenzielle Fragen über den Menschen, über seine Identität in der Gesellschaft stellen, unterschwellig von rechts politisiert zu werden. Doch die betroffenen Theatergruppen reagieren bereits, haben ein Netzwerk gegründet.

Das neue Theaterstück „Reine Formsache“ am Raffelberg reflektiert diese wichtigen grundsätzlichen Fragen, und auch die der nationalen Identität: „Wer bin ich? Wer bin ich zum Beispiel als syrischer Künstler in Deutschland oder in Syrien?“, fassen es Autor Mudar Alhaggi und Regisseur Wael Ali zusammen. Beide syrischen Theatermacher leben bereits seit vielen Jahren in Deutschland und Frankreich. Zum ersten Mal aber arbeiten beide miteinander an einer Produktion.

Ein Spiel zwischen Rolle und Reflektion

„Reine Formsache“ inszeniert diese Identitätssuche auf eine offene, spielerische Weise: Die Schauspieler Amal Omran und Mouyad Roumieh schlüpfen in verschiedene Szenen, etwa ein Künstler, der in seine Heimat zurückkehren will, und ein Grenzsoldat, der ihn befragt. Dabei sind sie gleichzeitig Rolle und Schauspieler, der seine Rolle und die gespielte Situation reflektiert. Es geht um äußere Grenzen, Landesgrenzen, Zugehörigkeit und Integration. Aber auch um innere Identität – „die eigenen unsichtbaren Grenzen, die man überwinden muss“, deutet Mudar Alhaggi an.

Reine Formsache: Premiere am 9. November

„Reine Formsache“ feiert Premiere am Samstag, 9. November, 19.30 Uhr im Theater an der Ruhr, Akazienallee 61.

Weitere Vorstellung am Sonntag, 10. November, 18 Uhr. Karten: 23,50 Euro unter 599 01 88 sowie info@theater-an-der-ruhr.de.

Infos unter: www.collective-malouba.de

Die Situationen sind jedoch nicht starr, sie sollen Raum für spontane Veränderungen lassen. „Wie wird das Publikum darauf reagieren?“, ist Regisseur Wael Ali gespannt. Denn die Zuschauer sollen einbezogen werden – „das wird eine Herausforderung“. Und: Das Stück soll sich so ebenfalls stetig wandeln, „es kann im März schon ganz anders sein, als zur Premiere“, kündigt Dramaturg Immanuel Bartz an. Und so wird „Reine Formsache“ auch eine Herausforderung und Reflektion der Institution „Theater“, die sich in ihrem Dispositif aus Handelnden und Zuschauern nur behäbig verändert hat.

Wie politisch aber ist die Theaterarbeit für die syrischen Künstler ,im Exil’? Seit zwei Jahren ist Mudar Alhaggi mit seinem Collective Ma’louba am Theater an der Ruhr, beobachtet und kommentiert mit Schauspielern die gesellschaftlichen Prozesse in der arabischen wie europäischen Welt. Natürlich auch politisch – „aber wir haben aufgrund des Kriegs in Syrien, den sich ständig verschiebenden Grenzen auch unseren Kontext verloren, um eine feste Position beziehen zu können“, sagt der Autor.