Mülheim. Zum ersten Mal gab es eine Lesung in der 800-jährigen Geschichte des Klosters Saarn. Christine Westermann las über große und kleine Abschiede.
„So voll ist unsere Kirche sonst nur an Weihnachten“, sagt Pfarrer Christian Böckmann. Die Gastgeberinnen aus der Klosterbücherei und der Buchhandlung Hilberath und Lange, haben neben die Kirchenbänke etliche Stühle gestellt, damit mehr als 300 Menschen in der Pfarrkirche St. Mariä Himmelfahrt die Autorin, Journalistin und Moderatorin Christine Westermann sehen und hören können. „Wir hätten auch den Kölner Dom ausverkaufen können“, scherzt Buchhändlerin Ursula Hilberath.
Die Leiterin der Klosterbücherei Henny Reinke freut sich: „Wenn man im Ehrenamt antritt, ist die Vorbereitung einer solchen Veranstaltung kein Pappenstil, aber unser Einsatz hat sich Gott sei Dank gelohnt.“ Und Pfarrer Böckmann holt zum historischen Rundumschlag aus: „Zum ersten Mal in 800 Jahren Kloster Saarn findet hier in dieser Kirche eine Lesung statt. Aber Sie, liebe Frau Westermann, die 25 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen unserer seit 1849 bestehenden Klosterbücherei und die beiden Saarner Buchhändlerinnen Ursula Hilberath und Birgitta Lange passen gut zu diesem Ort. Denn es ist ein Ort, an dem 600 Jahre lang tatkräftige Zisterzienserinnen gelebt, gearbeitet und gebetet haben.“
Christine Westermann bietet etwas von Seelsorge und Gottesdienst
Und tatsächlich hat die Lesung und Erzählung, die Christine Westermann ihrem Publikum über 100 Minuten bietet etwas von Seelsorge und Gottesdienst. „Ich muss aufpassen, dass ich nicht anfange zu predigen. Aber das hat wohl mit der Atmosphäre dieses Raumes zu tun“, ruft sie sich selbst zur Ordnung. Doch das Thema, von dem sie aus der eigenen inzwischen 70-jährigen Lebenserfahrung liest und spricht, nämlich über die kleinen und großen Abschiede, ist auch ein Stoff, aus dem eine gute Predigt sein könnte.
Klosterbücherei feiert 170-jähriges Bestehen
„So viele Zuhörer wie heute Abend wünscht sich sicher auch mancher Geistliche“, sagte die ehrenamtliche Leiterin der Katholischen Öffentlichen Bücherei im Kloster Saarn, Henny Reinke, am Rande der Lesung mit Christine Westermann. Mit dieser Veranstaltung im Rahmen des Saarner Bücherherbstes feierte die Klosterbibliothek ihr 170-jähriges Bestehen.
Das Jubiläumsprogramm wird am 2. und 3. November mit einer Caféteria, einem Bilderbuchkino und einer Buchausstellung in der Bücherei an der Klosterstraße 55 fortgesetzt. Sie ist am 2. November von 15 bis 18.30 Uhr und am 3. November von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Das Bilderbuchkino mit anschließendem Waffelbacken und Basteln beginnt am 2. November um 16 Uhr.
Westermanns präsentiert ihr Buch „Manchmal ist es federleicht“ dann aber doch nicht (nur) als Predigt, sondern als wortgewitzte und einfühlsame Betrachtung ihrer Einsichten, die sie aus den Abschieden und Neuanfängen ihres Lebens mitgenommen hat. Sie berichtet von der „emotionalen Dunkelkammer“, in die sie die Scheidung der Eltern und der frühe Tod ihres Vaters brachten, von der frühkindlichen Flucht aus der DDR, aus der sie nur ihre Puppe Gisela mitnehmen durfte.
Abschiede und Neuanfänge: Köln, San Francisco und das ZDF
Sie erzählt von der unvergesslichen Freundin, an deren Grab sie stehen musste, nachdem „diese Frau, die die Gipfel des Lebens auskostete und so manches Jammertal durchschritt, ohne zu klagen“ ihren Kampf gegen den Krebs verloren hatte. Sie berichtet über ihre Abschiede und Neuanfänge in Köln und San Francisco und natürlich über ihren emotionalen Fernsehabschied nach 20 Jahren „Zimmer frei“ und ihre bevorstehenden Abschied aus dem Literarischen Quartett des ZDF, bei dem sie vor 48 Jahren als Moderatorin der Drehscheibe ihre journalistische Karriere begann.
„Unser Leben ist eine immer wiederkehrende Veränderung, in deren Angesicht wir zwischen Angst und Mut schwanken. Aber es gibt keinen Mut ohne Angst und es ist herrlich federleicht, wenn man den Mut aufbringt die Herausforderungen des Lebens anzunehmen und damit die eigenen Erwartungen, Verstrickungen und Vorsätze über Bord zu werfen“, gibt Christine Westermann ihren Zuhörern in der Klosterkirche mit auf den Heimweg. Doch sie tut dies nicht, ohne ihre am Büchertisch reichlich verkauften Bücher zu signieren und sich dabei ein kühles von Ursula Hilberath eingeschenktes Bier zu gönnen.