Mülheim. Für behinderte Menschen, die in einer Einrichtung leben, gelten ab Januar neue Regelungen. Sie müssen beim Sozialamt Grundsicherung beantragen.
Weil am 1. Januar 2020 die dritte Stufe des Bundesteilhabegesetzes in Kraft tritt, haben Cordula Driessen und ihr Team im Mülheimer Sozialamt derzeit viel zu tun: Sie müssen rund 500 personenbezogene Datensätze in die Datenbank des Sozialamtes einpflegen. Weitere könnten noch dazu kommen.
Es sind Daten von Menschen, die aufgrund einer Behinderung in einer beschützenden Einrichtung wie der Theodor-Fliedner-Stiftung, im Haus der Lebenshilfe, im Josefshaus der Caritas, im Haus Regenbogen am Worringer Reitweg, im Seppl-Kuschka-Haus und im Fritz-Driskes-Haus der Arbeiterwohlfahrt leben – laut Sozialamt derzeit insgesamt rund 440 Menschen.
Rund 440 behinderte Menschen in Mülheim leben in stationären Einrichtungen
Die Daten kommen vom Landschaftsverband Rheinland, der unter anderem die stationäre Pflege von Menschen mit Behinderung finanziert. Es sind zum größten Teil Menschen, die ihre Rechtsgeschäfte nicht selbstständig ausführen können und deshalb durch gesetzliche Betreuer erledigen lassen müssen. In der Regel sind dies Angehörige.
Es können aber auch Betreuer sein, die hauptamtlich tätig sind und dafür vom Amtsgericht bestellt werden. Alte Eltern, die sich vom bürokratischen Aufwand der gesetzlichen Betreuung ihrer behinderten Kinder entlasten möchten, können diese Aufgabe an einen jüngeren Familienangehörigen oder einen hauptamtlichen Betreuer übertragen.
Eltern im fortgeschrittenen Alter von der Betreuung ihrer behinderten Kinder entlasten
Die Größenordnung von etwa 500 personenbezogenen Datensätzen, die beim Mülheimer Sozialamt verarbeitet werden müssen, zeigt, dass es auch Menschen mit Behinderung gibt, die in einer Einrichtung außerhalb von Mülheim leben und arbeiten. Das gilt insbesondere für ältere Leute, die ihr betreutes Berufs- und Wohnleben begonnen haben, als es in Mülheim die entsprechenden Einrichtungen noch nicht gab, bis in die 1980er und 1990er Jahre hinein.
„Bei der Eingliederungshilfe - also den Kosten, die entstehen, weil behinderte Menschen in Werkstätten und Wohngruppen betreut werden müssen und auch in ihrer Freizeit auf Alltagsassistenz angewiesen sind - ändert sich nichts“, erklärt Cordula Driessen, zuständige Abteilungsleiterin im Sozialamt. „Diese Kosten werden weiterhin vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) getragen. Doch infolge des 2016 beschlossenen Bundesteilhabegesetzes (BTHG) müssen Menschen mit Behinderung und ihre gesetzlichen Betreuer jetzt bei den Sozialämtern einen Antrag auf Grundsicherung stellen.“
Antrag auf Grundsicherung muss jetzt bei Sozialämtern gestellt werden
Konkret bedeutet das für Menschen mit Behinderung und ihre Betreuer, dass sie kurzfristig ein eigenes Girokonto einrichten müssen, das bisher automatisch von den Trägern der stationären Einrichtungen geführt wurde. Außerdem erhalten die Betroffenen vom LVR die Unterlagen für einen Kurzantrag auf Grundsicherung, den sie an die zuständige Abteilung des Sozialamtes senden müssen. „Diesem Antrag sollten die Kopien des Personalausweises und des Schwerbehindertenausweises, der Bestallungsurkunde des gesetzlichen Betreuers sowie ein Beleg über die neue Bankverbindung des Eigengeldkontos und ein Einkommens- und Vermögensnachweis beiliegen“, unterstreicht Cordula Driessen.
Ansprechpersonen im Sozialamt
Bei der Antragstellung werden betreute Personen und ihre gesetzlichen Betreuer von den Mitarbeitern der Einrichtungen unterstützt, mit denen im Zuge der gesetzlichen Neuregelung jetzt auch Mietverträge abgeschlossen werden. Diese Mietverträge und auch Bescheinigungen über die Teilnahme an einem Werkstattessen können, falls sie jetzt noch nicht vorliegen, problemlos an die zuständige Sozialamtsabteilung 50-4 nachgereicht werden.
Ab sofort beraten vier Mitarbeiterinnen im Sozialamt an der Ruhrstraße 1 Menschen mit Behinderung und ihre Betreuer zu existenzsicherenden Leistungen: Anke Castor (455-5065), Susanne Ruhnke (455-5082), Kyra Sontacki (455-5087) und Teamleiterin Marion Perkuhn (455-5037).
Außerdem ist ein Mitarbeiter des LVR im Sozialamt als Teilhabeberater ansprechbar.
Sie weist ausdrücklich darauf hin, dass alle betreuten Personen, die schon seit Jahrzehnten Sozialhilfe beziehen, die bisher direkt an den Landschaftsverband überwiesen wurde, mit keinem Vermögenseinsatz rechnen müssen, wenn ihr Vermögen die Grenze von 5000 Euro nicht überschreitet. „Hier reicht uns der Kurzantrag auf Grundsicherung“, sagt Driessen.
Nach der gesetzlichen Neuregelung kann auch Wohngeld beantragt werden
Im Rahmen der gesetzlichen Neuregelung können die Betreuten und ihre Betreuer auch Wohngeld beantragen. Der entsprechende Antrag muss an das Mülheimer Wohngeldamt gerichtet werden. Falls jemand in einer Einrichtung außerhalb von Mülheim lebt, ist das Wohngeldamt der entsprechenden Stadt zuständig, anders als bei der Grundsicherung.