Mülheim. Das Café Ziegler in Mülheim, offener Jugendtreff unter dem Dach eines Gymnasiums, ist ein Versuch. Schüler kämpfen dafür, dass er weiterläuft.

Vor knapp zwei Jahren hat mitten in Mülheim das Café Ziegler eröffnet, das erste offene Jugendzentrum in den Räumlichkeiten einer Schule. Als Modellprojekt sind seine Tage gezählt: Ende des Jahres laufen die Fördergelder des Landes NRW aus. Um die weitere Finanzierung des Café Ziegler wurde am Mittwoch im Jugendhilfeausschuss gerungen. Im Vorfeld hatte auch die Schülervertretung (SV) des Karl-Ziegler-Gymnasiums mobil gemacht.

In einem offenen Brief an den Ausschussvorsitzenden Dieter Spliethoff (SPD) schreiben die Jugendlichen: „Die Schülerschaft und die Schule als solche hat nur profitiert und würde ungemein leiden, sollte man das Café schließen.“ Das tägliche Miteinander habe sich verbessert, argumentiert die SV. Nun solle man das „Engagement der Schüler nicht ersticken“, heißt es weiter in diesem Appell an die Politik.

SV mahnt: „Schülerschaft würde ungemein leiden“

Bei der Ausschusssitzung im Ratssaal drängten sich rund 80 Kinder und Jugendliche, ausgestattet mit Pro-Café-Plakaten, auf der Besucherempore. Eine Schülervertreterin ergriff persönlich das Wort: „Das Café Ziegler ist ein Rückzugsort, der an anderen Schulen nicht geboten wird“, sagte sie. „Es ist ein Merkmal, das uns inzwischen als Karl-Ziegler-Schule ausmacht.“ Dafür bekam sie starken Beifall von den Rängen.

Dabei war das Projekt, das die Caritas-Sozialdienste betreiben, in der Schulgemeinde anfangs äußerst umstritten. Mittlerweile hat sich das offenbar gewandelt. In einer wissenschaftlichen Begleitstudie zum Café

Über das Café Ziegler

Den Boden für das Café Ziegler bereitete 2014 eine jugendpolitische Fachtagung in Mülheim. Angesichts der veränderten Lebensbedingungen junger Menschen wurde dort die Idee entwickelt, offene Kinder- und Jugendarbeit am Standort Schule zu erproben.

Das Projekt wird getragen vom NRW-Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, den Caritas-Sozialdiensten und dem Karl-Ziegler-Gymnasium. Von den ersten Überlegungen bis zur Eröffnung im Oktober 2017 vergingen drei Jahre, vor allem wegen der erforderlichen Umbauarbeiten in den Schulräumen.

Geöffnet ist das Café Ziegler montags bis freitags von 11.30 bis 20 Uhr für Karl-Ziegler-Schüler sowie von 13.30 (bzw. 15) bis 20 Uhr für alle Kinder und Jugendlichen. Für die Betreuung wurden zwei junge Sozialpädagogen angestellt, mit insgesamt 1,5 Stellen.

Ziegler, erstellt durch Mirja Lange von der TU Dortmund, heißt es, die Elternschaft stehe dem Angebot „sehr positiv“ gegenüber, es sei auch zu einem wichtigen Kriterium bei der Schulwahl geworden. Und: Die Lehrerschaft nehme nunmehr „eine neutrale bis leicht positive Haltung“ gegenüber dem offenen Jugendtreff ein, „da sich die anfänglichen Vorbehalte nicht bestätigt haben“. Gemeint sind Befürchtungen etwa in Richtung Vandalismus, wenn sich fremde Jugendliche bis in den Abend auf dem Schulgelände aufhalten.

Projekt war von Anfang an umstritten

Die Begleitstudie, für die Mirja Lange unter anderem 500 Jugendliche aus der Mittelstufe befragt hat, wurde im Jugendhilfeausschuss vorgestellt. Verbunden damit war ein Antrag der Caritas-Sozialdienste,

In den Oster-, Sommer- und Herbstferien laufen im Café Ziegler offene Angebote, beispielsweise gab es einen Longboard-Workshop in Kooperation mit dem TrendSport Mülheim.
In den Oster-, Sommer- und Herbstferien laufen im Café Ziegler offene Angebote, beispielsweise gab es einen Longboard-Workshop in Kooperation mit dem TrendSport Mülheim. © FFS

dass sich die Stadt Mülheim künftig finanziell am Café Ziegler beteiligt. Gewünscht sind 25.000 Euro pro Jahr aus Mitteln des kommunalen Kinder- und Jugendetats. Bislang wird das Projekt maßgeblich getragen vom NRW-Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, das jährlich 100.000 Euro bereit stellt, ergänzt um Zuschüsse der Caritas und der MEG als Sponsoringpartner.

Rund 125.000 Euro pro Jahr sind erforderlich

Die Landesförderung war auf drei Jahre angelegt und läuft Ende 2019 aus. Eine Weiterführung ist beantragt, „wir haben noch keine Rückmeldung erhalten“, erklärt Georg Jöres, zuständiger Fachdienstleiter bei den Caritas-Sozialdiensten. Um den Kinder- und Jugendtreff halten zu können, sind nach Angaben der Caritas 125.000 Euro pro Jahr erforderlich. Man hofft, dass das Land zukünftig 60 Prozent davon gewährleistet, die Stadt Mülheim und das Bistum Essen jeweils 20 Prozent.

Der gesamte Kinder- und Jugendetat beläuft sich derzeit auf knapp 3,3 Mio. Euro. „Wir reden gerade mal über 0,07 Prozent davon“, so Jöres in der Ausschusssitzung. Er sei erstaunt, „dass wir darüber so kontrovers diskutieren müssen“. Die Debatte läuft allerdings schon länger - es gibt seit Beginn des Projektes Gegenstimmen anderer Träger in Mülheim.

Politische Entscheidung wurde verschoben

So reagiert die Arbeitsgemeinschaft der offenen Türen (AGOT) als Verbund der Mülheimer Jugendzentren auf den Förderantrag der Caritas mit einer kritischen Stellungnahme. Darin wird „mangelnder fachlicher Austausch“ mit dem Café Ziegler moniert und die Ansicht vertreten, dass es sich nicht um ein Angebot der offenen Kinder- und Jugendarbeit handelt.

Tatsächlich hat auch die wissenschaftliche Begleitung ergeben, dass das Café Ziegler bislang nur vereinzelt von Kindern und Jugendlichen aus dem Stadtteil besucht wird und höhere Altersgruppen noch kaum erreicht. Auf politischer Ebene, aber auch unter den Jugendeinrichtungen, gibt es offensichtlich weiterhin Diskussionsbedarf. Der Ausschuss hat die Entscheidung über städtische Fördergelder auf die nächste Sitzung am 29. November verschoben.