Mülheim. 50 weitere Plätze für Kinder über drei Jahren will die Stadt bei freien Trägern schaffen. Doch selbst diese reichen nicht. Droht die Klagewelle?
Die Stadt Mülheim will für das kommende Kindergartenjahr 50 zusätzliche Überbelegungsplätze im Bereich der über Dreijährigen (Ü3) schaffen und zielt damit auf die freien Träger von Kindertageseinrichtungen. Der Beschluss soll im Jugendhilfeausschuss am 18. September fallen. Zusätzlich deshalb, weil die Regelplätze an den Kitas bereits seit Jahren längst überbelegt sind. Die notwendigen Mehrkosten von 171.000 Euro muss die Stadt aufbringen.
Geburtenstarke Jahre setzen Kommune unter hohen Druck
Denn der Druck auf die Kommune wächst. Aktuell warten 152 Ü3-Kinder auf einen Betreuungsplatz. Die vergangenen Jahre waren – nach Beurteilung der Stadt „unerwartet“ – geburtenstark, allein im U3-Bereich (Kinder unter drei Jahren) werden in den kommenden Jahren 611 weitere Betreuungsplätze benötigt. Bis 2025 rechnet die Stadt daher mit einem Bedarf von 4800 Kindern über drei Jahren, die einen Kitaplatz brauchen.
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Einen Rechtsanspruch auf Betreuung hätten sie. Doch während Kinder unter drei auch durch eine Tagespflege betreut werden können, gilt das für die Ü3 nicht. Hier kommen zwangsläufig die freien Träger mit ins Spiel. Die geplante Erhöhung um 50 zusätzliche Plätze verdoppelt die vorhandene Überbelegung von 60 auf 110. Von Seiten der Stadt sind es aktuell 143. Insbesondere in Stadtmitte, Heißen und Dümpten fehlen Plätze. Überraschend ist das jedoch weniger: Sie fehlen hier seit Jahren. Inwiefern die neue Offensive also ausreicht?
Fehlende Betreuung: Auf Mülheim kann eine Klagewelle zurollen
Gar nicht – wenn alle betroffenen Eltern auf einen Kitaplatz pochen. Die Stadt selbst rechnet bereits mit rund 160 zusätzlichen Kindern und mit fehlenden Betreuungsplätzen für Drei- bis Sechsjährige von etwa 150 – also gut der dreifachen Menge. „Es besteht daher zunehmend das Risiko, dass Eltern aufgrund der Nichterfüllung des Rechtsanspruches ein Klageverfahren gegen die Stadt Mülheim anstreben“, mahnt die Beschlussvorlage für den Jugendhilfeausschuss.
Die Zwangslage für die Stadt verschärft sich auch deshalb, weil das Geld fehlt, anderswo Interimslösungen zu schaffen. So haben sich heute die Ankündigungen im Frühjahr zerschlagen, dass man in den Holzhäusern am Klöttschen, wo vormals Geflüchtete untergebracht worden sind, günstig mit Vorhandenem eine Kita mit 50 Ü3-Plätzen einrichten könne. Der Immobilienservice errechnete jüngst, dass der Umbau 650.000 Euro plus 85.000 Euro für die Erstausstattung kosten würde. Nun ist die Nachnutzung der teuren Holzhäuser doch zu teuer.
Auch die Überbelegung kann den Bedarf nicht decken
Angesichts der Prognose, diese Plätze aufgrund wieder rückläufiger Geburtenraten abbauen zu müssen, rät die Verwaltung von der Investition am Klöttschen ab. Zu der geplanten zusätzlichen Überbelegung scheint es folglich keine bezahlbare Alternative zu geben. Sie bewege sich aber immer noch „im zulässigen Rahmen (Zehn-Prozent-Korridor) und werden über die notwendigen personellen Ressourcen abgesichert“, heißt es in der Begründung zum vorgeschlagenen Beschluss.
Inklusions-Plätze sind kein Tabu mehr
Um Kindern mit Behinderung die Möglichkeit zu geben, gemeinsam mit Nicht-Behinderten in einer Kita-Gruppe betreut zu werden, hält die Stadt grundsätzlich wenigstens einen Platz pro Gruppe frei.
Auch diese Inklusions-Plätze könnte die Stadt nun, sofern sie nicht genutzt werden, „in begründeten Einzelfällen“ freigeben.
Weil dies allein aber den Bedarf nicht deckt, will die Stadt Einrichtungen weiterführen, die sie eigentlich für andere wichtige Projekte plante. So könnte die städtische Kita an der Barbarastraße 30 a in Dümpten, die man noch Anfang 2018 „zur Deckung des durch die Bildungsentwicklungsplanung identifizierten Grundschulbedarfes in Mülheim-Dümpten“ nutzen wollte, mit 60 Ü3-Plätzen weitergeführt werden. Dabei baut bereits ein freier Träger – der SWB – ein paar Häuser weiter einen Ersatz für die aufgegebene städtische Kita. Weil aber auch diese Kapazitäten nicht reichen würden, muss die Stadt am alten Gebäude vorerst festhalten.
Das bedeutet auch: Die angedachte Erweiterung der Grundschule für den Stadtteil müsste einstweilen hinten anstehen. Ob der aufgeschobene Ausbau später eine Lücke bei den anschließend zu erwartenden erhöhten Einschulungen reißen wird, muss noch bewertet werden.